[...]
Die Beschwerde ist unbegründet. [...]
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Verlängerung der ihm zu Studienzwecken erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG im Hinblick auf die Regelversagung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Falle eines Wechsels des Aufenthaltszwecks zusteht. [...]
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass der Antragsteller zwar ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80) erworben haben dürfte, da er 1985 in Deutschland geboren ist, bis 1991 bei seinen Eltern gelebt hat, die seinerzeit noch die türkische Staatsangehörigkeit besaßen, und sein Vater - soweit ersichtlich - zumindest seit 1983 als Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt ist, der Antragsteller dieses Recht aber infolge seiner Ausreise in die Türkei im Jahre 1991 wieder verloren hat.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlischt das Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, wenn es aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß Art. 14 ARB 1/80 beschränkt wird oder wenn der Betroffene das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt (vgl. EuGH, InfAuslR 2008, 423 - Er - m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.
Der Antragsteller wurde im Jahre 1991 im Alter von 6 Jahren von seinen Eltern zur Einschulung in deren Herkunftsland Türkei geschickt. Dort durchlief er die gesamte Schulausbildung bis zum Abitur im Juni 2003, wobei er teilweise bei den Großeltern, teilweise im Internat lebte. Bei seinen in Deutschland lebenden Eltern hielt er sich seinen Angaben zufolge in den Schulferien auf. Im Februar 2004 reiste er mit einem Visum zu Studienzwecken wieder nach Deutschland ein. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seiner Einschulung in der Türkei im Jahre 1991 den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland endgültig aufgegeben und in die Türkei verlagert hat. Eine derart lange Abwesenheit vom Bundesgebiet von über 12 Jahren - von kurzfristigen Besuchsaufenthalten abgesehen - kann hinsichtlich der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsrechts aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht mehr als unerheblich betrachtet werden (ebenso bei einem 11-jährigen Auslandsaufenthalt ab dem 16. Lebensjahr: Beschluss des Senats vom 1. August 2008 - 7 A 10196/08.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP, und bei einem 3 1/2-jährigen Auslandsaufenthalt in einem Internat: NdsOVG, InfAuslR 2008, 151).
Zwar ist dem Antragsteller einzuräumen, dass sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nähere Ausführungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe auszugehen ist, nicht entnehmen lassen. Es bedarf aber hier keiner weiteren Klärung dieser Frage in einem Hauptsacheverfahren und gegebenenfalls einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, weil jedenfalls im vorliegenden Fall die Voraussetzungen offensichtlich gegeben sind.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, InfAuslR 1997, 281 - Kadiman -) bezweckt Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, dadurch zu fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande ermöglicht wird. Die Vorschrift dient der Familienzusammenführung, indem sie eine dauerhafte Eingliederung der Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat fördert. Entgegen dieser Zielsetzung förderte der langjährige Aufenthalt des Antragstellers in der Türkei nicht die dauerhafte Eingliederung in Deutschland. Vielmehr führte die Verlagerung seines Lebensmittelpunkts in die Türkei und damit in einen anderen Sprach- und Kulturkreis dazu, dass die bis zum 7. Lebensjahr - erst ansatzweise - erfolgte Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse in einer für die soziale Prägung des Antragstellers wesentlichen Entwicklungsphase für einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren unterbrochen wurde. Bezeichnenderweise hat der Antragsteller nach seiner Einreise im Februar 2004 auch erst einen mehrmonatigen Sprachkurs absolviert, bevor er ein Studium aufgenommen hat. Sein Aufenthalt vom 7. bis zum 19. Lebensjahr in der Türkei widerspricht daher dem Regelungszweck des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Jedenfalls in einem solchen Fall können "berechtigte Gründe" für das Verlassen des Bundesgebiets offensichtlich nicht anerkannt werden.
Dieses Ergebnis wird auch durch einen Vergleich mit der für Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen geltenden Regelung des Rechts auf Daueraufenthalt in Art. 16 der sogenannten Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004) bestätigt. Danach führt, wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde (vgl. Art. 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38/EG), nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust (vgl. Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG). Unabhängig davon, inwieweit diese Bestimmung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige übertragbar ist, spricht die in ihr zum Ausdruck kommende Wertung dafür, dass jedenfalls bei einem Auslandsaufenthalt von über 12 Jahren das aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 folgende Aufenthaltsrecht verloren geht (vgl. NdsOVG, a.a.O.; Armbruster, in: HTK-AuslR, Stand März 2009, ARB 1/80, Art. 7 - Erlöschen der Rechtsstellungen -).
Das Verwaltungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass der Antragsteller nach seiner Einreise im Jahre 2004 eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht wieder erlangt hat. Denn Einreise und Aufenthalt seien ihm lediglich zu Studienzwecken erlaubt worden. Allein das schließe das Entstehen eines Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 aus. Dies entspricht der - soweit ersichtlich - einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung voraussetzt (vgl. OVG RP, InfAuslR 1998, 421; OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2001 - 18 B 204/00 -, juris, Rn. 3 ff. m.w.N.). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum vereinzelt vertretenen abweichenden Auffassung fest (vgl. Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage 2008, Rn. 1590; Gutmann, in: GK-AuslR, ARB 1/80, Art. 7 Rn. 30 f.; wie hier dagegen: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2007, ARB 1/80, Art. 7 Rn. 17; Oberhäuser, in: HK-AuslR, 2008, ARB 1/80 Art. 7 Rn. 4). [...]
Gleiches gilt für den Erwerb eines Aufenthaltsrechts des Antragstellers aus Art. 9 ARB 1/80. [...]