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VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 27.02.2009 - 7 A 2117/08.Z - asyl.net: M15697
https://www.asyl.net/rsdb/M15697
Leitsatz:

In Verfahren, die durch das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet (HeimatlAuslG) nicht abschließend geregelt sind, kann das allgemeine Ausländerrecht ergänzend Anwendung finden.

Da heimatlose Ausländer gemäß § 12 HeimatlAuslG keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen, kann ihnen entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 2 AufenthV ein Reiseausweis mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu zehn Jahren ausgestellt werden.

 

Schlagwörter: D (A), heimatlose Ausländer, Heimatlose, Reiseausweis für Ausländer, Aufenthaltsgesetz, Genfer Flüchtlingskonvention, Anwendbarkeit
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; AufenthV § 8 Abs. 1; HeimatlAuslG § 12; GFK Art. 28; HeimatlAuslG § 2; GFK Art. 7 Abs. 1; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Auszüge:

In Verfahren, die durch das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet (HeimatlAuslG) nicht abschließend geregelt sind, kann das allgemeine Ausländerrecht ergänzend Anwendung finden.

Da heimatlose Ausländer gemäß § 12 HeimatlAuslG keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen, kann ihnen entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 2 AufenthV ein Reiseausweis mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu zehn Jahren ausgestellt werden.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Der gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil bleibt ohne Erfolg, denn die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten Gründe rechtfertigen keine Zulassung der Berufung.

1. Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht und dies unter Hinweis auf Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention - GK - (vom 28.07.1951, BGBl. 1953 II, Seite 559) i.V.m. § 5 des Anhangs hierzu im Wesentlichen damit begründet, dass sie sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 17. November 1980 (- 18 A 326/80 - InfAuslR 1981, 110, mit Anmerkung Müller) zu eigen mache, so kann sie damit nicht die Zulassung der Berufung erreichen. [...]

Diese Einwände der Beklagten begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger als heimatloser Ausländer einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises mit einer Gültigkeitsdauer von 10 Jahren hat.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die von der Beklagten herangezogene Genfer Konvention auf heimatlose Ausländer überhaupt Anwendung findet. Der diesem Personenkreis zukommende Sonderstatus deckt sich in vielen Punkten mit dem Sonderstatus der ausländischen Flüchtlinge, stimmt aber mit ihm nicht vollständig überein. Es erscheint bedenklich, auf das Sonderrecht des Gesetzes über heimatlose Ausländer subsidiär das Sonderrecht der Genfer Konvention anzuwenden. Es spricht vielmehr manches dafür, in Fällen, die im Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet nicht geregelt sind, auf die Vorschriften des allgemeinen Ausländerrechts zurückzugreifen (vgl. Schiedermair/Wollenschläger, Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Loseblatt-Sammlung Stand 7/99, 3 F I Rdnr. 7).

Diese Frage kann aber im Ergebnis offen bleiben, denn auch bei Anwendung der Genfer Konvention wäre im vorliegenden Verfahren auf das allgemeine Ausländerrecht abzustellen. Nach Art. 7 Abs. 1 GK gewährt jeder Vertragsstaat vorbehaltlich der in der Konvention vorgesehenen günstigeren Bestimmungen den Flüchtlingen die Behandlung, die er Ausländern im Allgemeinen gewährt. Hieraus folgt, dass die für die sonstigen Ausländer geltenden Vorschriften auf die heimatlosen Ausländer Anwendung finden, soweit sich nicht aus dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet etwas anderes ergibt (BVerwG, Urteil vom 12.01.1956 - BVerwG I C 42.55 - BVerwGE 3, 77 ff.). Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass § 8 Abs. 1 Satz 2 AufenthV die Möglichkeit eröffnet, Reiseausweise für Ausländer bis zu einer Gültigkeitsdauer von 10 Jahren auszustellen, wenn der Inhaber - wie der Kläger - im Zeitpunkt der Ausstellung das 24. Lebensjahr vollendet hat.

Diesem Ergebnis widersprechen auch die Erwägungen im Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 5. März 2008 - M I 3 - 125010/6 - (Bl. 121 f. der Behördenakte) nicht. Anders als es noch das OVG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 17. November 1980 (- 18 A 326/80 - a.a.O.) annahm, wird in dem Erlass nämlich die von der Genfer Konvention vorgesehene Gültigkeitsdauer für Reiseausweise ausdrücklich nicht als Höchstgrenze angesehen, sondern unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung die Möglichkeit einer Ausstellung von Reiseausweisen mit einer längeren Gültigkeitsdauer als zwei Jahren anerkannt. Dass mit diesem Erlass die Gültigkeitsdauer von Reiseausweisen für Flüchtlinge und Staatenlose nur auf drei Jahre angehoben wird, erklärt sich durch die Verknüpfung mit der Dauer des Aufenthalts gemäß § 26 AufenthG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 AufenthV. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AufenthV darf die Gültigkeitsdauer des Reiseausweises für Ausländer die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels oder der Aufenthaltsgestattung des Ausländers nicht überschreiten, die nach § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG maximal drei Jahre beträgt. Eine solche (ausländerrechtliche) Beschränkung kann aber nicht auf heimatlose Ausländer übertragen werden, da diese nach § 12 HeimatlAuslG keines Aufenthaltstitels bedürfen, die Dauer ihres Aufenthaltes mithin grundsätzlich zeitlich unbegrenzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.01.1956 - BVerwG I C 42.55 - a.a.O.). [...]