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SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Beschluss vom 19.05.2009 - S 22 AL 1330/09 ER - asyl.net: M15656
https://www.asyl.net/rsdb/M15656
Leitsatz:

Der Anspruch von Unionsbürgern auf eine Arbeitsberechtigung gem. § 12 a Abs. 1 ArGV setzt keine Arbeitsmarktprüfung gem. § 39 Abs. 2 AufenthG voraus; einen Anspruch gem. § 12 a Abs. 1 ArGV kann auch ein Unionsbürger erwerben, der aufgrund einer studentischen Nebentätigkeit seit zwölf Monaten dem Arbeitsmarkt angehört.

Schlagwörter: D (A), Erwerbstätigkeit, Unionsbürger, Beitrittsstaaten, Arbeitserlaubnis-EU, Arbeitsberechtigung, Polen, Arbeitsmarktprüfung, Studium, Studenten, Arbeitnehmerbegriff, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: SGG § 86b Abs. 2; SGB III § 284 Abs. 2; SGB III § 284 Abs. 3; ArGV § 12a Abs. 1; AufenthG § 39 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. [...]

Vorliegend bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Die Versagungsentscheidung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 2. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2009 ist rechtswidrig, der Antragsteller hat Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU für die Tätigkeit als Pflegeassistent beim Ambulante Dienste e.V., vorläufig befristet bis zum Abschluss der Hauptsache.

Nach § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dürfen Staatsangehörige u.a. der Republik Polen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.

§ 284 Abs. 2 und 3 SGB III regelt, dass die Genehmigung befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt wird, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht, die Genehmigung vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen ist und die Arbeitserlaubnis-EU nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt werden kann.

Nach § 12 a Abs. 1 der - entsprechend der Ermächtigung in § 288 SGB III ergangenen - Anordnung Verordnung über die Arbeitsgenehmigung; für ausländische Arbeitnehmer (ArGV) haben Staatsangehörige u.a. der Republik Polen, sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, abweichend von § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung.

Die Erteilung der Arbeitsberechtigung; ist vorliegend nach § 12 a Abs. 1 ARGV nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des AufenthG vorliegen, insbesondere, ob sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben und ob für die Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 a und b AufenthG).

Der Antragsteller hat nach mehr als zwölfmonatiger Beschäftigung beim Ambulante Dienste e.V. Anspruch eine Arbeitsberechtigung. Zwar war der Antragsteller seit seiner Einreise in die Bundesrepublik zu Studienzwecken nur in studentischer Nebentätigkeit beschäftigt und als solcher zum Arbeitsmarkt zuzulassen. Auch durch die Beschäftigung neben dem Studium hat der Antragsteller den europarechtlichen Arbeitnehmerstatus erworben, der ihm weiterhin den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt und ein daraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht ermöglicht.

Hierbei ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008, Az. C-294/06, Fundstelle juris) im Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen Payir u.a. zu beachten. [...]

Der Antragsteller war als, Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt zugelassen i.S.v. § 12 a Abs. L ArGV. [...]

Die Studenteneigenschaft nimmt ihm entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht die Arbeitnehmereigenschaft (vergl. EuGH wie vor). Der etwaige soziale Zweck des Studenten eingeräumten Rechts zu arbeiten ist kein Hindernis für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats, auch ist § 12a ArGV nicht dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bereits als solcher eingereist sein muss. Nach der Entscheidung des EuGH folgt auch nicht aus der Richtlinie 2004/114, dass Studenten, auch wenn sie eine bestimmte Zahl von Stunden arbeiten, nicht als Arbeitnehmer anzusehen seien und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats erlangen können sollen. Denn aufgrund ihres Art. 4 Abs. 1 a findet diese Richtlinie nur vorbehaltlich günstigerer Bestimmungen in bi- oder multilateralen Übereinkünften zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren Drittstaaten andererseits Anwendung.

Die sonstigen von der Antragsgegnerin dargelegten Einwände gegen die Eiteilung der Erlaubnis rechtfertigen deren Ablehnung nicht. Der Arbeitgeber hat am heutigen Tage gegenüber dem Gericht auch schriftlich bestätigt, den Antragsteller weiterhin einstellen zu wollen. Das Gericht bejaht insoweit auch den besonderen Eilbedarf, denn dem Arbeitgeber ist nicht zuzumuten, die zu besetzende Stelle bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache freizuhalten. Für den Antragsteller droht insoweit ein unwiederbringlicher Rechtsverlust, als die Stelle u.U. durch einen anderen Bewerber besetzt werden könnte. [...]