VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 18.02.2009 - 3 K 673/08.A - asyl.net: M15582
https://www.asyl.net/rsdb/M15582
Leitsatz:

Keine allgemeine extreme Gefahrenlage i.S.d. verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG wegen schlechter Versorgungslage in der D.R. Kongo.

Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Kinshasa, alleinstehende Frauen, alleinerziehende Frauen, Kinder, Kleinkinder, Krankheit, Allergie
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Schließlich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen. [...]

Allerdings erwachsen der Klägerin wie allen ihren Landsleuten, die in die D.R. Kongo zurückkehren, wegen der vom Auswärtigen Amt in seinen Lageberichten und Auskünften beschriebenen desolaten Lage der Wirtschaft und des Gesundheitswesens nicht zu übersehende Risiken für die Lebensführung (vgl. zuletzt Lageberichte vom 5. September 2006 und 1. Februar 2008).

Diese Gefahren gehören aber zu den allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, bei denen Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60 a AufenthG vorgesehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zur früheren Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe angehören, für welche aber ein Abschiebungsstopp nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AusIG - jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. [...]

Nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse lässt sich feststellen, dass die allgemein beschriebene katastrophale Versorgungslage in erster Linie die Rebellengebiete und insbesondere die östlichen Landesteile, nicht aber in gleicher Weise den Großraum Kinshasa betrifft. Die Kammer schließt sich daher der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an, dass ein abgeschobener Asylbewerber jedenfalls im Großraum Kinshasa nicht mangels jeglicher Lebensgrundlage in eine extreme Gefahrenlage gerät und dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2002 - 4 A 3113/95.A -; Sächs. OVG, Urteil vom 26. November 2003 - A 5 B 1022/02 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2003 - A 6 S 971/01 -; OVG Saarland, Beschluss vom 28. März 2003 - 3 Q 9, 10/02 -).

Dies gilt sogar für allein stehende Frauen und für Mütter mit minderjährigen Kindern (auch Kleinkindern) (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2002 - 4 A 3113/95.A -).

Die Klägerin würde nicht allein, sondern begleitet von ihrer Mutter in ihr Heimatland zurückkehren, wo diese - wie diese in ihrem eigenen Asylverfahren vorgetragen hat - über umfangreiche verwandtschaftliche Beziehungen verfügt, so dass sie im Falle einer Abschiebung nicht auf sich allein gestellt sein wird. Nach den Angaben ihrer Mutter im Rahmen der Anhörung in deren Verfahren beim Bundesamt leben Geschwister, Onkel und Tanten ihrer Mutter noch im Kongo. Im Hinblick darauf, dass das geltend gemachte Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft ist, geht die Kammer davon aus, dass es der Mutter der Klägerin ohne weiteres möglich sein wird, mit diesen Personen Kontakt aufzunehmen und dort nach einer Rückkehr unterzukommen. Die Allergieerkrankung der Klägerin rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung. Da die allergieauslösenden Stoffe bekannt sind, ist durch eine konsequente Vermeidung bei der Ernährung ein Allergieschub vermeidbar. Mit einer gravierenden und im Heimatland nicht behandelbaren Verschlimmerung der Krankheit mit gravierenden gesundheitlichen Folgen ist nicht zu rechnen. [...]