VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 12.02.2009 - A 2 K 114/07 - asyl.net: M15573
https://www.asyl.net/rsdb/M15573
Leitsatz:

Die medizinische Versorgung von psychisch kranken Menschen in Pakistan ist dürftig und bedeutet für Betroffene eine enorme finanzielle Bürde.

Schlagwörter: Pakistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, multiple Erkrankungen, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und auf Feststellung, dass bei ihm in Bezug auf Pakistan diese Voraussetzungen vorliegen; der dem entgegenstehende Bescheid des Bundesamtes ist deshalb rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). [...]

Der Kläger ist, wie sich aus den vorgelegten zahlreichen ärztlichen Attesten und der Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Sachverständigen Dr. ..., eines Facharztes für Psychiatrie, der den Kläger seit Längerem ärztlich betreut, ergibt, ein sowohl psychisch als auch physisch multimorbider Mensch. Die Auswirkungen insbesondere seiner psychischen Erkrankungen haben dazu geführt, dass er mittlerweile stationär in einem Pflegeheim für psychisch erkrankte Menschen untergebracht ist. Der Kläger ist allenfalls eingeschränkt in der Lage, für sich selbst zu sorgen. [...] Der Sachverständige hat nachvollziehbar angegeben, dass die psychische Erkrankung des Klägers nicht heilbar ist und ihre Medikation durch die weiteren - physischen - Erkrankungen des Kläger erheblich erschwert wird. Nach all dem ist davon auszugehen, dass eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers oder gar dessen Tod bei einer Rückkehr nach Pakistan nur dann auszuschließen wäre, wenn auch dort dessen dauerhafte Versorgung durch versorgungsbereite und versorgungsfähige Personen sichergestellt wäre. Dies ist jedoch ausgehend von den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht der Fall. Die medizinische Versorgung in Pakistan dürfte zwar grundsätzlich ein beachtliches Niveau haben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, 22.10.2008, S. 27). Dies gilt jedoch nicht für die psychiatrische Behandlungen. Die psychiatrische Versorgung wird als dürftig bezeichnet; soweit sie erhältlich ist, bedeutet sie für den Betroffenen jedenfalls eine enorme finanzielle Bürde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Psychiatrische Versorgung in Lahore, 05.11.2008, S. 2 ff.). Nach Angaben der Vertrauensärztin der Deutschen Botschaft in Islamabad ist eine stationäre Langzeit-Unterbringung für Psychiatrie-Patienten in Pakistan nicht möglich (siehe Schreiben der Botschaft an das VG Gießen vom 28.02.2002 mit dem Schreiben der Ärztin als Anlage). Nur durch eine derartige Unterbringung, bei der zugleich eine Behandlungsmöglichkeit für die übrigen Erkrankungen des Klägers besteht, wäre aber nach Überzeugung des Gerichts gewährleistet, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht schon kurzfristig erheblich verschlechtern würde. Der Sachverständige, der ersichtlich bemüht war, eine zurückhaltende Prognose anzustellen, sprach sogar davon, dass der Kläger unter Umständen sogar nicht lange überleben würde. [...]