Asylanerkennung wegen illegaler Ausreise aus Myanmar und Asylantragstellung in Deutschland.
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Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. [...] Der Kläger ist als Asylberechtigter anzuerkennen. [...]
Im vorliegenden Fall geht das Gericht davon aus, dass der Kläger nicht vorverfolgt ausgereist ist und dass ihm auch im Zeitpunkt der Ausreise nicht unmittelbar politische Verfolgung drohte. Vergleicht man die Angaben, die der Kläger bei der Polizei, bei der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, so fallen durchaus Differenzen auf, die nicht allein mit Ungenauigkeiten bei der Übersetzung oder dem jugendlichen Alter des Klägers zu erklären sind. [...]
Der Anspruch auf Anerkennung aus Asylberechtigter wird jedoch aus anderen Gründen bejaht.
Das Asylgrundrecht verlangt grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen drohender politischer Verfolgung und Flucht, weil es nach seiner humanitären Intention darauf gerichtet ist, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet und deswegen flüchtet. Nur unter diesen Voraussetzungen wird ein politischer Verfolgungstatbestand vom Art. 16a GG erfasst. Hiernach können weder das - aus politischen Gründen strafbewehrte - bloße illegale Verlassen des Heimatstaates noch die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland für sich allein einen Asylanspruch begründen. Es fehlt am kausalen Zusammenhang zwischen drohender politischer Verfolgung und Ausreise.
Die möglicherweise eine politische Verfolgung auslösenden Verfolgungsgründe Asylantragstellung und/oder Republikflucht gehören nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sogenannten subjektiven Nachfluchtgründen i.S.d. § 28 AsylVfG. Dies gilt für die Asylantragstellung deshalb, weil eine möglicherweise durch den Asylantrag ausgelöste Verfolgung erst nach der Ausreise vom gesicherten Ort aus und aufgrund der subjektiven Willensentschließung des Asylbewerbers entsteht (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 790 - 792 m.w.N.). Entsprechendes gilt für eine Verfolgung durch Bestrafung wegen Republikflucht, und zwar sowohl in der Form des illegalen Verbleibens im Ausland nach legaler Ausreise als auch wegen der Bestrafung infolge illegaler Ausreise (BVerwG, a.a.O.). Eine dem Kläger aufgrund des illegalen Verlassens seines Heimatstaates möglicherweise drohende Bestrafung wegen Republikflucht kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 81, 41 - 48) selbst dann nicht zu seiner Anerkennung als Asylberechtigte führen, wenn mit der drohenden Bestrafung nicht nur die Verletzung von Ordnungswidrigkeiten geahndet wird, sondern der Kläger darüber hinaus auch in einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung getroffen werden soll, die der myanmarische Staat allein schon wegen des unerlaubten Verlassens des Staatsgebietes annimmt. Auch unter dieser Voraussetzung wird der Verfolgungsgrund des illegalen Grenzübertritts, der zeitgleich mit der Ausreise aus dem Heimatstaat hervorgerufen wird und damit zwischen den vor dem Verlassen des Heimatstaates entstandenen und den danach entstehenden Verfolgungsgründen liegt, bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise grundsätzlich nicht vom Tatbestand des Art. 16a GG erfasst.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf der Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen allgemeinen Leitlinie zur grundsätzlichen Unerheblichkeit selbstgeschaffener subjektiver Nachfluchtgründe (vgl. BVerfGE 74, 51) entschieden, dass Republikflucht und Asylantragstellung als selbstgeschaffene, Verfolgung auslösende Umstände ausnahmsweise dann zu einer Asylgewährung führen, wenn sich der Asylsuchende vor seiner Ausreise im Heimatstaat bei objektiver Betrachtung in einer politisch bedingten Zwangslage in Form einer sogenannten latenten Gefährdungslage befand. Das Vorliegen einer latenten Gefährdungslage stellt den Ausgleich für den fehlenden, aber grundsätzlich erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung, Flucht und Asyl her, damit nicht allein durch eine erstmalige risikolose Verfolgungsprovokation aus der Bundesrepublik Deutschland ein Asylanspruch für den Asylbewerber geschaffen wird. Beide subjektiven Nachfluchtgründe müssen also Folge einer im Heimatstaat vorhandenen Zwangslage gewesen sein (vgl. BVerwG a.a.O.).
