VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2009 - 13 S 2080/07 - asyl.net: M15607
https://www.asyl.net/rsdb/M15607
Leitsatz:

Zur notwendigen eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG gehört auch eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege; ob eine Altersversorge verlangt werden kann, ist abhängig vom Einzelfall, insbesondere vom Lebensalter; es ist nicht erforderlich, dass die Altersvorsorge in jedem Fall die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen bei Erreichen des Rentenalters ausschließt.

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Lebensunterhalt, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Altersvorsorge, Selbstständige Erwerbstätigkeit, Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Zukunftsprognose
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Die zulässige ­ insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig begründete ­ Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zur Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG. Sie erfüllt in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 5 C 8.05 -, DVBl 2006, 919, 920; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.02.2006 - 12 S 2430/05 - und vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70; BayVGH, Urteil vom 20.11.2006 - 5 BV 04.35 -, Rn 24 mwN) auch die im vorliegenden Fall einzig zwischen den Beteiligten im Streit stehende Voraussetzung der grundsätzlich notwendigen eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG. [...]

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Die als Gastwirtin selbstständig tätige Klägerin kann derzeit und voraussichtlich auch in überschaubarer Zukunft ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern. Sie deckt ihren Unterhaltsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln. Sie ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und entrichtet im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Beiträge für eine private Altersvorsorge. Mehr ist im vorliegenden Fall für die Annahme, dass die Einbürgerungsbewerberin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, nicht zu verlangen; insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit nicht versichert ist.

Was zum Lebensunterhalt gehört, der grundsätzlich selbst zu bestreiten ist, ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff das, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens in Deutschland nötig ist (so schon Makarov/v. Mangoldt, Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn 20). Dies lässt sich in Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in Bezug genommen Regelungen des Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch näher konkretisieren. Durch die Formulierung, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, wird zunächst festgelegt, dass ein Anspruch auf solche Leistungen grundsätzlich einbürgerungsschädlich ist. Darüber hinaus lässt der Verweis auf diese Sozialgesetzgebung auch darauf schließen, dass die auf dieser Grundlage erbrachten allgemeinen Leistungen typischer Weise zum Mindeststandard dessen gehören, was für den Lebensunterhalt gebraucht wird. Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs, die sich früher am notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG orientierte, der wiederum durch die Regelsätze nach § 22 BSHG konkretisiert wurde (vgl. Senatsurteil vom 23.07.1998 - 13 S 2212/96 -, juris Rn 28 ff. - zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG), richtet sich seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 an bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt neben einer angemessenen Unterkunft (vgl. insoweit § 22 SGB II) und den Mitteln, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (wie etwa Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat) erforderlich sind und die nach § 20 SGB II anhand der Höhe der Regelleistung, die derzeit 351 EUR für einen Alleinstehenden beträgt (Bekanntmachung vom 26.06.2008 über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ab 01.07.2008, BGBl. I S. 1102), bestimmt werden können, auch eine Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards der Bundesrepublik, mit dem dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Krankheit und Pflegebedürftigkeit unabhängig von den physischen und psychischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Lebensumstände jederzeit eintreten und mit hohen Kosten verbunden sein können, die der einzelne regelmäßig nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Die besondere Bedeutung der Kranken- und Pflegeversicherung ist etwa daraus ersichtlich, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II kraft Gesetzes krankenund pflegeversichert sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V); sie wird auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 lit. a SGB II zum Ausdruck gebracht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, was Kranken- und Pflegeversicherung einschließt (Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn 176), vom Einkommen abzusetzen. Für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, sieht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a SGB II vor, dass nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit vom Einkommen abzusetzen sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Gegen die Einbeziehung der Kranken- und Pflegevorsorge in den Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG lässt sich nicht einwenden, dass es im Staatsangehörigkeitsrecht ­- anders als in verschiedenen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ­- an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für diese Anforderung fehle, die Erweiterung um Vorsorge für Krankheit (und Pflege) im Ausländerrecht konstitutiv sei und eher dagegen spreche, dies allgemein als Teil der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn 218). Soweit im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich besondere Regelungen zum Lebensunterhalt und zur Kranken- und Pflegeversicherung mit unterschiedlicher Reichweite und Absehensmöglichkeiten getroffen worden sind (vgl. etwa § 2 Abs. 3 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG, § 29 Abs. 2 AufenthG und § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), knüpfen diese an spezifische ausländerrechtliche Situationen an und tragen dem differenzierten System unterschiedlicher Aufenthaltszwecke und -titel Rechnung. Schon aus diesem Grund können hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Frage hergeleitet werden, was zur Sicherung des Lebensunterhalts einer Person gehört, die zukünftig deutsche Staatsangehörige sein will. Allerdings ist anhand der Bestimmungen für die Niederlassungserlaubnis, wonach deren Erteilung in der Regel unter anderem voraussetzt, dass das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung oder einen gleichwertigen Versicherungsschutz abgesichert ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG), durchaus erkennbar, dass die Anforderungen an die soziale Absicherung um so höher sind, je verfestigter der Aufenthalt des Ausländers auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes ist. Das Erfordernis einer Kranken- und Pflegeversicherung führt auch nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10 StAG in unzumutbarer Weise angehoben würden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin regelmäßig entsprechend versichert. Kann im Übrigen ein eigener Versicherungsschutz des Einbürgerungsbewerbers nicht begründet werden, weil ihm ohnehin Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden oder er für die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung ergänzend solche Leistungen in Anspruch nehmen muss, ist dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unschädlich, wenn der Bezug nicht zu vertreten ist.

