VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 18.02.2009 - AN 15 K 07.30794 - asyl.net: M15550
https://www.asyl.net/rsdb/M15550
Leitsatz:
Schlagwörter: Armenien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Faktor-V-Mangel, Blutgerinnungsstörung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage war abzuweisen, denn sie ist unbegründet. [...]

Aufgrund dieses Vortrags gibt es weiter keine stichhaltigen Gründe für die Annahme erheblicher konkreten Gefahren für Leib, Leben oder persönliche Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Zielstaat Armenien im Hinblick auf staatliche Maßnahmen oder Übergriffe Dritter. Mit Blick auf ihren Gesundheitszustand hat sie auf ihre nicht ausreichende Behandlung in Armenien, ihre offenen, nicht abheilenden Wunden am Unterschenkel und die ihr dort vorgeschlagene Amputation sowie darauf verwiesen, dass eine Rückkehr sehr schlecht wäre und ihre Wunden an ihren Beinen bestimmt wieder aufgehen würden. Hieraus wird unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahme und der im Verfahren eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft in Eriwan nicht erkennbar, dass die Klägerin im Falle einer Rückkehr überwiegend wahrscheinlich mit einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands zu rechnen hätte. [...]

Nach dem ärztlichen Attest vom 30. Juli 2008 des Facharztes für Allgemeinmedizin fand sich als Ursache der Erkrankung der Klägerin (offene Beingeschwüre beidseits bei schwerer Venenerkrankung) ein heriditärer heterozygoter Faktor-V-Mangel (D68.2,G) bzw. eine erbliche Blutgerinnungsneigung mittlerer Ausprägung mit deutlich erhöhtem Thromboserisiko gegenüber der Normalbevölkerung. Weiter wird auf die einjährige Behandlung der hierauf zurückzuführenden schwer abheilenden Hautdefekte mit Infektion beider Unterschenkel mittels täglichen Verbandswechseln und Kompressionsverbänden mit intermittierender antibiotischer Therapie, systemischer Blutverdünnung mit dem Medikament "Marcumar" und darauf verwiesen, dass damit eine vollständige Abheilung des rechten Beins sowie eine nahezu vollständige Abheilung der Wunde des linken Beins erreicht worden sei. Zur Erhaltung dieses Therapieerfolgs sei das konsequente Tragen von angemessenen Kompressionsstrümpfen der Klasse II sowie eine voraussichtlich lebenslange Blutverdünnung mit Medikamenten (Phenprocunon/Marcumar) unbedingt erforderlich. Die medikamentöse Antikoagulation erfordere regelmäßige ärztliche laborchemische Kontrollen der Blutgerinnung in Abständen von zwei bis vier Wochen.

Auf gerichtliche Anfrage hat die Deutsche Botschaft die mögliche Behandlung dieser Blutgerinnungsstörung im Hämatologischen Zentrum des armenischen Gesundheitsministeriums bestätigt. Danach werden weiter kostenlos Kontrolluntersuchungen bei Patienten mit Faktor-V-Mangel (darunter auch die Bestimmung des INR-Wertes) durchgeführt. Weil eine Behandlung mit Marcumar wegen der fehlenden Zulassung des Medikaments in Armenien nicht durchgeführt werden kann, bekommt der Patient mit Faktor-V-Mangel ein kostenloses Frischgefrierplasma entsprechend seiner Blutgruppe und seines Rhesus-Faktors. Kontrolluntersuchungen und auch ärztliche Behandlung eines Patienten mit Faktor-V-Mangel werden im Hämatologischen Zentrum im staatlichen Auftrag kostenlos durchgeführt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft bestehen nicht. Es ist ferner nicht erkennbar, dass die Behandlung wegen der Blutverdünnung statt mit Marcumar nicht auch mit Blutplasma erfolgen könnte. Zwar wird im vorgelegten ärztlichen Attest das Medikament neben den Kompressionsstrümpfen als unbedingt erforderlich bezeichnet. Ausführungen, weshalb keine Alternativen in Betracht kommen sollen, fehlen jedoch. Aus der eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft folgt, dass die Behandlung mit Frischgefrierplasma in Armenien mangels der Zulassung von Marcumar oder entsprechender Präparate angewendet wird, ohne dass dies in der Auskunft als weniger wirksame Methode bezeichnet wird. Weiter gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin der Zugang zu dieser Behandlung aus finanziellen Gründen nicht möglich sein könnte. Zwar weist das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 18. Juni 2008 darauf hin, dass die Kliniken gezwungen seien, von Patienten Geld zu nehmen. Dies bezieht sich aber auf Klinikaufenthalte und die Abgabe von Medikamenten. Die Botschaft hat demgegenüber für die konkret vorliegende Situation auf ausdrückliche gerichtliche Anfrage, ob die ärztliche Behandlung kostenlos ist und für den Fall, dass dies nicht so sein sollte, mit welchen Zuzahlungskosten neben Medikamenten und Laborkosten zu rechnen sei, die Kostenfreiheit der Behandlung, der Kontrolluntersuchungen und des Blutplasmas bestätigt. Ferner konnte sich die Klägerin, die nach eigenen Angaben wegen des Einkommens des in Armenien befindlichen Ehemannes in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, in den sechs Jahren vor der Ausreise in Armenien behandeln lassen. Umstände, die auf eine wesentliche Verschlechterung der Krankheit in überschaubarer Zukunft hinweisen, sind daher nicht ersichtlich. [...]