VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 S 44/09 - asyl.net: M15498
https://www.asyl.net/rsdb/M15498
Leitsatz:

Die Anwendung von § 25 Abs. 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Schutz von Ehe und Familie ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht durch § 29 Abs. 3 AufenthG gesperrt; eine Erkrankung kann die Nachholung des Visumsverfahrens als unzumutbar i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG erscheinen lassen (hier: Diabetes mellitus eines Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo).

Schlagwörter: D (A), Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel, grundsätzliche Bedeutung, Darlegungserfordernis, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Schutz von Ehe und Familie, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Visumsverfahren, Zumutbarkeit, Visumsverstoß, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Demokratische Republik Kongo, Kongolesen, Krankheit, Diabetes mellitus, Infektionsgefahr
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 5 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 27; AufenthG § 29 Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nicht ausreichend dargelegt. [...]

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, im Falle des Klägers seien die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erfüllt. Bei der Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestehe zu seinen Gunsten eine Ermessensreduzierung auf Null, weil ihm vor allem im Hinblick auf seine Erkrankung an Diabetes Mellitus die Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo zur Nachholung des Visumsverfahrens nicht abverlangt werden dürfe.

In der Antragsbegründung vertritt die Beklagte demgegenüber die Auffassung, nach § 27 AufenthG seien die Vorschriften des 6. Abschnitts des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes vorrangig anzuwenden. Hier komme § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht. Daher sei die Anwendung des § 5 Abs. 3 AufenthG bereits rechtsdogmatisch strittig. Nach der allein anwendbaren Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG sei nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.

Damit werden keine erheblichen Gründe vorgebracht, die dafür sprechen, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird. Schon der Ausgangspunkt der Überlegungen der Beklagten hätte näherer Darlegung bedurft. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird vertreten, dass die Vorschrift des § 29 Abs. 3 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Schutz von Ehe und Familie nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht ausschließt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.4.2007 - 11 S 1035/06 - juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 31.5.2006 - 1 Bs 5/06 - juris) und § 25 AufenthG wegen seiner "Auffangfunktion" ergänzend zu § 36 AufenthG anwendbar sei (Nds. OVG, Beschluss vom 8.12.2008 - 8 LA 72/08 - InfAuslR 2009, 104). Vor diesem Hintergrund dürfte die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG hier grundsätzlich von der obergerichtlichen Rechtsprechung gedeckt sein. Daher hätte die Beklagte ihre gegenteilige Ansicht näher begründen und sich dabei auch mit der oben genannten einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen. Allein die durch nichts belegte Behauptung, die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG und damit auch des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei im Falle des Klägers ausgeschlossen, kann hierfür offensichtlich nicht genügen.

Von daher gehen auch die weiteren Ausführungen der Beklagten, die sich ausschließlich auf die Frage beziehen, ob dem Kläger das Nachholen des Visumsverfahrens zumutbar i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG ist, an Entscheidung des Verwaltungsgerichts - das sich diesbezüglich allein auf § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gestützt hat - vorbei. Es ist auch nicht evident, dass sich die Erwägungen der Beklagten zu § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG ohne weiteres auf § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG übertragen lassen, denn es ist nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass insoweit ein anderer Maßstab anzusetzen ist. Dafür könnte sprechen, dass § 5 Abs. 3 AufenthG ausweislich der Gesetzesbegründung für eine Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen eine zusammenfassende Sonderregelung treffen soll, da die Erteilung eines Aufenthaltstitels typischerweise nicht von der Einhaltung aller Voraussetzungen des § 5 abhängig gemacht werden kann (vgl. BT-Drucks 15/420, 70; ebenso: VAH 5.3.1). Anders als § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG verlangt § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zudem nicht schon als Voraussetzung der Ermessensbetätigung, dass ein Nachholen des Visumsverfahrens unzumutbar ist. Daher hätte die Beklagte insoweit näher darlegen müssen, dass und weshalb sich ihre Ausführungen zu § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG auf die in § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgesehene Ermessensbetätigung übertragen lassen könnten. Auch daran fehlt es.

2. Soweit er auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt ist, hat der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ebenfalls keinen Erfolg. [...]

Mit den Ausführungen der Beklagten wird dieser Zulassungsgrund schon nicht ausreichend dargelegt. Ihre bloße Behauptung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht. Den Ausführungen der Beklagten lässt sich keine konkrete klärungsbedürftige Rechtsfrage entnehmen; erst recht fehlt es an deren genauer Bezeichnung und Formulierung.

Die Ausführungen der Beklagten beziehen sich zudem letztlich allein auf einen Einzelfall. Ob bei der Ermessensbetätigung im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensreduzierung auf Null besteht, hängt ausschlaggebend von einer Würdigung und Abwägung der besonderen Umstände des konkreten Falles ab und führt deswegen regelmäßig - und so auch hier - nicht zu einer Rechtsfrage, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.1993 - 1 B 184.93 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 134). [...]