Ein untergetauchter, ausreisepflichtiger Ausländer kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG zum Zweck der Vorführung vor den Haftrichter in Gewahrsam genommen werden; eine Ausschreibung zur Fahndung gem. § 50 Abs. 7 AufenthG setzt voraus, dass die Haftgründe des § 62 AufenthG vorliegen; § 50 Abs. 7 AufenthG beinhaltet lediglich eine Ermächtigungsgrundlage zur Nutzung der Fahndungsmittel der Polizei, nicht aber zu Freiheitsentziehungen.
Ein untergetauchter, ausreisepflichtiger Ausländer kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG zum Zweck der Vorführung vor den Haftrichter in Gewahrsam genommen werden; eine Ausschreibung zur Fahndung gem. § 50 Abs. 7 AufenthG setzt voraus, dass die Haftgründe des § 62 AufenthG vorliegen; § 50 Abs. 7 AufenthG beinhaltet lediglich eine Ermächtigungsgrundlage zur Nutzung der Fahndungsmittel der Polizei, nicht aber zu Freiheitsentziehungen.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. [...]
Der behauptete Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG lässt sich nicht feststellen.
a) Für den schwersten Eingriff in das Recht der Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht (vgl.BVerfGE 10, 302 <323>). Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird (BVerfGE 105, 239 <248>; vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG: BVerfGE 103, 142 <151 ff.>).
Die Freiheitsentziehung erfordert nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (vgl.BVerfGE 22, 311 <317>). Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG gebietet in einem solchen Fall, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen (vgl. BVerfGE 10, 302 <321>). "Unverzüglich" ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl.BVerfGE 105, 239 <249>). Nicht vermeidbar sind zum Beispiel Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl.BVerfGE 103, 142 <156>; 105, 239 <249>).
b) Gemessen an diesen Maßstäben halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Die Gerichte haben ohne Verfassungsverstoß festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme in Anwendung von § 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ohne vorherige gerichtliche Entscheidung erfolgen durfte.
aa) Für die Frage, ob der Zweck der Freiheitsentziehung bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung nicht erreicht werden kann und daher die Freiheitsentziehung ausnahmsweise ohne vorherige gerichtliche Anordnung erfolgen darf, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Freiheitsentziehung abzustellen. Daraus folgt, dass von der Ausländerbehörde konkret geplante Freiheitsentziehungen regelmäßig einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen und Vollzugsbeamte der Polizei, die von der Ausländerbehörde gebeten worden sind, einen Ausländer im Wege der Amtshilfe in Gewahrsam zu nehmen, sich regelmäßig nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine richterliche Anordnung nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden könne.
Anders liegt der Fall, wenn ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer untertaucht und infolgedessen für die zu diesem Zeitpunkt zuständige Ausländerbehörde nicht mehr greifbar ist. Dann ist nicht absehbar, ob später die Abschiebungshaftvoraussetzungen vorliegen und welche Behörde gegebenenfalls für eine Ingewahrsamnahme zuständig sein wird; eine Festnahme im Falle des Aufgreifens des betroffenen Ausländers kann lediglich abstrakt geplant sein, da weder Aufgriffsort noch -zeitpunkt abgeschätzt werden können. Ein untergetauchter, vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer kann daher bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG zum Zwecke der Vorführung vor den Haftrichter ohne Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Exekutive in Gewahrsam genommen werden.
bb) Die Ausschreibung zur Festnahme nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf von Verfassungs wegen keiner richterlichen Anordnung. Auf die vom Oberlandesgericht erörterte Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Festnahme trotz Unterbleibens einer vorläufigen Haftentscheidung nach § 11 FreihEntzG bei der Ausschreibung rechtmäßig ist, kommt es daher nicht an.
Mit der Ausschreibung zur Festnahme nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG räumt das Gesetz der Ausländerbehörde die Möglichkeit ein, auf polizeiliche Fahndungsmaßnahmen zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung von Ausländern, deren Aufenthalt unbekannt ist, zurückzugreifen. Als nicht geschriebenes Tatbestandsmerkmal ist das Vorliegen von Haftgründen nach § 62 AufenthG zu prüfen, da nur dann, wenn eine Inhaftierung erfolgen darf, eine Ausschreibung zur Festnahme gerechtfertigt sein kann. Ob eine Ingewahrsamnahme durch die Exekutive in der konkreten Situation des Ergreifens zulässig ist, bestimmt sich nicht nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Norm enthält nur die Ermächtigung zur Nutzung der Fahndungshilfsmittel der Polizei, nicht aber eine Ermächtigung zu Freiheitsentziehungen (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: Oktober 2008, § 50 AufenthG Rn. 44 ff.); diese findet sich in § 62 Abs. 4 AufenthG. Die Ausschreibung zur Festnahme nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lässt für die Polizei als Nutzer der Fahndungshilfsmittel zwar erkennen, dass die zum Zeitpunkt der Ausschreibung zuständige Ausländerbehörde nach eigenverantwortlicher Prüfung Haftgründe nach § 62 AufenthG bejaht hat. Die Entscheidung über die Ingewahrsamnahme bleibt aber der eigenverantwortlich nach § 62 Abs. 4 AufenthG tätig werdenden Behörde überlassen. Da die Ausschreibung zur Festnahme keine Bindungswirkung entfaltet, bedarf sie auch unter dem Gesichtspunkt etwaiger aus Art. 104 Abs. 2 GG abzuleitender Vorwirkungen keiner gerichtlichen Anordnung. [...]