Das Verschweigen einer beabsichtigten Eheschließung gegenüber der deutschen Auslandsvertretung bei Beantragung eines Schengen-Visums verwirklicht einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG.
Das Verschweigen einer beabsichtigten Eheschließung gegenüber der deutschen Auslandsvertretung bei Beantragung eines Schengen-Visums verwirklicht einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig erhobene (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, die den Prüfungsumfang begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt nicht, dass die von der Antragstellerin angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist. [...]
Nach Auffassung des Senats überwiegt im Fall der Antragstellerin derzeit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Verfügung ihr Suspensivinteresse, weil ihr Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg hat.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt, da die Antragstellerin einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG verwirklicht hat, weil sie gegenüber der deutschen Auslandsvertretung ihre - auch nach ihrem Vortrag - von Anfang an bestehende Eheschließungsabsicht verschwiegen hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verwirklicht das Verschweigen der beabsichtigten Eheschließung einen Ausweisungsgrund. Es fehlt nicht etwa deshalb an der erforderlichen Kausalität, weil ein Schengen-Visum grundsätzlich auch zum Zweck der Eheschließung erteilt werden kann. Alle Angaben, die den Zweck und die geplante Dauer eines Aufenthalts betreffen, gehören vielmehr zu den maßgeblichen Angaben bei der Visumserteilung, die wahrheitsgemäß erfolgen müssen (vgl. Bäuerle in GK-AufenthG, § 5 Rn. 157). Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c SGK muss der Drittstaatsangehörige, der ein Schengen-Visum erteilt bekommen möchte, u.a. Zweck und Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen. Da bei Erteilung eines Schengen-Visums zudem ein weites Ermessen der Behörde besteht, haben die Fragen, ob ein Ausländer die Gewähr dafür bietet, zu dem angegebenen Zweck einreisen zu wollen, und bereit ist, mit Ablauf der Geltungsdauer freiwillig auszureisen, aber jedenfalls für die Ermessensausübung der Behörde eine hohe Bedeutung (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 6 Rn. 15). Dass eine bestehende Eheschließungsabsicht einen hohen Einfluss auf die Rückkehrbereitschaft hat und sich diese gegebenenfalls anders beurteilt als im Falle eines von vornherein nur kurzfristig angelegten Besuchs einer Freundin, den die Antragstellerin hier als Aufenthaltszweck gegenüber der Auslandsvertretung angegeben hat, und deshalb nicht ohne Einfluss auf die Ermessenbetätigung ist, liegt auf der Hand. [...]
Liegt wie hier ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG vor, ist die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt und damit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels i. S. des § 39 Nr. 3 AufenthV gegeben. Zwar kann nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von dieser Erteilungsvoraussetzung nach Ermessen abgesehen werden. Auch kann dieses Ermessen - wie das vom Verwaltungsgericht angenommene Ermessen in einem Ausnahmefall i.S.v. § 5 Abs. 1, 1. Hs. AufenthG - kraft höherrangigen Rechts, insbesondere aufgrund aufenthaltsrechtlicher Schutzwirkungen nach Art. 6 Abs. 1 GG, zugunsten des nachziehenden Familienangehörigen "auf Null" reduziert sein, so dass im Ergebnis doch ein Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels besteht. Ob dies für die Befreiung von der Visumpflicht nach § 39 Nr. 3 AufenthV genügt oder diese Vorschrift einen strikten gesetzlichen Rechtsanspruch fordert, ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt (vgl. zu § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris; s. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.3.2006 - 11 S 1797/05 - VBlBW 2006, 357). Dies bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn das hier aller Voraussicht nach gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG oder - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - nach § 5 Abs. 1, 1. Hs. AufenthG eröffnete Ermessen dürfte auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe der Antragstellerin nach Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls solange nicht zu ihren Gunsten "auf Null" reduziert sein, als sie das für die Familienzusammenführung erforderliche Visumverfahren nicht nachgeholt hat (grundlegend hierzu und zum folgenden: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.8.2008 - 11 S 1559/08 -). Das folgt aus dem spezifischen spezial- und generalpräventiven Zweck des Ausweisungsgrundes nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG. Dieser zielt, soweit es um Angaben des Ausländers im Visumverfahren geht, gerade - auch - darauf, Beeinträchtigungen der Zuwanderungskontrolle durch falsche oder unvollständige Angaben des Ausländers bei deutschen Auslandsvertretungen abzuwehren, insbesondere soweit es um die Absicht eines längerfristigen Zuzugs nach Deutschland und die damit einhergehende nationale Visumpflicht (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) sowie die insoweit gegebenenfalls erforderliche Beteiligung der zuständigen inländischen Ausländerbehörde (vgl. § 31 AufenthV) geht. Das Nichtabsehen von diesem Ausweisungsgrund vor der gebotenen Nachholung des erforderlichen Visumverfahrens dürfte demzufolge grundsätzlich mit dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG ebenso vereinbar sein wie die Visumpflicht selbst (vgl. dazu BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 4.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - juris). Anderes gälte für die Ermessensentscheidung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG allenfalls dann, wenn die Nachholung des Visumverfahrens i.S. des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar wäre. Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Allein der durch die vorübergehende Rückreise in ihre Heimat entstehende zeitliche und finanzielle Aufwand sowie die vorübergehende Trennung von ihrem Ehemann sind nicht von solchem Gewicht, dass Art. 6 Abs. 1 GG bereits jetzt zu einem Absehen vom Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG zwingt. Erst wenn die Antragstellerin das Visumverfahren nachgeholt haben wird, dürfte das Ermessen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wohl auf Grund höherrangigen Rechts nach Art. 6 Abs. 1 GG zu ihren Gunsten "auf Null" reduziert sein, soweit nicht zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten sollten. [...]