VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 24.04.2009 - 2 K 718/08 - asyl.net: M15677
https://www.asyl.net/rsdb/M15677
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, nichtstaatliche Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, Sippenhaft, Verfolgungsgrund, Kollaborateure, Al Kaida, Al Mahdi Armee, Bedrohung, Verfolgungsgrund, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Anerkennungsrichtlinie, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, willkürliche Gewalt, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Sicherheitslage, Terrorismus, allgemeine Gefahr, extreme Gefahr, Versorgungslage
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage hat insgesamt keinen Erfolg. [...]

Von diesen Maßstäben ausgehend kann die Klägerin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen.

Die Klägerin hat weder glaubhaft machen können, dass sie ihr Heimatland aus Furcht vor erlittener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, noch dass sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit als politisch zu qualifizierenden Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss.

Eine Verfolgung der Klägerin durch den irakischen Staat steht vorliegend nicht in Rede. Nach eigenen Angaben hatte die Klägerin keine Schwierigkeiten mit staatlichen Sicherheitsorganen. Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine von nichtstaatlichen Akteuren gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG ausgehende Verfolgung der Klägerin. Zur Begründung wird vorab gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG vollinhaltlich auf den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2008 Bezug genommen. Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die Klägerin vor Verlassen ihres Heimatlandes wegen der angeblichen Zusammenarbeit ihrer Brüder mit den Amerikanern politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen wäre oder solche bei einer Rückkehr befürchten müsste. Soweit die Klägerin ihr Verfolgungsschicksal bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt damit begründet hat, dass ihre Familie von Al Kaida und der Al Mahdi Armee bedroht worden sei, und hierzu in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt hat, dass etwa eineinhalb Jahre vor ihrer Ausreise aus dem Irak ein Sprengsatz in der Nähe ihrer Haustür angebracht worden sei und zudem vermummte Personen in ihr Haus im Bagdader Stadtteil ... eingebrochen seien, vermag dies die Annahme einer politischen Verfolgung schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil nicht feststellbar ist, inwieweit gerade die Klägerin selbst dadurch gezielt in einem asylerheblichen Persönlichkeitsmerkmal getroffen werden sollte. Der pauschale Hinweis, auch Familienangehörige von Personen, die mit den Amerikanern zusammenarbeiteten, seien in erheblichem Maße gefährdet, reicht hierfür nicht aus. Ausreichende Anhaltspunkte für die tatsächlichen Motive der angeblichen Täter sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Dass Grund für die von der Klägerin behauptete Bedrohung, insbesondere auch für den von ihr geschilderten Anschlagsversuch sowie den anschließenden Einbruch in das Haus ihrer Familie die Zusammenarbeit ihrer Brüder mit den Amerikanern gewesen sein soll, ist eine bloße Vermutung der Klägerin. Gleiches gilt für die angebliche Urheberschaft der behaupteten Übergriffe. Davon abgesehen setzte die Annahme einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG voraus, dass der Staat bzw. gebietsmächtige Organisationen einschließlich internationaler Organisationen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Diesbezüglich muss vorliegend aber Berücksichtigung finden, dass die Sicherheit der Klägerin ebenso wie die ihrer Familie nach dem erfolgten Umzug auf die amerikanische Basis in der Nähe des Bagdader Flughafens offensichtlich gewährleistet war. Gegen eine begründete Verfolgungsfurcht der Klägerin spricht letztlich auch mit Gewicht, dass sie den Irak erst nach der mit ihrem in Deutschland als Flüchtling anerkannten Ehemann im Wege der Ferntrauung im Jahre 2007 geschlossenen Ehe verlassen hat, die von ihr behaupteten Übergriffe mithin ersichtlich nicht ursächlich für ihre Ausreise aus ihrem Heimatland waren. [...]

Die Klägerin kann ferner nicht die hilfsweise geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass einer Abschiebung in den Irak ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG entgegensteht, beanspruchen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 -, InfAuslR 2008, 474, wonach die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständig, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bilden. [...]

Ebenso wenig steht der Abschiebung der Klägerin in den Irak ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. [...]