OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 06.07.2009 - 2 B 365/09 - asyl.net: M15795
https://www.asyl.net/rsdb/M15795
Leitsatz:

Ein Ausländer, der die verhängte Abschiebungshaft aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen für unzulässig hält, weil seine Abschiebung dauerhaft unmöglich sei, kann seine Entlassung nicht mit einem Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Rücknahme des Haftantrags im Verwaltungsrechtsweg verfolgen.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verwaltungsrechtsweg, Haftantrag, Ausländerbehörde, Rücknahme, Verhältnismäßigkeit, Abschiebungshindernis
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2; AufenthG § 106 Abs. 2
Auszüge:

Ein Ausländer, der die verhängte Abschiebungshaft aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen für unzulässig hält, weil seine Abschiebung dauerhaft unmöglich sei, kann seine Entlassung nicht mit einem Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Rücknahme des Haftantrags im Verwaltungsrechtsweg verfolgen.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7.5.2009 – 10 L 328/09 -, durch den sein Antrag, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Haftantrag zurückzunehmen, zurückgewiesen wurde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat das – letztlich auf Entlassung aus der Abschiebungshaft gerichtete - Begehren des Antragstellers, der gemäß § 62 II Nrn. 2, 4 und 5 AufenthG zur Sicherung der Abschiebung in Sicherungshaft genommen wurde, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der gestellte Antrag ist unzulässig, da der Antragsteller seine Entlassung aus der Abschiebungshaft nicht im Verwaltungsrechtsweg verfolgen kann.

Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich gemäß § 106 II 1 AufenthG nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG) (FEVG in der Gültigkeit bis 31.8.2009). Die Freiheitsentziehung kann nur das Amtsgericht auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen (§ 3 S.1 FEVG). Gegen die Anordnung der (ggf. auch Verlängerung der) Abschiebungshaft findet gemäß § 7 I (i.V.m. § 12 FEVG) die sofortige Beschwerde statt. Die Aufhebung der Freiheitsentziehung ist u.a. auf den Antrag des Ausländers in jedem Fall zu prüfen und zu bescheiden (§ 10 II FEVG); die Entscheidung, durch die eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 9 I FEVG festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist (§ 10 I FEVG). Der Haftantrag der Ausländerbehörde, seine Rücknahme und die Beantragung der Aufhebung der Freiheitsentziehung sind somit als Bestandteile eines einheitlichen Freiheitsentziehungsverfahrens durch das FEVG den Amtsgerichten zugewiesen.

Der Haftrichter ist dabei für die Beurteilung der Haftgründe im engeren Sinne zuständig, das Verwaltungsgericht hingegen für die Prüfung, ob die Ausländerbehörde die durch die Haft zu sichernde Abschiebung zu Recht betreibt, ob also der Ausländer ausreisepflichtig ist und die Abschiebungsvoraussetzungen gegeben sind. In diesem Sinne kann von einer Zweigleisigkeit des Rechtswegs gesprochen werden (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.1.2001 – 9 V 52/00, 9 W 1/01 -; HTK, § 62 AufenthG, Anm. 1), wobei dem Ausländer aber kein Wahlrecht eingeräumt ist, vor welchem Gericht er seine – im Ergebnis auch vorliegend begehrte – Entlassung aus der Abschiebungshaft erstreiten will. Vielmehr kann der Ausländer grundsätzlich nur die (materiellen) Voraussetzungen der Ausreisepflicht oder der Abschiebung und damit der aufenthaltsrechtlichen Grundlagen der Abschiebungshaft durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit klären lassen. Soweit sich das materielle (inhaltliche) Prüfprogramm der ordentlichen Gerichte im Freiheitsentziehungsverfahren auf die Durchführbarkeit der Abschiebung unter den Aspekten der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit - im engeren Sinne – der Freiheitsentziehung erstreckt, ist hingegen kein Raum für verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz. Dies schließt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden an das Verwaltungsgericht gerichtete Anträge aus, der Verwaltungsbehörde aufzugeben, ihren Haftantrag zurückzunehmen (anders OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.1.2001– 9 V 52/00, 9 W 1/01 – für den Fall der Stellung eines Asylantrags aus der Haft, und Beschluss vom 9.4.1986 – 3 W 794/86 -, InfAuslR 1986, 211 für einen Asylfolgeantragsteller; Renner, Ausländerrecht, 8.Aufl. 2005, § 62 Rdnr. 30;für generelle Zuständigkeit des Amtsgerichts: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.6.1988 – 11 B 346/87 -, InfAuslR 1989, 72; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.6.2006 – 18 B 1088/06 – InfAuslR 2007, 110).

Der Antragsteller hält die verhängte Abschiebungshaft aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen für unzulässig, weil seine Abschiebung dauerhaft unmöglich sei. [...]

Mit den vorgetragenen tatsächlichen Hindernissen für die Durchführung der Abschiebung stellt der Antragsteller die Erforderlichkeit der Abschiebungshaft in Abrede, da Reisepapiere jedenfalls nicht in absehbarer Zeit zu beschaffen seien und demzufolge seine Abschiebung tatsächlich nicht durchführbar sei; gleichzeitig wird die insoweit fehlende Verhältnismäßigkeit der angeordneten Haft gerügt. Diese Aspekte gehören offensichtlich zum – eingeschränkten – Prüfprogramm des Haftrichters (HiK-AuslR, § 62 Anm. 2; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 62 AufenthG, Rdnr. 11). Insoweit kann der Antragsteller effektiven Rechtsschutz durch die ordentliche Gerichtsbarkeit erlangen. [...]