OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.04.2009 - 20 W 129/09 - asyl.net: M15642
https://www.asyl.net/rsdb/M15642
Leitsatz:

Bei der Beurteilung, ob ein Fall des § 14 Abs. 3 AsylVfG vorliegt, so dass ausnahmsweise die Asylantragstellung die Fortsetzung der Zurückschiebungs- oder Abschiebungshaft nicht hindert, ist auf die Haftgründe abzustellen, die das Amtsgericht in der Haftanordnung festgestellt hat.

Schlagwörter: Zurückschiebungshaft, Asylantrag, Asylantragstellung, Haftgrund, Beurteilungszeitpunkt, Amtsgericht, Landgericht, sofortige Beschwerde, illegale Einreise, Entziehungsabsicht, Haftbefehl
Normen: AufenthG § 57 Abs. 3; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4; AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5; AsylVfG § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FEVG § 8 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, der sich seit dem 04.03.2009 in Zurückschiebungshaft befindet, ist zulässig - insbesondere form- und fristgerecht erhoben - und hat auch in der Sache Erfolg. [...]

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde bestätigte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 07.04.2009 (Bl. 51 ff. d.A.) und stellte fest, dass sowohl der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sowie der Haftgrund des § 62 Abs. 1 Nr. 5 jeweils in Verbindung mit § 57 Abs. 3 AufenthG vorlägen. Aus diesem Grund stehe auch die förmliche Asylantragsstellung des Betroffenen beim Bundesamt für Immigration und Flüchtlinge der Anordnung von Sicherungshaft nicht entgegen. [...]

Der Senat kann dem im Ergebnis nicht folgen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die förmliche Asylantragstellung des in Haft befindlichen Betroffenen der Anordnung bzw. Aufrechterhaltung von Haft nicht entgegenstehe (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG). Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn einer der in § 14 Abs. 3 AsylVfG abschließend aufgeführten Ausnahmefälle vorliegt. Zum Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung, die nach den Feststellungen des Landgerichts beim BAMF erfolgte, lag ein in 14. Abs. 3 AsylVfG genannter Fall nicht vor. Auch sind dem Beschluss des Amtsgerichts keine Anhaltspunkte oder Feststellungen zu entnehmen, die einen Sachverhalt ergeben, der den Verdacht begründen konnte, der Betroffene werde sich ohne Haft der Zurückschiebung entziehen. Es ist daher davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung am 04.03.2009 die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 AsylVfG nicht vorlagen.

Nicht entscheidend kann dabei sein, dass nach Auffassung des Landgerichts bereits zum Zeitpunkt der Haftanordnung durch das Amtsgericht der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gegeben gewesen sei. Im Hinblick auf einen zwischenzeitlich eingegangenen förmlichen Asylantrag beim Bundesamt kann nicht nachträglich fingiert werden, der Betroffene habe sich in Sicherungshaft nach § 62 Abs..2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG befunden (vgl. OLG München 34 Wx 65108 =, OLGR München 2009, 24 - 25). Es ist zwar zutreffend, wenn das Landgericht ausführt, dass das Beschwerdegericht vollständig an die Stelle der ersten Instanz trete und die Richtigkeit der Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von Amts wegen zu überprüfen habe, gleichwohl kann es für die Frage, ob einer Haftanordnung bzw. Haftfortdauer eine förmliche Asylantragstellung entgegenstehe, nicht auf die spätere Entscheidung der Beschwerdekammer ankommen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass für den Vollzug der Abschiebungshaft nicht die anordnenden Gerichte, sondern vielmehr die antragstellenden Behörden zuständig sind (§ 8 Abs. 1 Satz 3 FEVG). Ihnen obliegt es daher auch zu überprüfen, ob der von den Gerichten erlassene Beschluss weiter vollstreckt werden darf oder ob der Vollstreckung etwas entgegensteht. Im Falle einer förmlichen Asylantragstellung einer Person, die aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, obliegt daher der antragstellenden Behörde auch die Prüfung der Frage, ob ein gestellter förmlicher Asylantrag zur Entlassung. des Betroffenen aus der Haft führen muss. Diese Prüfung kann die Behörde nur anhand des haftanordnenden Beschlusses vornehmen, der ihr zum Zeitpunkt der Prüfungsnotwendigkeit vorliegt. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht die Entscheidung des Landgerichts, sondern vielmehr die Entscheidung des Amtsgerichts, aus der sich lediglich der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, d.h. der Haftgrund wegen illegaler Einreise ergab, der aber nach förmlicher Asylantragstellung ein weiteres Festhalten nur dann gerechtfertigt hätte, wenn der Betroffene sich bereits mehr als einen Monat im Bundesgebiet illegal aufgehalten hätte. [...]