Ob und inwieweit auch eine Altersvorsorge Teil des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist, kann in Anbetracht der denkbaren vielfältigen Fallgestaltungen nicht generell festgelegt werden. Jedenfalls kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangt werden als das, was bei einem deutschen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lebenslage und Erwerbssituation üblich und zumutbar ist. Bei jungen Einbürgerungsbewerbern, die sich noch in Schule, Ausbildung oder Studium befinden, ist eine Altersvorsorge nicht Teil des Lebensunterhalts. Eine Altersvorsorge ist nämlich in diesem Lebensstadium grundsätzlich noch nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang angelegt, weil sich das Rentenalter und damit auch der Eintritt des Rentenfalls noch in weiter Ferne befinden. Anders stellt sich die Situation bei einem Einbürgerungsbewerber in fortgeschrittenem Alter dar, bei dem der Rentenfall alsbald bevor steht, weil das allgemeine Rentenalter demnächst erreicht wird oder besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. In diesem Fall wird regelmäßig der Frage nachzugehen sein, ob der Lebensunterhalt mit Mitteln aus der Altersvorsorge bestritten werden kann. Soweit sich der erwerbsfähige Einbürgerungsbewerber in einer Lebensphase befindet, die zwischen den beiden vorgenannten Konstellationen liegt, gehört zwar das Vorhandensein einer Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei einer anderen vergleichbaren Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens regelmäßig zum Lebensunterhalt. Allerdings muss zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die bei ungestörtem Versicherungsverlauf zu erwartenden Leistungen voraussichtlich tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt im Alter dauerhaft zu sichern.

Der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration. Die Bedeutung der obligatorischen oder fakultativen Altersvorsorge spiegelt sich im Übrigen auch in den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 lit. b und 4 SGB II wider, wonach vom Einkommen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung ­ hierzu gehören auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ­ oder eine nach Grund und Höhe angemessene private Altersvorsorge sowie besonders geförderte Altersvorsorgebeiträge abzusetzen sind (vgl. näher Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn. 176, 206, 214, 242 ff.).

