Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Afghanistan wegen schwerer depressiver Episode und posttraumatischer Belastungsstörung.
[...]
Die zulässige Klage ist begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig, soweit er dem entgegen steht, d.h. soweit die Abänderung des Erstbescheides bezüglich der Feststellung zu der Vorgängervorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, den § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, abgelehnt wird, und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegenden der Voraussetzung eines Abschiebungsverbotes nach § 60. Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil sich die Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz geändert hat. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass erst im Jahr 2007 sich die Symptome der vom Kläger geltend gemachten psychischen Erkrankungen einstellten. [...]
Zunächst geht das Gericht davon aus, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort nicht auf einen funktionierenden Familien- oder Stammesverband zurückgreifen können. [...]
Im Hinblick auf die Rückkehrsituation des Kläger ist zu berücksichtigen, dass er - was nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der vorgelegten fachärztlichen Gutachten feststeht - mindestens an einer schweren depressive Episode mit quälenden Gefühlen der eigenen Wertlosigkeit, Schuld, dabei Tendenzen zu Suizidgedanken und -handlungen (ICD-10 F32.2 G) und einer posttraumatische Belastungsstörung mit Flashbacks und Alpträumen bei schwerer emotionaler Gestörtheit (ICD-10 F32.1 G) leidet, die zur Zeit fachärztlich behandelt werden.
Unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Großraum Kabul - allein diese Gegend kommt für eine Rückführung in Betracht - insbesondere im Hinblick auf die Wohnraumsituation und die sonstige Grundversorgung (z.B. mit Nahrungs- und Heizmitteln) ist bei dieser speziellen Konstellation von erschwerenden Umständen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des OVG NRW auszugehen, die eine Ausnahme von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebieten. Das Gericht geht davon aus, dass in diesem speziellen Einzelfall es bei Berücksichtigung der Erkrankung in ihrer Gesamtschau unter Gesundheitsaspekten nicht vorstellbar ist, dass für den Kläger Medikamente und/oder Behandlungsmöglichkeiten, auch soweit in dem unzureichend ausgestatteten Gesundheitssystems Kabuls noch verfügbar, überhaupt erreichbar sein könnten. Aufgrund seiner Erkrankungen ist ebenso wenig vorstellbar, dass der Kläger auf die Angebote von Hilfsorganisationen - zumal in der gebotenen Regelmäßigkeit und auch in jederzeit denkbaren Notfällen - zurückgreifen, diese auch nur erreichen könnte. Daher ist eine extreme Gefahr der - Leib wie Leben bedrohenden - Verschlimmerung seiner Erkrankung in seinem speziellen Einzelfall anzunehmen, weil die notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die Erkrankung des Klägers in Afghanistan wegen des geringeren Versorgungsstandards dort generell nicht verfügbar sind oder weil der Kläger die unabdingbare medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Darüber hinaus muss angesichts der vorstehenden Ausführungen angenommen werden, dass der Kläger in seinem speziellen Einzelfall wegen der Erkrankungen nicht selbst nicht in der Lage sein wird, zumindest ein Existenzminimum zu sichern, zumal auch eine Unterstützung durch in Afghanistan verbliebene Angehörige, wie oben dargestellt, nicht erwartet werden kann.
Angesichts der geschilderten Umstände lässt sich deswegen im vorliegenden Einzelfall auf eine extreme Gefährdungslage schließen, die in Anbetracht der verfassungsmäßigen Werteordnung des Grundgesetzes eine Abschiebung des Klägers nach Afghanistan derzeit verbietet. Denn bei einer Rückkehr hat der Kläger jedenfalls schwerste existenzielle Bedrohungen zu befürchten. [...]