Psychische Erkrankungen sind im Kosovo behandelbar; zu den Mindestanforderungen an Gutachten zu psychischen Erkrankungen.
[...]
Die als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. [...]
Mit Blick auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag der Klägerin und die ausdrückliche Bezugnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten auf die sogenannte Sachkunde-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BverwG) mit Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 B 118.05 - verweist das erkennende Gericht auf die nachfolgenden Ausführungen des OVG NRW:
"Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Verfahrensgrundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass das Gesetz dem Richter grundsätzlich - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger ausdrücklicher Regelungen wie etwa § 98 VwGO i.V.m. § 415 - 419 ZPO - keine festen Regeln für seine Überzeugungsgewinnung bzw. Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorschreibt. Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung ist es gerade, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Die Grenze freier Beweiswürdigung ist erst überschritten, wenn das Gericht von einem unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt ausgeht, sich als entscheidungserheblich aufdrängende Umstände übergeht und bei der Würdigung die Grenzen einer objektiven willkürlichen, die Natur- und Denkgesetze sowie die allgemeinen Erfahrungssätze beachtenden Wertung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 - 1 C 29.03 - NVwZ 2005, 1087; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2006 - 13 A 4323/03.A -, AuAS 2006, 165, 30. April 2006 - 13 A 2820/04.A - und vom 5. Juni 2007 - 13 A 4562/05.A).
Vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung umfasst ist sowohl die Würdigung des Vorbringens des Asylbewerbers im asylrechtlichen Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit und den Wahrheitsgehalt des vom Schutzsuchenden dargestellten Sachverhalts, als auch die Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen die Wertung und Bewertung vorliegender ärztlicher Atteste und Stellungnahmen sowie die Überprüfung darin getroffener Feststellungen und Schlussfolgerungen auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit. Eine besondere medizinische Sachkunde ist dazu regelmäßig nicht erforderlich. Die Würdigung ärztlicher Atteste und Stellungnahmen, insbesondere zum Vorliegen psychischer Erkrankungen von Asylbewerbern, ist vielmehr eine gerade in Asyl- und Abschiebungsschutzklagen sich ständig wiederholende Aufgabe. Im Falle - wie hier - geltend gemachten PTBS ist dabei die Feststellung eines behaupteten traumatisierenden Ereignisses Gegenstand der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001- 1 B 1801- DVBL 2002, 53, OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 2007 - 13 A 4569/05.A vom 26. April 2006 - 8 A 4323/03.A -, a.a.O., vom 5. Januar 2005 - 21 A 3093/04.A -, NVwZ-RR 2005, 358; VG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Oktober 2006 -, A 9 S 1157/06 -, AuAS 2007, 8."
Diesen Ausführungen des OVG NRW schließt sich das erkennende Gericht ausdrücklich an. Darüber hinaus hat das BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung vom 11. Juni 2007 - 10 C 8.07 - konkretisiert, welche Mindestanforderungen an eine substantiierte Darlegung einer psychischen Erkrankung, etwa einer behaupteten PTBS-Erkrankung oder - wie hier - einer dissoziativen Störung infolge wiederholender Traumatisierung zu stellen sind, um eine weitere Sachaufklärungspflicht der Gerichte auszulösen. Dabei hat das Gericht u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller, der etwa eine behandlungsbedürftige PTBS geltend mache, angesichts der Unschärfe dieses Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig ein fachärztliches Attest vorzulegen habe, dass gewissen Mindestanforderungen genügen müsse. Dazu gehörten etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden habe und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die Befunde bestätigt würden. Des weiteren solle das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Verhandlungsverlauf - Medikation und Therapie - geben. Wegen der Pflicht eines Asylbewerbers, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO), die in besonderem Maße für die Umstände gelte, die in die eigene Sphäre der Beteiligten fallen, sei die Pflicht der Gerichte zur weiteren Sachaufklärung noch nicht ausgelöst, wenn eine ärztliche/psychologische Äußerung keine Angaben über eine eigene ärztliche Exploration und Befunderhebung enthalte und der Unterzeichner des Attestes keine nachvollziehbar begründete eigene Diagnose stelle. Dementsprechend entstünde keine Sachaufklärungspflicht, wenn sich das Attest im Wesentlichen auf die Wiedergabe der Angaben des Antragstellers beschränke und ohne nähere Erläuterung bescheinige, dass seine Angaben für das Vorhandensein etwa einer PTBS oder einer anderen psychischen Erkrankung vergleichbarer Art sprächen.
