VG Ansbach

Merkliste
Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 09.03.2009 - AN 3 K 09.30023 - asyl.net: M15606
https://www.asyl.net/rsdb/M15606
Leitsatz:

Eine Antragsfiktion gem. § 14 a Abs. 2 AsylVfG liegt nicht vor, wenn zumindest ein sorgeberchtigter Elternteil einen Aufenthaltsstatus besitzt, der stabiler ist als die in § 14 a Abs. 2 AsylVfG genannten.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Antragsfiktion, Asylantrag, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Eltern, Aufenthaltserlaubnis, isolierte Anfechtungsklage, Rechtsschutzbedürfnis
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2
Auszüge:

[...]

13. Die Klage ist zulässig und begründet. [...]

15. Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtungsklage gegen den angefochtenen Bescheid vor, da das Asylverfahren gerade nicht auf einem Antrag der Klägerin oder deren gesetzlicher Vertreter beruhte, sondern aufgrund der Fiktion des § 14 a Abs. 2 AsylVfG ohne Mitwirkung der Klägerin eingeleitet wurde. Gerade im vorliegenden Fall, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen der fiktiven Antragsstellung nach § 14 Abs. 2 AsylVfG streitig ist, besteht nach Auffassung des Gerichts ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche isolierte Anfechtungsklage, da der angefochtene Bescheid des Bundesamtes zumindest für den Fall, dass sich die Klägerin später einmal auf politische Verfolgung berufen und einen Asylantrag stellen möchte, eine Beschwer für die Klägerin enthält, da dieser spätere Asylantrag dann als Folgeantrag gewertet werden würde. Insofern ist auch die Möglichkeit gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG, auf die Durchführung des Asylverfahrens zu verzichten, keine ausreichende Möglichkeit, um diesen negativen Folgen zu entgehen, zumal hier sich die Klägerin gerade darauf beruft, dass das Asylverfahren überhaupt nicht hätte eingeleitet werden dürfen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16.8.2007, A 9 K 674/06).

16. Die Klage ist auch begründet. [...]

18. Nach Auffassung des Gerichts ist allerdings § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG so auszulegen, dass er jedenfalls dann nicht zur Einleitung eines fiktiven Asylverfahrens führen kann, wenn – wie hier im vorliegenden Verfahren in der Person des Vaters der Klägerin gegeben – der oder ein sorgeberechtigte(r) Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis oder ein sonstiges, nicht in § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genanntes Aufenthaltsrecht besitzt. Zwar könnte der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG „wenn ein Elternteil“ darauf hindeuten, dass es ausreicht, wenn nur ein Elternteil von § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG erfasst ist, auch wenn der andere Elternteil über ein dauerhaftes Bleiberecht verfügt. Eine derart ausschließlich am Wortlaut orientierte Auslegung würde aber nach Auffassung des Gerichts dem Gesetzeszweck, wie er aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich ist, nicht gerecht werden. § 14 a AsylVfG wurde eingeführt, um durch die Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr zu verhindern, dass durch so genannte Kettenasylanträge überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne dauerhafte Aufenthaltsperspektive für die Betroffenen entstehen (BT-Drucksache 15/420 S. 108). Im vorliegenden Verfahren besitzt aber der Vater der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis, so dass ein dauerhafter Aufenthalt in der Bundesrepublik schon zum Zeitpunkt des Erlasses des gegenständlichen Bescheides praktisch sicher stand. Inzwischen hat der Vater der Klägerin sogar die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Auch für die Mutter der Klägerin bestehen nach dem Schreiben der Ausländerbehörde an das Bundesamt wohl keine Hindernisse für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sobald ihre Eheschließung mit dem Vater der Klägerin durch Vorlage der noch fehlenden Unterlagen nachgewiesen wurde.

Es kann somit im vorliegenden Verfahren nicht davon ausgegangen werden, dass für den Vater der Klägerin und damit auch für die Klägerin selbst in Deutschland keine Aufenthaltsperspektive besteht, zumal gemäß § 33 Satz 2 AsylVfG mit der Geburt die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet besaß und diese von Amts wegen zu erteilen war. Die Kammer folgt dabei der Rechtssprechung der 12. Kammer des VG München (Urteil vom 20.9.2006, M 12 K 06.50762) sowie der 9. Kammer des VG Ansbach (Urteil vom 19.3.2008, AN 9 K 07.30763) auf jeden Fall insoweit, als ein fiktives Asylverfahren nach Anzeige der Geburt eines Kindes im Bundesgebiet dann nicht durchzuführen ist, wenn der allein sorgeberechtigte Elternteil oder, bei gemeinsamem Sorgerecht, einer der beiden sorgeberechtigten Eltern einen Aufenthaltsstatus besitzt, der stabiler ist als die in § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genannten. [...]