Eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung kann auch bestehen, wenn sich der Vater in Haft befindet.
[...]
Die Beschwerde ist begründet.
Der Antragsteller hat im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin vorbereitete Abschiebung einen Anordnungsgrund und ferner einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Anhörung des Antragstellers und seiner Verlobten als Zeugin ist nunmehr hinreichend geklärt, dass der Antragsteller der Vater eines im Bundesgebiet lebenden Kindes ist, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen ebenfalls deutsche Mutter er heiraten will. Die Vaterschaft des Antragstellers wurde von der Zeugin glaubwürdig bestätigt und vom Antragsteller mit Urkunde des Amtsgerichts München vom 11. November 2008, also schon vor der Geburt (§ 1594 Abs. 4 BGB), anerkannt. Zweifel an der Vaterschaft des Antragstellers bestehen für den Senat nicht und wurden von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nach der Beweisaufnahme auch nicht mehr geltend gemacht. [...] Deshalb besteht ein aus dem Elterngrundrecht abgeleitetes rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (z. B. BVerfG vom 30.1.2002 InfAuslR 2002, 171, vom 10.5.2008 InfAuslR 2008,347 und vom 1.12.2008 2 BvR 1830.08 Juris) das auch Ausländern zustehende Elterngrundrecht nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG näher erläutert und die folgenden Grundsätze herausgestellt. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem von Abschiebung bedrohten Ausländer und einem von ihm als Vater anerkannten deutschen Kind nur in der Bundesrepublik stattfinden, weil dem Kind das Verlassen des Bundesgebietes wegen dessen Beziehung zu seiner Mutter nicht zugemutet werden kann, so drängt die für den Staat aus Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG erwachsende Schutzpflicht regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück, auch wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen und Ausweisungsgründe gesetzt hat. Die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern ist im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung des Umgangsrechts – unabhängig vom Sorgerecht – Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist. Der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters wird nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich. Bei ausländerrechtlichen Maßnahmen sind nicht nur die Belange des Elternteils, sondern auch die des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG gebietet, auch auf die Sicht des Kindes abzustellen. Der persönliche Kontakt des Kindes zum (getrennt lebenden) Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter dient in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist.
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Vater-Sohn-Beziehung nicht schon deshalb der Grundrechtsschutz abgesprochen werden kann, weil der Antragsteller infolge seiner Haft sein Kind bisher nur gelegentlich sehen konnte. Eine solche schematische Einordnung und Qualifizierung der Beziehung, die lediglich darauf abstellt, dass das neugeborene Kind noch nicht mit seinem in Haft befindlichen Vater zusammenleben konnte, verbietet sich aus verfassungsrechtlichen Gründen. Selbst wenn vom Antragsteller während seiner Haft keine besonderen Betreuungsleistungen erwartet werden können und der ständige Umgang mit seinem Kind nicht möglich ist, steht diese Beziehung unter dem Schutz des Art. 6 GG. [...]
Dem Antragsteller kann aufgrund der familiären Bindungen im Bundesgebiet das Zusammenleben mit dem Kind und dessen Mutter in der Bundesrepublik auf Dauer nicht verwehrt werden. Die noch bestehenden rechtlichen Hindernisse für einen Familiennachzug des Antragstellers (Befristung der Wirkungen der Abschiebung zur Beseitigung der Sperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; Absehen von den negativen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – Ausweisungsgrund – und Abs. 2 Nr. 1 AufenthG – Visum – nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) können überwunden werden. [...] Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist zwar von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Das Verlassen des Bundesgebietes und die Trennung von seinem Kind ist dem Antragsteller aber gerade in der jetzigen Lebensphase des gerade erst zwei Monate alten Kindes nicht zuzumuten und widerspräche auch dem Kindeswohl. Die Bedeutung der elterlichen Fürsorge gerade für ein sehr kleines Kind wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorgehoben. Eine Abschiebung des Antragstellers kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn die Trennung nur eine kurze Zeit dauern würde. Zudem ist nicht absehbar, ob es sich hier um eine nur kurzfristige Trennung handeln würde. Denn die Trennung des Antragstellers von seinem Sohn und dessen Mutter könnte, wenn er jetzt das Bundesgebiet verlassen müsste, möglicherweise mehrere Wochen oder Monate andauern. [...]