Hiervon ausgehend bedurfte es für die streitentscheidende Frage nach dem Vorliegen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots i.S.d. § 60 Abs. 7 Abs. 7 Satz 1 AufenthG der in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
Hierzu war eine Vorabentscheidung des Gerichts nicht erforderlich. Zwar kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag grundsätzlich nur durch begründeten Gerichtsbeschluss abgelehnt werden (§ 86 Abs. 2 VwGO), allerdings hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf entsprechende Frage des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf einen derartigen Vorab-Beschluss verzichtet und sein Einverständnis damit erklärt, dass hierzu ggf. mit der Entscheidung in der Sache selbst Ausführungen gemacht werden können. Diese Verzichtserklärung war wirksam, denn durch das Erfordernis des § 86 Abs. 2 VwGO soll das Gericht einerseits dazu gezwungen werden, sorgfältig die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen, was letztlich dem Amtsermittlungsgrundsatz entspricht. Dem hat das erkennende Gericht auch durch die vorliegende nachträgliche rechtliche Auseinandersetzung mit dem Beweisantrag entsprochen. Andererseits verfolgt § 86 Abs. 2 VwGO das Ziel, die Beteiligten in die Lage zu versetzen, sich auf die neue Prozesssituation einzustellen, neue Tatsachen vorzutragen und Anträge stellen zu können. Auf diese Möglichkeiten hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit seiner Einverständniserklärung im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet. Damit hat er sich seines Anspruchs auf Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO begeben.
Die Beweiserhebung entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag war aus verschiedenen Gründen entbehrlich.
Zunächst fehlt es für einen rechtserheblichen Beweisantrag an der hinreichenden Bestimmtheit durch Benennung eines konkreten Beweisthemas. Als zu beweisende Tatsache im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin die "Frage" benannt, ob bei der Klägerin eine "dissoziative Störung (Konversionsstörung) auf dem Boden einer wiederholten Traumatisierung" vorliege und "sich der Gefahr einer Retraumatisierung und damit einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin durch für sie zugängliche medizinische Maßnahmen im Kosovo ausreichend begegnen" lasse. Die Benennung "einer wiederholten Traumatisierung" als Boden für eine dissoziative Störung (Konversionsstörung) und die darauf aufbauenden Gefahr einer Retraumatisierung und damit einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin durch für sie nicht zugängliche medizinische Maßnahmen im Kosovo lässt hinreichend bestimmte Tatsachen nicht erkennen. Vielmehr stellt die bloße unbestimmte Behauptung "einer wiederholten Traumatisierung" eine diffuse und in jeder Hinsicht nicht konkrete Behauptung dar, so dass sich hiervon ausgehend auch nicht die konkrete Gefahr einer bestimmten Retraumatisierung erkennen lässt.
Auch mit Blick auf die insoweit allein als verwertbar in Betracht kommende fachpsychologische Stellungnahme des Dr. ... vom 07. August 2007 stellt sich der vorliegende Beweisantrag aufgrund eines Mangels des benannten Beweisthemas als nicht ordnungsgemäß gestelltes Beweisgesuch dar, wobei der Mangel darin liegt, dass Fakten oder argumentativ erschlossene tatsächliche Zusammenhänge fehlen, aufgrund derer für die erstellte Beweisbehauptung eine bestimmte Plausibilität spricht. Kennzeichnend für einen derartigen Ausforschungsbeweis ist allerdings, dass unter formellem Beweisantritt Behauptungen aufgestellt werden, der Beweisgehalt nicht eine gewisse (Anfangs-) Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ob (hinreichende) tatsächliche Anhaltspunkte für eine (Anfangs-) Wahrscheinlichkeit einer unter Beweis gestellten Behauptung vorliegen und damit ein ordnungsgemäßer - nicht auf Ausforschung gerichteter - Beweisantrag gestellt ist, hängt auch vom zu beweisenden Sachverhalt ab. Je komplexer und/oder ungewöhnlicher dieser ist, desto mehr bedarf es vom Asylsuchenden darzulegender Indiztatsachen für eine gewisse Wahrscheinlichkeit der dem Gericht mit dem Beweisgesuch unterbreiteten Tatsachenbehauptung (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 ZU 3020/06.A -).