Daraus folgt, dass sowohl die drohende Bestrafung wegen illegaler Ausreise als auch die Asylbeantragung als solche noch kein Asylrecht begründen, sofern die Flucht ins Ausland beziehungsweise die Asylantragstellung nicht zugleich Ausdruck einer abweichenden politischen Gesinnung sind. Erforderlich ist daher bei beiden eine im Heimatland bei objektiver Betrachtung bestehende politisch bedingte Zwangslage in Form einer latenten Gefährdungslage als Ausgleich für den fehlenden, aber grundsätzlich erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung, Flucht und Asyl (BVerwGE, 87, 187). Eine latente Gefährdungslage ist dann anzunehmen, wenn dem Ausländer vor seiner Ausreise im Heimatstaat politisch bedingte Übergriffe noch - nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten, nach den gesamten Umständen jedoch auf absehbare Zeit auch nicht hinreichend sicher auszuschließen waren, weil Anhaltspunkte vorlagen, die ihren Eintritt als nicht ganz entfernt erscheinen lassen. Es genügt nicht die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden. Erforderlich ist, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen.
Nach Überzeugung des Gerichts lag für den Kläger eine politische Zwangslage in Form einer latenten Gefährdung vor. Der Kläger hat in seiner Heimat an einer Demonstration teilgenommen und ist bei dieser Gelegenheit auch fotografiert worden. Das Gericht sieht die Gefahr, dass Demonstrationsteilnehmer, die festgenommen wurden, auch den Namen des Klägers preisgegeben haben könnten oder dass wegen des Untertauchens des Klägers dessen Demonstrationsteilnahme bekannt geworden sein könnte. In diesem Fall hätte der Kläger dann mit repressiven Maßnahmen in beachtlichem Umfang zu rechnen. Da sich Ausreise und Asylantragstellung im Ausland an die Demonstrationsteilnahme angeschlossen hat, ist es auch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger wegen seines damals jugendlichen Alters mit einer Verwarnung davonkommen würde. Wie sich anlässlich der großen Demonstrationen im Herbst 2007 nachdrücklich gezeigt hat, duldet das Militärregime in Myanmar keinerlei oppositionelle Betätigung und geht mit großer Härte gegen Andersdenkende vor (siehe im Einzelnen auch Länderbericht amnesty international vom 1.11.2007, VG Aachen vom 19.5.2008, 5 K 1633/06.A VG Karlsruhe vom 16.12.2008, A 11 K 1867/08 mit Nachweisen).
Dem Kläger steht auch wegen seiner Demonstrationsteilnahme in München am 8. Oktober 2007 vor dem burmesischen Generalkonsulat die Anerkennung als Asylberechtigter zu. Das Gericht geht davon aus, dass diese Demonstrationsteilnahme den burmesischen Behörden bekannt geworden ist. Zum einen ist aufgrund der engen politischen Beziehungen zwischen Myanmar und China die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Erkenntnisse, die chinesische Sicherheitsstellen gewinnen, auch dem myanmarischen Staat zugänglich gemacht werden. Zum anderen steht fest, dass die myanmarischen Behörden regimekritische Aktivitäten im Ausland überwachen und beobachten (siehe Auskunft Auswärtiges Amt an das Bundesamt vom 12.11.2006). Dass die Teilnahme an regimekritischen Kundgebungen im Ausland zu einer erheblichen Verfolgungsgefahr führen kann, ergibt sich aus der oben dargestellten repressiven Haltung des myanmarischen Staates (siehe auch Auswärtiges Amt a.a.O.). Der Sachvortrag des Klägers bezüglich der Demonstrationsteilnahme im Ausland ist auch nicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG präkludiert. Durch die Demonstrationsteilnahme in seiner Heimat hat der Kläger sich dort bereits politisch betätigt. Dass es sich dabei an sich nicht um einen gravierenden Beitrag handelte, spielt keine Rolle, da dem Kläger insoweit sein jugendliches Alter zugute zu halten ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).
Eine anderweitige Verfolgungssicherheit im Sinn des § 27 Abs. 1 AsylVfG ergab sich für den Kläger nicht. Der Aufenthalt des Klägers in Thailand war illegal. Offenbar war die Weiterreise von vornherein vom Schlepper geplant. Im Übrigen sind nach der Erkenntnislage myanmarische Staatsangehörige in Thailand nicht vor Abschiebung nach Myanmar sicher. Im Gegenteil sind Berichte bekannt, wonach zahlreiche Personen (ohne Rücksicht auf Verluste) über die Grenze bzw. über das Meer nach Myanmar zurückgedrängt werden (im Einzelnen siehe auch VG Aachen a.a.O. mit Nachweisen). [...]