OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.03.2009 - 3 Ss 71/09 - asyl.net: M15710
https://www.asyl.net/rsdb/M15710
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, illegaler Aufenthalt, Duldung, Anspruch, Sachaufklärungspflicht, Abschiebungshindernis, Prüfungskompetenz
Normen: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.2003 - 2 BvR 397/02 (in StV 2003, 553f.) - müssen die Strafgerichte selbstständig prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Tatzeitraum gegeben waren. Kommen sie zu der Überzeugung, die Voraussetzungen hätten vorgelegen, scheidet eine Strafbarkeit des Ausländers wegen unerlaubten Aufenthaltes nach § 95 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 b AufenthG aus.

(Amtlicher Leitsatz)

[...]

Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht und ebenso begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Feststellungen des Landgerichts Hanau tragen den Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1b AufenthG nicht. Der Angeklagte hat sich zwar entgegen §§ 3 Abs. 1 i.V.m. 48 Abs. 2, 4 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG auch nach Ablauf der zeitlich befristeten Duldung in der Bundesrepublik aufgehalten und dabei weder einen Aufenthaltstitel, noch eine Duldung besessen noch war er im Besitz eines Passes oder Passersatzdokuments.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.2003 – 2 BvR 397/02 (in StV 2003, 553f.) müssen die Strafgerichte jedoch selbständig prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Tatzeitraum gegeben waren. Kommen sie zu der Überzeugung, die Voraussetzungen hätten vorgelegen, scheidet eine Strafbarkeit des Ausländers wegen unerlaubten Aufenthaltes nach § 95 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 b AufenthG aus.

Diese Prüfung hat das Landgericht Hanau nicht vorgenommen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.2003 ist zwar zu § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG (entspricht § 92 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) ergangen, sie betrifft aber auch die Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz, das in wesentlichen Teilen mit Wirkung vom 01.01.2005 in der Fassung vom 25.02.2008 an die Stelle des Ausländergesetzes getreten ist (bgl.: dazu OLG Nürnberg, Urteil vom 16.01.2007 – 2St OLG Ss 242/06 -; OLG Frankfurt/M, Beschluss vom 18.05.2006 – 2 Ss 23/06 -). [...]