Diesem Erfordernis genügt der vorliegende Beweisantrag wegen seiner unbestimmten Formulierung und der mangelnden Verwertbarkeit der insoweit allein heranzuziehenden fachpsychologischen Stellungnahme des Dr. ... vom 07. August 2007 nicht. Wie die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach den diagnostischen Leitlinien der WHO (ICD-10 F 41.1) für eine Post- oder Retraumatisierung ein vorhergehendes Trauma voraussetzt, so setzt auch die unter Ziffer 2 des Beweisantrages behauptete Gefahr einer Retraumatisierung das Vorliegen eines einzelnen traumatisierenden Ereignisses oder vergleichbare konkrete wiederholte traumatisierende Ereignisse voraus. Dieses Erfordernis ist dem o.g. fachpsychologischen Gutachten vom 07. August 2007 nicht zu entnehmen.
Darüber hinaus sind die unter Beweis gestellten Tatsachen auch nicht entscheidungserheblich, weil die vorstehende fachpsychologische Stellungnahme bezüglich der Klägerin nach der Klassifikation des ICD-10 folgende psychische Störungen diagnostiziert: F 32.1 mittelgradige depressive Episode, F 44.7 dissoziative Störung (Konversionsstörung), gemischt (infolge wiederholter Traumatisierung). Dieses individuelle Krankheitsbild, dessen Behandelbarkeit im Kosovo nicht generell, sondern als Einzelfall zu beurteilen ist, lässt sich allerdings nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW und anderer Verwaltungsgerichte bei Zugrundelegung der gegenwärtigen Erkenntnislage jedenfalls soweit behandeln, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht von einer konkreten und erheblichen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszugehen ist. Dabei berücksichtigt das Gericht - trotz erheblicher Zweifel insoweit - ausdrücklich das Vorbringen der Klägerin zu der von ihr behaupteten Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma und die sich hieraus ergebende allgemeine sowie behauptete besondere medizinische Situation der Klägerin im Kosovo (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 01. Februar 2007 - 5 A 1274/05.A -, vom 26. April 2007 - 13 A 4611/04.A -, vom 23. Mai 2007 - 14 A 2595/06.A -, vom 05. Juni 2007 -13 A 4569/05.A - und vom 27. Juli 2007 - 13 A 2745/04.A -; VG München, Beschlüsse vom 29. April 2008 - M 2 K 07.50989 - und 08. Oktober 2008 - M 17 K 08.50063 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 ZU 3020/06.A Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 12. November 2008 -10 K 428/08 - m.w.N.; VG Aachen, Urteil vom 11. Januar 2008 - 9 K 237/04.A -).
Die mangelnde Verwertbarkeit der für die behaupteten psychischen Störungen der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste/Stellungnahmen ergibt sich aus folgenden Gründen:
Die beiden nervenärztlichen Atteste des Dr. med. ... vom 27. Mai 2006 und 29. Juli 2006 sind bereits aufgrund ihres erheblichen Alters nicht verwertbar. Darüber hinaus ergibt sich aus ihnen auch inhaltlich nicht die nachvollziehbare Diagnose einer Erkrankung, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wegen mangelnder Behandelbarkeit zu einer Gefahr für die Klägerin i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen wird. [...]
Keine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich für den nervenärztlichen Befundbericht des Dr. ... vom 1. November 2008. Zwar ist dieser Bericht neueren Datums und damit wegen seiner Aktualität grundsätzlich verwertbar. Allerdings genügen auch die darin enthaltenen Ausführungen weder formal noch inhaltlich den Qualitätsstandards, die wegen der ihnen innewohnenden psychologisch-psychiatrischer Begutachtung auch einen derartigen "nervenärztlichen Befundbericht" zu stellen sind. Die erneut bestätigte Diagnose einer "schweren Depression" und eines "dissoziativen Syndroms mit Fugue" beruht ebenfalls nicht auf einer eigenen nachvollziehbaren und hinreichend ausführlichen Exploration mit einem nachvollziehbaren Befundbericht, sondern lediglich auf den nicht nachvollziehbaren und unkritisch übernommenen Berichten und Erzählungen der Klägerin. [...]
