Gutscheine nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind bei der Bemessung der Tagessatzhöhe gem. § 40 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen; lebt der Angeklagte am Rande des Existenzminimums, kann die Festsetzung einer Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen Bezüge geboten sein.
Gutscheine nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind bei der Bemessung der Tagessatzhöhe gem. § 40 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen; lebt der Angeklagte am Rande des Existenzminimums, kann die Festsetzung einer Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen Bezüge geboten sein.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
2. Das Urteil hält indessen im Rechtsfolgenausspruch materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand; es ist im Hinblick auf die – für die Strafzumessung bedeutsamen - Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten materiell-rechtlich unvollständig. [...]
Bei der Verhängung einer Geldstrafe sind darüber hinaus konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen (vgl. BGH bei Detter NStZ 2000, 188). Auch bei Sozialhilfeempfängern und diesen vergleichbaren Personen sind für die Bemessung der Tagessatzhöhe und für die Entscheidung über etwaige Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) konkrete Feststellungen zu den monatlichen Einkünften zu treffen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 109 [110]).
Auch hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil, weil die Feststellung, die Angeklagte erhalte "im wesentlichen" Gutscheine die Beantwortung der Frage offen lässt, ob und ggfs. in welchem Umfang die Angeklagte noch über andere Einkünfte verfügt, zumal im Rahmen der Strafzumessung von dem "nur aus Gutscheinen bestehenden Einkommen" der Angeklagten die Rede ist.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der Wert von Gutscheinen, die auf der Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes zum Bezug von Waren erteilt werden, ist im Rahmen der Bemessung des Tagessatzes gemäß § 40 Abs. 2 StGB in Ansatz zu bringen.
Es gilt der Grundsatz, dass Sachbezüge bei der Ermittlung des für die Höhe des Tagessatzes maßgeblichen Einkommens zu berücksichtigen sind (SenE v. 14.02.2001 - Ss 351/00 -; Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 40 Rz. 7; Stree in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 40 Rz. 9; Höger in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage 2006, § 40 Rz. 45; Horn in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 40 Rz. 8; Radtke in: Münchener Kommentar, StGB, § 40 Rz. 52; Albrecht in: Nomos Kommentar, StGB, § 40 Rz. 24; Lackner/Kühl, StGB, 26. Auflage 2007, § 40 Rz. 7 jew. mit weit. Nachw.). Auch in anderen Teilen der Rechtsordnung gilt dieser Grundsatz. Das trifft zunächst auf das Einkommensteuerrecht zu, wo gemäß § 8 Abs. 1 EStG die Einnahmen aus allen Gütern in Geld oder Geldeswert bestehen. § 8 Abs. 2 EStG spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von "Einnahmen, die nicht in Geld bestehen" und nennt Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen sowie sonstige Sachbezüge als Beispiele hierfür; auch sie bilden die steuerliche Bemessungsgrundlage. Der genannte Grundsatz gilt ferner im Recht der Sozialhilfe (§ 82 Abs. 1 SGB XII und hierzu Decker in: Oesterreicher, SGB II/SGB XII, § 82 Rz. 31), im Unterhaltsrecht (Brudermüller in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 1361 Rz. 33 und § 1577 Rz. 7) und im Recht der Prozesskostenhilfe (Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 115 Rz. 10).
Es ist nicht ersichtlich, weshalb im Strafrecht ein hiervon abweichender, Sachbezüge nicht berücksichtigender Einkommensbegriff Geltung beanspruchen sollte. Dem vollständigen Fehlen von Bareinkünften kann im Vollstreckungsverfahren (in erster Linie durch Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit, Art. 293 Abs. 1 EGStGB i.V.m. den Vorschriften der Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit v. 23.11.2005 [GV NW 2005, 925]) Rechnung getragen werden; es nötigt hingegen nicht bereits im Erkennnisverfahren dazu, Sachbezüge bei der Bemessung der Tagessatzhöhe unberücksichtigt zu lassen.
b) Von den vorstehend dargelegten Erwägungen ausgehend vermag der Senat der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung nicht zu folgen, dass bei einem vermögenslosen Asylbewerber oder einer sonst vermögenslosen Person bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe die ihr in Form von Gutscheinen gewährten Sachbezüge generell außer Betracht zu bleiben hätten (so OLG Dresden, Urt. v. 07.08.2000 - 1 Ss 323/00 -, zitiert nach Juris; LG Karlsruhe StV 2006, 473; LG Traunstein StV 2007, 473; LG Frankfurt/Main StV 2009, 139 [L]; s. auch OLG Celle StV 2009, 131: "im Einzelfall"). Dazu wird angeführt, Sachbezüge in Form von Gutscheinen seien nicht kapitalisierbar. Das trifft aber auf andere Formen geldwerter Einkünfte (etwa freie Kost und Logis) gleichermaßen zu, hinsichtlich derer auf der Grundlage der vorstehend dargelegten Grundsätzen zurecht nicht in Frage gestellt wird, dass sie bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind (zutr. OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 6 und OLG Stuttgart StV 2009, 131). Ein Sachgrund für eine abweichende Handhabung bei Gutscheinen ist nicht ersichtlich.
c) Lebt der Angeklagte von Bezügen am Rande des Existenzminimums, z.B. von Sozialhilfe, so kann es aber geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen, sich aus Geldzahlungen und etwaigen Sachmittelzuwendungen zusammensetzenden Bezüge festzusetzen, wobei sich auch dieser ermessensähnlich ausgestaltete Strafzumessungsakt einer schematischen Behandlung entzieht (SenE v. 30.10.2007 - 82 Ss 123/07 -; OLG Stuttgart, StV 2009, 131; OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655; OLG Stuttgart, NJW 1994, 745; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272; Fischer a.a.O. § 40 Rz. 11, 24; Stree a.a.O. § 40 Rz. 8; Radtke a.a.O. § 40 Rz. 77; Höger a.a.O. § 40 Rz. 37; Albrecht a.a.O. § 40 Rz. 21). Der Erwägung, dass dies zu einer Ungleichbehandlung mit Personen mit geringem Arbeitseinkommen führen würde, fehlt bereits deswegen die Grundlage, weil die vorgenannten Grundsätze in Fällen, in welchen Einkünfte am Rande des Existenzminimums aus Arbeitstätigkeit erzielt werden, gleichermaßen zur Anwendung kommen müssten. [...]