VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 30.01.2009 - 7 K 739/08.A - asyl.net: M15562
https://www.asyl.net/rsdb/M15562
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung eines Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft aus Pakistan, der in Deutschland intensiv für seine Glaubensgemeinschaft geworben hat, wegen Gefahr eines Strafverfahrens sowie von Übergriffen durch extremistische Muslime.

Schlagwörter: Pakistan, Ahmadis, religiös motivierte Verfolgung, Religion, Missionierung, Strafverfahren, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, Khatm-e-Nabuwwat, Islamisten, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, exilpolitische Betätigung, inländische Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 9 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger ist den Bedrohungen gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt, vgl. §3 Abs. 1 AsylVfG.

Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind bzgl. des Klägers gegeben.

Der Kläger hat - anknüpfend an seine Ausführungen in der Anhörung vom 22. Februar 2007, Bl. 89 ff. der Beiakte Heft 3 - in der mündliche Verhandlungen glaubhaft zu seinen religiösen Aktivitäten in Deutschland vorgetragen; das Gericht hat dabei den Eindruck gewonnen, dass die öffentlichen Aktivitäten des Klägers und das Werben für die Religion der Ahmadis zur Essenz seiner Religionsausübung zählt. Diese Tätigkeiten knüpfen auch an entsprechende Tätigkeiten in Pakistan an, wobei diese freilich (aufgrund der dort herrschenden Umstände) bei weitem nicht an die hiesigen Aktivitäten heranreichten.

In diesem konkreten, individuellen Einzelfall würde in Pakistan das öffentliche Eintreten des Klägers für seine Religion, das durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 (1) b) QualfRL geschützt ist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu gravierenden Verfolgungshandlungen auch im Sinne von Art. 9 (1) a) QualfRL führen. Das ergibt sich bereits daraus, dass die hier in Rede stehende intensive Religionsbetätigung, zu der für den Kläger auch das Auftreten als Muslim zählt, in Pakistan strafgesetzlich untersagt ist (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Pakistan vom 22. Oktober 2008, II. 1.4 a).

Darüber hinaus würden durch ein derartiges Auftreten nach Einschätzung des Gerichts religiös-extremistische Muslime auf den Plan gerufen werden; der Kläger würde Gefahren für Leib oder Leben ausgesetzt sein, wobei er nicht mit einem ausreichenden Schutz durch staatliche Stellen rechnen könnte (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG). Insbesondere bei Auseinandersetzungen mit der islamistischen Gruppierung Khatm-e-Nabuwwat, die sich die Bekämpfung der Ahmadis auf die Fahnen geschrieben hat, werden Übergriffe von staatlichen Stellen in der Regel tatenlos hingenommen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Pakistan vom 22. Oktober 2008, II. 2).

Angesichts dieser besonderen Umstände würde sich für den Kläger auch keine inländische Fluchtalternative bieten. [...]