Durchgreifende Zweifel hinsichtlich eines maßgeblichen Aussagewertes ergeben sich bereits aus dem Umstand, dass der Gutachter zwar hinsichtlich der Grundlage seiner Diagnose "mittelgradige depressive Episode (F 32.1) und dissoziative Störung (Konversionsstörung), gemischt - infolge wiederholter Traumatisierung (F 44.7)" ausgeführt hat, dass diese Diagnose anhand des halbstrukturierten Interviews, der diagnostischen Tests, der Verhaltensbeobachtung, der fremdanamnestischen Angaben sowie seiner langjährigen Erfahrung in der Behandlung und Begutachtung von Traumatisierten und Folteropfern beruhe, seine Diagnose allerdings tatsächlich ausweislich der schriftlichen fachpsychologischen Stellungnahme auf lediglich drei psychodiagnostischen Untersuchungsgesprächen am 13.07., 20.07. und 27.07.2007 beruht, und dass, um "Verständnisproblemen vorzubeugen", eine entfernte Verwandte der Klägerin, Frau ..., als Dolmetscherin hinzugezogen worden ist, und die Untersuchungstermine in Begleitung ihres Ehemannes erfolgt sind. Eine fundierte und verwertbare Diagnose war unter diesen Umständen nicht möglich, zumal eine Hinzuziehung des Ehemannes der Klägerin zu den Gesprächen neben der Heranziehung seiner Schwägerin als Dolmetscherin aufgrund des behaupteten Krankheitsbildes kontraindiziert und wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Übersetzungen durch seine Schwägerin problematisch gewesen ist.
Der mangelnde Aussagewert der fachpsychologischen Stellungnahme ergibt sich des weiteren daraus, dass diese den erforderlichen formalen und inhaltlichen Standards an ein verwertbares Gutachten/Attest zur Feststellung eine psychischen Erkrankung nicht genügt. In einem derartigen Gutachten/Attest ist nämlich u.a. anzugeben, auf welche Befundtatsachen es sich stützt, insbesondere ist auch der Explorationstext festzuhalten. Dabei ist gerade wesentlicher Bestandteil der Begutachtung die inhaltliche Analyse der vom Arzt selbst erhobenen Aussage in Bezug auf das Vorliegen und den Ausprägungsgrad von Glaubhaftigkeitsmerkmalen, eine Konstanzanalyse durch Vergleich von Aussagen, die ein Patient zu verschiedenen Zeitpunkten über denselben Sachverhalt gemacht hat, wie eine Kompetenzanalyse, die das Niveau der für eine Aussage relevanten kognitiven Funktion eines Patienten erfasst. Diesen Maßstäben genügt die Stellungnahme nicht. Es fehlt eine nachvollziehbare und kritische Analyse mit Kompetenz und Glaubwürdigkeitsanalyse, was im vorliegenden Fall allerdings deshalb besonders naheliegend gewesen wäre, weil sich die Klägerin nach der Kenntnis des Gutachters bereits seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland befindet und sie hier Asylverfahren durchgeführt hat, mithin auch für einen Gutachter mit der von ihm dargetanen langjährigen Erfahrung in der Behandlung und Begutachtung von Traumatisierten und Folteropfern hätte erkennen müssen, dass die Klägerin bereits im Rahmen dieser Asylverfahren Angaben zu nunmehr behaupteten traumatisierenden Ereignissen im Kosovo gemacht haben muss. Ohne ansatzweise insoweit in eine Prüfung einzutreten, unterstellt der Gutachter unkritisch die ihm durch die Klägerin geschilderten Berichte zu verschiedenen Erlebnissen im Kosovo. [...]
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei Würdigung ihres Gesamtverhaltens seit ihrer Einreise im Jahr 2003 mit dem Betreiben asylrechtlicher und ausländerrechtlicher Verfahren und aufgrund ihrer verschiedenen Einlassungen vor dem Bundesamt, im Rahmen der drei psychodiagnostischen Untersuchungsgespräche vom 13.07., 20.07. und 27.07.2007 sowie im Rahmen der Parteivernehmung in der mündlichen Verhandlung einen sehr unglaubwürdigen Eindruck gemacht hat, da ihre Einlassungen von Unrichtigkeiten, Widersprüchen, Unstimmigkeiten und nicht nachvollziehbaren Übertreibungen geprägt sind und auch die Angaben des Ehemannes der Klägerin bei den Anhörungen im Rahmen seiner Asylverfahren Angaben enthalten, die nicht ansatzweise mit den Berichten über traumatisierende Geschehnisse der Klägerin im Kosovo übereinstimmen. [...]