Der von dem Beklagten vertretenen Ansicht, es müsste mindestens eine solche Altersvorsorge zur Verfügung stehen, dass bei Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme von Grundsicherung nicht zu erwarten sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Vor allem Einbürgerungsbewerber, die ­ wie die damals 32 Jahre alte Klägerin ­ erst als Erwachsene in das Bundesgebiet gekommen und in Berufen mit niedrigen Löhnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, haben selbst bei einer regelmäßigen Erwerbsbiographie, die sie in die Lage versetzt, ihre aktuellen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, regelmäßig kaum Aussicht, eine Altersrente zu erwirtschaften, die sie auf jeden Fall von steuerfinanzierten Sozialleistungen im Alter unabhängig macht. Denn nach der an das Brutto-Einkommen anknüpfenden paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierten Rentenvorsorge hängt die spätere Rente maßgeblich von der Anzahl der Beitragsjahre und dem während des Erwerbslebens jährlich erzielten Einkommen ab; so wird beispielsweise bei einem Brutto-Jahresgehalt von 24.000 EUR pro Jahr eine monatliche Rentenanwartschaft von 20,64 EUR erwirtschaftet (näher die auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de zugängliche Informationsbroschüre Rente: So wird sie berechnet ­- alte Bundesländer ­-, S. 8). Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt, so ist der Berufstätige darüber hinaus der Erschwernis ausgesetzt, dass er seine Altersvorsorge im Regelfall ausschließlich aus eigenen Einkünften bestreiten muss. Die Erzielung eines höheren Einkommens -­ und damit die Aussicht, auch im Alter über die entsprechenden Mittel zu verfügen - erfordert regelmäßig eine nach Art und Umfang qualifizierte Erwerbstätigkeit. Der Anspruch auf Einbürgerung setzt jedoch weder direkt noch indirekt eine bestimmte berufliche Qualifikation oder quantitative Arbeitsleistung voraus. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag die vorliegende Altersvorsorge ­ selbst bei regelmäßiger Weiterentwicklung ­ darauf hindeutet, dass ein späterer (ergänzender) Bezug von Sozialleistungen, insbesondere von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII, nicht ausgeschlossen werden kann, ist dies hinzunehmen. Dem steht der Einwand, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Einbürgerung in die Sozialsysteme erfolge (vgl. Makarov/v. Mangoldt, aaO, Rn 20), nicht entgegen. Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung setzt einen mindestens acht Jahre langen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in typischer Weise eine hinreichende Eingliederung in die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik unter Beachtung der hiesigen kulturellen und politischen Wertvorstellungen erfolgt ist und am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses auch im öffentlichen Interesse die Einbürgerung stehen sollte (vgl. hierzu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27.01.1990, BT-Drs. 11/6321, S. 47; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54;). Den fiskalischen Interessen des Staates kommt dem gegenüber insoweit ein geringeres Gewicht zu (HessVGH, Urteil vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -; OVG NRW, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -,Rn 42 mwN; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht ­ Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz Anm. 12). Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass der Gesetzgeber bei der Anspruchseinbürgerung den Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen für unschädlich erachtet, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat. Im Übrigen ist selbst in den Fällen, in denen der derzeitige Versicherungsverlauf darauf hindeutet, dass eine ausreichende Versorgung im Alter vorliegen wird, dies aufgrund der vielfältigen und alltäglichen Risiken des Lebens nicht garantiert. Ebenso kann umgekehrt bei einer derzeit defizitär erscheinenden Altersvorsorge durch spätere positive Vermögensentwicklungen ein den Bedarf im Alter sicherndes Einkommen noch erreicht werden. Je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, um so mehr sind Aussagen über eine zureichende Altersvorsorge prognoseimmanenten Grenzen ausgesetzt, die nicht zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers gehen können. Dem lässt sich auch nicht entgegnen, dass die Anforderungen an die Alterssicherung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis damit im Einzelfall höher sein können als die für eine Einbürgerung. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt zwar voraus, dass der eine Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist. Aber auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis muss nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einem anderen Versicherungs- bzw. Versorgungssystem tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber geht zwar im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG davon aus, dass auch nach Leistung von mindestens 60 Monatsbeiträgen weitere Beitragszahlungen erfolgen, macht dies aber nicht zum Prüfprogramm und damit zur Anspruchsvoraussetzung (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 9c Rn 16 i. V. m. § 2 Rn 42.1).

Ob über die Altersvorsorge hinaus auch eine Versicherung gegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegen muss, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst auch unter Berücksichtigung dessen, was bei deutschen Staatsangehörigen üblich ist, nicht die Absicherung aller erdenklichen Lebensrisiken. Die Klägerin, die nicht über die gesetzliche Rentenversicherung gegen Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit versichert ist, könnte allenfalls dann gehalten sein, dieses Risiko durch eine private Versicherung abzudecken, wenn ein besonderes, aus der konkreten Erwerbstätigkeit erwachsendes Risiko ersichtlich wird, dessen Absicherung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls vernünftiger Weise geboten ist. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit als Gastronomin bietet hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.

Gemessen an den genannten Grundsätzen ist die Klägerin derzeit und voraussichtlich auch zukünftig imstande, selbst ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. [...]

Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gesichert ist, ist jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen ist, sondern es ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (Senatsbeschluss vom 10.02.2009 - 13 S 3074/08 - und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 -; Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 230 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15.07.2003 - 5 A 89/03 -, juris; zur vergleichbaren Situation im Ausländerrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.10.1983 - 1 B 115/83 -, NVwZ 1984, 381; Beschluss des Senats vom 03.03.2008 - 13 S 2524/07 -). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. An die prognostische Beurteilung auch zukünftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit sind allerdings sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch bei der Prognosesicherheit keine überspannte Anforderungen zu stellen. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird. Allein die allgemeinen Risiken des Arbeitsmarktes oder das relativ höhere Arbeitsmarktrisiko von Ausländern stehen einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 232).

Gemessen an diesen Anforderungen wird die Klägerin voraussichtlich auch zukünftig ihren Lebensunterhalt einschließlich der Vorsorge für Krankheit, Pflege und Alter eigenständig bestreiten. [...]