§ 39 Nr. 3 AufenthV setzt nicht voraus, dass alle Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der letzten Einreise entstanden sind, so dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug ohne Visumsverfahren möglich ist, wenn nach der Eheschließung im Ausland die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland aufgenommen wird.
[...]
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung des Landratsamts Emmendingen vom 22.10.2008 ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, denn er richtet sich gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, welche hier die gesetzliche Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG hat entfallen lassen (vgl. VGH Bad.-Württ, Beschl, v. 20.11.2007 - 11 S 2364/07 InfAuslR 2008, 81) und gegen die ebenfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 12 LVwVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO). [...]
Der Antrag ist auch begründet. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung führt hier nämlich zum Ergebnis, dass das Interesse der Antragstellerin, von den Folgen der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Entscheidung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt. [...]
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Antragstellerin ist Ehegattin eines Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet, ohne dass Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet begründet wären. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners dürfte auch die Nichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung einer Einreise mit dem erforderlichen nationalen Visum für einen längerfristigen Aufenthalt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz .1 AufenthG) der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht unüberwindbar im Wege stehen. Allerdings setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise für einen längerfristigen Aufenthalt voraus, dass der Ausländer mit dem entsprechenden nationalen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG), wobei sich die Erforderlichkeit des Visums nach dem Aufenthaltszweck des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, nicht aber nach dem bei der Einreise beabsichtigten Aufenthaltszweck bestimmt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.03.2006 - 11 S 1797/05 -, VBlBW 2006, 357, und v. 30.03.2006 - 13 S 389/06 -, InfAuslR 2006, 323 m.w.N.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang daher, ob die Antragstellern tatsächlich - wie von ihr vorgetragen wird - zu Besuchszwecken eingereist ist und den Entschluss zur Heirat erst in der Bundesrepublik Deutschland gefasst hat. Allerdings gilt die nationale Visumpflicht nicht, soweit der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. §§ 39 ff. AufenthV nach der Einreise im Bundesgebiet einholen kann. Außerdem kann von ihrer Erfüllung nach Ermessen abgesehen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Gemessen daran spricht vieles dafür, dass die Antragstellerin nach § 39 Nr. 3 AufenthV von der Visumpflicht befreit sein könnte. [...] Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg befreit die Vorschrift nicht nur die für einen Kurzaufenthalt sichtvermerksfreien Drittausländer - zu denen die Antragstellerin als russische Staatsangehörige nicht gehört -, sondern daneben alle Inhaber eines Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte von der nationalen Visumpflicht für längerfristige Aufenthalte nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008 - 11 S 1041/08 -, juris). Auch dürfte nach dieser Rechtsprechung - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - die Anforderung erfüllt sein, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. Zu Unrecht beruft sich der Antragsgegner insofern darauf, dass die Eheschließung in Dänemark und mithin vor der letzten Einreise der Antragstellerin in das Bundesgebiet erfolgt ist. Denn nach der erwähnten Rechtsprechung ist maßgebend die Entstehung der Gesamtheit aller Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise in dem Sinne, dass der Anspruch nach der Einreise entsteht, nicht jede einzelne Anspruchsvoraussetzung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008, a.a.O.). Es ist aber davon auszugehen, dass die Antragstellerin, die sich nach Aktenlage bereits am 01.09.2008 - und damit wenige Tage nach der am 28.08.2008 erfolgten Eheschließung - wieder im Landkreis Emmendingen aufhielt, wo sie sich bei der Gemeinde Endingen polizeilich meldete und beim Landratsamt Emmendingen den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellte, erst nach der letzten Einreise die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erforderliche eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann im Bundesgebiet aufgenommen hat. Die vor jener Einreise in Dänemark erfolgte Eheschließung ist zwar eine notwendige, für sich genommen jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für den Familiennachzug. Denn für den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären (ehelichen) Gründen kommt es nicht auf das bloße formale Band der Ehe, sondern darauf an, ob tatsächlich eine familiäre (eheliche) Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht (§ 27 Abs. 1 AufenthG).
Zweifel sind auch angebracht, ob in der Person der Antragstellern - wie der Antragsgegner meint - ein Ausweisungsgrund gegeben ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstiteis in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Nach Auffassung des Landratsamts hat die Antragstellerin den Ausweisungsgrund, des § 55 Abs. 2 Nr. 1 a) AufenthG verwirklicht. Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er in einem Verwaltungsverfahren im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben u.a. zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels oder eines Schengen-Visums gemacht hat. Das Landratsamt hält der Antragstellerin insoweit vor, dass sie bei der Beantragung des Schengen-Visums bei der deutschen Botschaft in Kiew angegeben hatte, ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Sohn für drei Monate besuchen zu wollen, während sie tatsächlich die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen vorgehabt habe. Die Antragstellerin hat demgegenüber im vorliegenden Verfahren vortragen lassen, dass ein dauerhafter Aufenthalt von ihr nicht beabsichtigt gewesen sei, der Entschluss zur Heirat vielmehr spontan gefasst worden sei. Diese Einlassung der Antragstellerin ist durch die bisherigen Ermittlungen der Behörde nicht zu widerlegen. Sie ist im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf auch nicht vollkommen unplausibel, denn die Antragstellerin ist bereits am 08.06.2008 eingereist und hat erst am 28.08.2008 -
mithin über zwei Monate später - geheiratet. Von daher kann nach dem derzeitigen Erkenntnisstand das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nicht angenommen werden. [...]
Fraglich erscheint der Kammer allerdings, ob die besondere Voraussetzung des § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt, dass sich die Antragstellerin zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Als sie beim Landratsamt den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis stellte, hat sie in der diesbezüglichen Rubrik des Antragsformulars "ein bisschen" eingetragen. Mit Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 25.09.2008 wurde vorgetragen, sie werde einfache deutsche Sprachkenntnisse durch Vorlage des Zertifikates über das Bestehen der Prüfung Start Deutsch 1 nachweisen. Eine solche Bescheinigung ist in der Folgezeit jedoch - soweit ersichtlich - nicht vorgelegt worden. Zu berücksichtigen ist aber, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Falle der Antragstellerin als Familienangehöriger eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, ein - von der Einhaltung einer nationalen Aufenthaltsvisumpflicht unabhängiges und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes - Aufenthaltsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EG in Betracht kommt (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 11.12.2007, NVwZ 2008, 402; Urt. v. 09.01.2007, NVwZ 2007, 432; Urt. v. 23.09.2003, InfAuslR 2003, 409). [...]