Abgesehen von der fehlenden Glaubwürdigkeit der Klägerin und der mangelnden Verwertbarkeit der fachpsychologischen Stellungnahme vom 07. August 2007 ist die behauptete und für sie diagnostizierte psychische Erkrankung der Klägerin allerdings auch im Kosovo jedenfalls unterhalb der Gefahrenschwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG behandelbar; dabei geht das Gericht nicht von einer generellen Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen, sondern bei der gebotenen einzelfallbezogenen prognostischen Auseinandersetzung mit Gesundheitszustand und konkretem Behandlungsbedürfnis von dem individuellen Krankheitsbild bei Beachtung der individuellen familiären und sozialen Rahmenbedingungen für die Klägerin aus.
Die für sie diagnostizierte mittelgradige depressive Episode (F 32.1) und dissoziative Störung (Konversionsstörung), gemischt - infolge wiederholter Traumatisierung - (F 44.7) ist im Kosovo ebenso wie die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schweren Depressionen oder eine behandlungsbedürftige Anpassungsstörung mit ausgeprägten depressiven Symptomen grundsätzlich behandelbar (vgl. hierzu insgesamt mit zahlreichen Nachweisen OVG NRW, Beschlüsse vom 20. September 2006 - 13 A 1740/05.A -, 26. April 2007 -13 A 4611/04.A -, 23. Mai 2007 - 14 A 2595/06.A -, 06. Juni 2007 -13 A 4569/05.A - und vom 27. Juli 2007 - 13 A 2745/04.A -; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 ZU 3020/06.A -, Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 12. November 2008 - 10 K 428/08 Urteil des VG Aachen vom 11. Januar 2008 - 9 K 237/04.A -, Urteile des VG München vom 29. April 2008 - M 2 K 07.50989 - und 08. Oktober 2008 -M 17 K 08.50063 -; VG Ansbach, Urteil vom 21. Februar 2008 - AN 16 K 06.30937 - mit insgesamt weiteren Ausführungen zur gegenwärtigen Erkenntnissituation).
Nach den darüber hinaus vorliegenden Erkenntnismaterialien (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15. Februar 2007 und Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo (Stand: Januar 2009) vom 02. Februar 2009; Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo - Prishtina - an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 21. Juli 2006) erfolgt die Behandlung von psychischen Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in acht Zentren für geistige Gesundheit, den so genannten Mental Health Care Centres, MHCs, die sich u.a. in den Städten Peje/Pec, Prizren, Ferizaj/Urosevac, Gjilan/Gnjilane, Gjakove/Djakovica, Mitrovice/Mitrovica (Süd) und Prishtine/Pristina befinden. In den fünf Regionalkrankenhäusern Pristine/Pristina, Mitrovice/Mitrovica (Nord), Peje/Pec, Prizren und Gjakove/Dakovica stehen Abteilungen für stationäre Psychiatrie inklusive jeweils angeschlossener Ambulanz zur Verfügung.
Der Anteil der in die Kategorie psychischer Erkrankungen (Psychic and personality disorder F00-F99) einzuordnenden Krankmeldungen betrug in den Regionalkrankenhäusern im Jahr 2006 ca. 3,68 % (Krankmeldungen insg. 170.963, davon 6.293 Meldungen über psychische Erkrankungen). In der Psychiatrischen Klinik des Universitätsklinikums Pristina wurden im Jahr 2006 4 % oder 971 von 27.045 Krankmeldungen in der Kategorie psychischer Erkrankungen (Psychic and personality disorder F00-F99) erfasst.
In den Regionalkrankenhäusern mit eigener stationärer Psychiatrie in Gjilan, Gjakova, Peje und Prizren stehen zur stationären Aufnahme insgesamt 81 Betten zur Verfügung. Die Auslastungsquote der Bettenbelegung beträgt nicht mehr als ca. 80 %. Die Aufnahme neuer Patienten ist unproblematisch. Das medizinische Personal besteht aus 13 Ärzten und 39 Personen Pflegepersonal. Das Regionalkrankenhaus Mitrovica-Nord (serb. Enklave) teilte keine statistischen Daten mit.
In der Universitätsklinik Pristina stehen zur stationären Aufnahme von psychisch Erkrankten 92 Betten zur Verfügung. Die jährliche Auslastungsquote der Psychiatrie liegt bei ca. 54 %. Das medizinische Personal besteht aus 16 Ärzten und 41 Personen Pflegepersonal. Die geschlossene psychiatrische Abteilung der Universitätsklinik für Akutfälle verfügt über 14 der 92 Betten. In dieser Abteilung sind 3 Fachärzte, 2 Assistenzärzte sowie 11 Personen Pflegepersonal tätig.
