VG Osnabrück

Merkliste
Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 23.03.2009 - 5 A 17/09 - asyl.net: M15563
https://www.asyl.net/rsdb/M15563
Leitsatz:

Keine Gruppenverfolgung von Yeziden in Syrien.

Schlagwörter: Syrien, Kurden, Jesiden, Gruppenverfolgung, religiös motivierte Verfolgung, Religion, Verfolgungsdichte
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. [...]

Dem Kläger steht aber auch ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Syriens nicht zu. [...]

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur yezidischen Glaubensgemeinschaft oder zu der ethnischen Minderheit der Kurden in Syrien im Rückkehrfall einer Gruppenverfolgung ausgesetzt wäre. Insoweit hat sich die Kammer der ständigen Rechtsprechung des Nds. OVG (Urteil vom 27.03.2001 - 2 L 5117/97 -) angeschlossen. Nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil des OVG Sachsen-Anhalt vom 30.01.2008 - 3 L 75/06 - Juris m.w.N.) sind Yeziden in Syrien in keinem Landesteil mehr einer unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt. Es fehlt an einer hinreichenden Anzahl gesichert feststehender und verfolgungsrelevanter Übergriffe (Verfolgungsschläge) in Relation zur Gruppe der in Syrien lebenden Yeziden, mithin an einer hinreichenden Verfolgungsdichte. Auch unter qualitativen Gesichtspunkten ergibt sich nicht, dass jeder in Syrien lebende (oder zurückkehrende) Yezide in eine ausweglose Lage gerät, zumal der syrische Staat gegenüber Übergriffen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung schutzwillig und schutzfähig ist. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das vorbezeichnete Urteil des OVG Sachsen-Anhalt vom 30.01.2008 verwiesen.

Eine andere Beurteilung ist nicht im Hinblick auf die Auffassung des Klägers geboten, dass Yeziden im Heimatland Syrien ihren Glauben nicht in der gebotenen Form auch öffentlich ausüben könnten. Yeziden leben in Syrien teilweise in geschlossenen Siedlungsgebieten. Sie können ihren Glauben dort uneingeschränkt ausüben, auch soweit das öffentlich wahrnehmbar war, wie etwa bei Beerdigungen oder bei Zusammenkünften an großen Feiertagen. Ihre Nichtteilnahme am islamischen Leben - vorwiegend in Dorfgemeinschaften - ohnehin unbedeutend, weil von Muslimen in der Regel nicht wahrnehmbar. Auch die Vorgabe der Qualifikationsrichtlinie, die größtenteils in § 60 Abs. 1 AufenthG eingeflossen sind und im Übrigen ergänzend zu berücksichtigen ist, ändert nichts an der Einschätzung, dass Yeziden in Syrien in keinem Landesteil mehr einer unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Es fehlt nach wie vor sowohl an einer hinreichenden Verfolgungsdichte als auch an einer Zurechenbarkeit der vereinzelt stattfinden Übergriffe gegenüber dem syrischen Staat. Eine Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen nach Artikel 10 Abs. 1 b der Qualifikationsrichtlinie besteht nur, wenn eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte droht, wie sich aus dem Zusammenspiel von Artikel 9 mit Artikel 10 der Qualifikationsrichtlinie ergibt. Eine derartige schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte ist bezogen auf die geistige Betreuung unzweifelhaft zu verneinen, weil sich unter der noch relativ großen Gruppe von im Nordosten Syriens lebenden Yeziden (zwischen 4000 und 12000 Personen) in hinreichender Zahl Sheiks und Peshimame für die religiöse Betreuung befinden und notfalls auch im Afrin-Gebiet zur Verfügung stehen. Auch im Hinblick auf die nunmehr grundsätzlich geschützte öffentliche Glaubensbetätigung lässt sich insoweit keine hinreichende Anzahl solch schwerwiegender Eingriffe feststellen. [...]