Ferner gibt es das Kosovo Institute for Mental Health Recovery (KIMHR), Centre for Stress Management and Education (CSME) in Gjakove/Djakovica, "One to One" Psychosocial Centres in Peje/Pec und Prizren (vgl. auch "National Plan für Psycho- Trauma", März 2006).
Patienten mit dem Krankheitsbild PTBS werden in den Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems weiterhin primär medikamentös behandelt. Ausweislich des aktuellen Berichts des Auswärtigen Amtes haben die behandelnden Ärzte der Psychiatrien in den Regionalkrankenhäusern auf Anfragen erklärt, dass PTBS-Patienten überwiegend medikamentös, aber auch teilweise auf psychotherapeutischer Grundlage zu behandeln seien, wenn hierfür eine medizinische Notwendigkeit vorliege und die Zeit für die Durchführung von psychotherapeutisch orientierten Gesprächen zur Verfügung stehe. Trotz teilweise fehlender psychotherapeutischer Qualifikation seien die Ärzte in der Lage, psychotherapeutisch orientierte Gespräche mit an PTBS leidenden Patienten zu führen.
Die Nachsorge der PTBS-Patienten findet zunehmend in den primären Strukturen der FMCs statt. So legt z.B. das Zentrum für Mentale Gesundheit für den Kreis Prizren seinen Schwerpunkt auf die Rehabilitation. Es finden ambulante Gesprächstherapien in der Einrichtung oder in Form von Hausbesuchen durch ein Team statt, wobei Familienmitglieder in die Behandlung integriert werden. Wie in unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen von Ärzten berichtet wird, ist die Quote der Patienten mit dem Krankheitsbild PTBS insbesondere in den letzten 3 Jahren deutlich zurückgegangen.
Behandlungsmöglichkeiten im privaten Gesundheitssektor
Die PTBS wird im privaten Gesundheitswesen durch privat praktizierende Fachärzte für Psychiatrie durch medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungsformen, wie z.B. durch die Psychotherapie, therapiert. Es bestehen in Kosovo in privatärztlich geführten Praxen Behandlungsmöglichkeiten für an PTBS erkankte Personen. Einige Fachärzte, die eine neurologische Praxis betreiben, bieten ebenfalls Behandlungsmöglichkeiten für psychisch Erkrankte an. Privatpraxen befinden sich in den Regionen Pristina, Mitrovica, Gjilan Gjakove, Pec/Peja und Prizren. Die behandelnden Ärzte verfügen mindestens über eine Qualifikation als Neuropsychiater. Einige Ärzte erwarben zusätzliche Fachkenntnisse im Ausland. Nach einer im Sommer 2008 durchgeführten Erhebung bestanden in 10 von 16 Praxen keine Wartezeiten für neue Patienten. Jede dieser Privatpraxen bietet die Durchführung von Psychotherapien an. Der Preis für die Durchführung einer Gesprächstherapie beläuft sich im Normalfall auf ca. 10 bis 20 EUR, in schwierigen Fällen bis zu 30 EUR pro Zeitstunde. Alle befragten Ärzte erklärten übereinstimmend, in der Lage zu sein, eine im Ausland begonnene Behandlung weiterführen zu können. Eine privat geführte Klinik in Fushe Kosove bietet ebenfalls umfangreiche Behandlungsmöglichkeiten für an PTBS Erkrankte an.
Im Juni 2007 wurde das erste Kosovo-Rückkehrerprojekt "URA" (alb. "Die Brücke") offiziell in Pristina eröffnet. Es handelt sich um ein von der EU gefördertes Projekt zur Unterstützung von Rückkehrern u.a. aus Deutschland. Das am 31.10.2008 durch Zeitablauf beendete Projekt URA I wird seit 01.01.2009 durch das bis zunächst 31.12.2009 befristete Projekt URA II ersetzt. Die Projektleitung liegt weiterhin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. URA bietet in seiner Einrichtung in der Innenstadt von Pristina weiterhin Integrations-, Betreuungs- und Unterstützungsmaßnahmen - jedoch nur für Rückkehrer aus den nunmehr das Projekt URA II finanzierenden Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - an. Aber auch Rückkehrer aus anderen Bundesländern können weiterhin von den in Deutschland zu Trauma-Spezialisten geschulten Psychologen des Projektes URA II eine professionelle Behandlung psychischer Erkrankungen erhalten. Die Übernahme einer Betreuung und Behandlung durch URA ist kostenfrei, erfolgt jedoch nur nach vorheriger konkreter Absprache im Einzelfall.
Hiervon ausgehend ist auch die - wenn auch zweifelhafte - für die Klägerin diagnostizierte Erkrankung hinreichend behandelbar.
Dieser einzelfallbezogenen auf die Klägerin beschränkten Einschätzung stehen entgegen ihrer Auffassung auch nicht die Erkenntnisse des Dr. ... in den o.g. Aufsätzen entgegen. Denn abgesehen davon, dass die Ausführungen des erkennenden Gutachters zur juristischen Interpretation seiner Erkenntnisse erkennen lassen, dass er aus seiner psychiatrischen Sicht von einer unrichtigen Auslegung des Erfordernisses eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgeht und Zweifel hinsichtlich der Verwertbarkeit seiner Aussagen sich daraus ergeben, dass er die Rechtsprechung des 13. Senats des OVG NRW als "realitätsfremd" und "zynisch" disqualifiziert, sind auch seine neuesten Erkenntnisse für den vorliegenden Einzelfall nicht verwertbar, denn es geht nicht um die allgemeine Versorgungssituation aufgrund einer generellen Einschätzung, sondern um die einzelfallbezogene Behandelbarkeit entsprechend dem rechtlichen - nicht sozial-psychologischen - Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Mit dem OVG NRW geht das Gericht davon aus, dass die vorliegenden Erkenntnisse des Dr. Gierlichs erkennbar auf eine Entlastung der neuen Strukturen im Kosovo durch eine Nichtzurückführung psychischer Kranker zielen (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Januar 2007 - 13 A 1138/04.A - und vom 05. Juni 2007 - 13 A 4569/05.A -).
Im Übrigen lehnt UNMIK die Rückführung von Flüchtlingen aus dem Kosovo - einschließlich Personen mit PTBS oder Depressionen - nicht mehr aus Gesundheitsgründen ab, was auch für eine grundsätzlich hinreichende Behandelbarkeit solcher psychischer Krankheiten im Kosovo spricht (vgl. hierzu: Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo (Stand: Januar 2009) und OVG NRW, Beschluss vom 05. Juni 2007 - 13 A 4569/05. A -).
Für die hinreichende Behandelbarkeit unter der Gefahrenstufe des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG spricht des Weiteren der Umstand, dass die Klägerin ausweislich der vorliegenden nervenärztlichen Atteste/Befundberichte des Dr. med. ... seit dem 27. Mai 2006 bei diesem in seiner Sprechstunde zwar vorstellig geworden ist, sie aufgrund der erstmaligen vorläufigen Diagnose durch nervenärztliches Attest vom 27. Mai 2006 in der Folgezeit bis zum heutigen Zeitpunkt offenbar lediglich im Wesentlichen medikamentös, insbesondere mit Antidepressiva behandelt worden ist. [...]
Schließlich ergibt sich keine abweichende Beurteilung aus der Behauptung der Klägerin, dass sie - wie ihr Mann und ihre Kinder - zur Volksgruppe der Roma gehöre und sie als solche wegen der allgemeinen Lage der Roma keine medizinische Versorgung erhielten und mangels finanzieller Möglichkeiten auch nicht in der Lage seien, an die erforderlichen Medikamente zu kommen. Denn abgesehen davon, dass die Klägerin nach Einschätzung des Gerichts aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände nicht zur Volksgruppe der Roma gehören dürfte, ist für die Klägerin - zu ihren Gunsten diese Volkszugehörigkeit als zutreffend unterstellt - die Beschaffung der erforderlichen Medikamente insbesondere von Antidepressiva möglich (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2007 - 13 A 4611/04.A - und 05. Juni 2007 - 13 A 4569/05.A -; VG Aachen, Urteil vom 11. Januar 2008 - 9 K 237/04.A -, Verwaltungsgericht des Saarlands, Urteil vom 12. November 2008 - 10 K 428/08 - m.w.N.).
Auch dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo (Stand: Januar 2009) ist nicht zu entnehmen, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma von einer medikamentösen Versorgung im Kosovo abgeschnitten wären. [...]