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VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 12.05.2009 - 10 K 906/08 - asyl.net: M15809
https://www.asyl.net/rsdb/M15809
Leitsatz:

1. Die Volksmudjaheddin Iran und der von ihnen dominierte "Nationale Widerstandsrat Iran" verfolgen Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Volksmudjaheddin Iran (MEK) durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) von der Liste terroristischer Organisationen gestrichen worden sind.

2. Eine kontinuierliche, über Jahre hinweg andauernde Beteiligung an Aktionen und Veranstaltungen der Volksmudjaheddin oder des Nationalen Widerstandsrats Iran begründet jedenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Einbürgerungsbewerber diese Organisation(en) bzw. deren Bestrebungen unterstützt bzw. unterstützt hat.

3. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Abwendung von früheren Unterstützungshandlungen.

 

Schlagwörter: Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Verfassungsfeindliche Bestrebungen, Volksmudjahedin, NWRI, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, terroristische Vereinigung, Beschluss des Rates 2009/62/EG, Liste terroristischer Organisationen, Bindungswirkung, Unterstützung, Demonstrationen, Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Abwenden von verfassungsfeindlichen Bestrebungen
Normen: StAG § 11 S. 1 Nr. 1; StAG § 11 S. 1 Nr. 2 a.F.; VO EG Nr. 2580/2001 Art. 2 Abs. 3; GG Art. 5 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3; StAG § 8
Auszüge:

1. Die Volksmudjaheddin Iran und der von ihnen dominierte "Nationale Widerstandsrat Iran" verfolgen Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Volksmudjaheddin Iran (MEK) durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) von der Liste terroristischer Organisationen gestrichen worden sind.

2. Eine kontinuierliche, über Jahre hinweg andauernde Beteiligung an Aktionen und Veranstaltungen der Volksmudjaheddin oder des Nationalen Widerstandsrats Iran begründet jedenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Einbürgerungsbewerber diese Organisation(en) bzw. deren Bestrebungen unterstützt bzw. unterstützt hat.

3. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Abwendung von früheren Unterstützungshandlungen.

(Amtliche Leitsätze)

 

[...]

I. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. [...]

1. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. hierzu OVG Hamburg, Urt. v. 06.12.2005, 3 Bf 172/04, juris) keinen Anspruch auf Einbürgerung. [...]

Denn es liegt der zwingende Versagungsgrund des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG (in der Fassung des Gesetzes vom 19.08.2007, BGBl. I S. 1970) vor. [...]

a) Die Volksmudjaheddin Iran und der NWRI verfolgen Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG.

aa) Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland, die diese autonom definieren darf (vgl. VGH München, Urt. v. 27.05.2003, 5 B 00.1819, juris, Rn. 28), gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (siehe auch Berlit , in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, § 11 StAG, Rn. 127, 131). Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet oder vorbereitet, wohl aber im Herkunftsland gewaltförmig agiert oder – als politische Exilorganisation – dortige entsprechende Bestrebungen durch Propaganda, Sammeln und Überweisen von Spenden oder Anwerbung von Kämpfern unterstützt ( Berlit , a.a.O., Rn. 131; siehe auch VGH München, Urt. v. 27.05.2003, 5 B 01.1805, juris, Rn. 30; VGH Mannheim, Urt. v. 11.07.2002, 13 S 1111/01, juris, Rn. 54). Zur Gewalt in diesem Sinne zählen insbesondere Anschläge mit Waffen oder Sprengstoff gegen Personen oder Sachen sowie die unter Einsatz von Gewalt erfolgende Eintreibung von Mitteln für die Organisation, wie Spendenerzwingung. Zu den Vorbereitungshandlungen gehören z.B. die Waffenbeschaffung oder das Sammeln oder Bereitstellen hierfür erforderlicher Geldmittel ( Berlit , in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, § 11 StAG, Rn. 129, 130).

bb) Die Volksmudjaheddin Iran bzw. der NWRI verfolgen derart definierte Bestrebungen (VG Hamburg, Urt. v. 06.02.2007, 10 K 1773/06, juris; Urt. v. 08.02.2005, 10 K 1706/03; Urt. v. 30.09.2004, 10 K 4177/03 und 10 K 6189/03, beide juris; ebenso VG Berlin, Urt. v. 23.08.2005, 2 A 103.03, juris; OVG Berlin, Beschl. v. 26.11.2007, 5 N 62.05, juris; Berlit , a.a.O. Rn. 132). [...]

(1) Die Erkenntnisquellen stützen (nach wie vor) die Bewertung, dass die Volksmudjaheddin Iran bzw. der NWRI Bestrebungen im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG verfolgen (vgl. z.B. VG Hamburg, Urt. v. 06.02.2007, 08.02.2005 und 30.09.2004, a.a.O.; VG Berlin, a.a.O.; OVG Berlin, a.a.O.). [...]

Zwar befinden sich die Volksmudjaheddin Iran und der NWRI durch die Entwicklungen im Irak im Jahr 2003 wohl in einem Zustand der Orientierungslosigkeit und es ist ein gewaltsamer Umsturz des iranischen Regimes in weite Ferne gerückt (siehe VM-Broschüre, S. 22 f.; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2007, S. 274 f.; Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom 05.07.2006 und 26.04.2004). Immerhin konnten aber in den letzten Jahren viele Anhänger zu Demonstrationen motiviert werden. Seit dem Jahre 2003 bildet der Jahrestag der Festnahme Maryam Radjavis in Frankreich (17.06.2003) den Anlass für großangelegte Demonstrationen des NWRI. So nahmen an der am 28.06.2008 bei Paris durchgeführten Veranstaltung nach organisationseigenen Angaben rund 70.000 Personen teil. Zu einer Kundgebung in Berlin am 10.02.2005 fanden sich ca. 1.500 Teilnehmer ein; dabei wurden auch Flaggen der NLA gezeigt (zu den Veranstaltungen des NWRI siehe VM-Broschüre, S. 18 f.).

In seinem aktuellen Programm fordert der NWRI zwar Rede-, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, die freie Betätigung politischer Parteien und Gewerkschaften, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie gleiche politische und soziale Rechte für alle Iraner (siehe VM-Broschüre, S. 10). Mit diesen Forderungen rücken die Volksmudjaheddin von ihrer bisherigen revolutionären Ideologie ab und bekennen sich verbal zu den Grundwerten einer liberalen Demokratie. Ob diese Änderung der politischen Zielsetzung angesichts eines bislang nicht erfolgten ausdrücklichen Verzichts auf terroristische Handlungsoptionen aber auf Dauer Bestand haben wird oder nur ein "Lippenbekenntnis" bleibt, muss sich noch zeigen (VM-Broschüre, S. 10, 11). Es sind jedenfalls derzeit keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Volksmudjaheddin von ihrem Ziel des gewaltsamen Umsturzes des iranischen Systems abgerückt wären und der Gewalt als Mittel zur Erlangung politischer Macht eine Absage erteilt hätten (siehe VM-Broschüre, S. 6, 23).

(2) Die Streichung der Volksmudjaheddin Iran von der Liste terroristischer Vereinigungen durch den Beschluss des Rates 2009/62/EG schließt die Qualifizierung der Volksmudjaheddin Iran bzw. des NWRI als Bestrebung im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG nicht aus.

§ 11 S. 1 Nr. 1 StAG setzt schon nach seinem Wortlaut nicht voraus, dass der Ausländer eine terroristische Vereinigung oder eine Vereinigung, die terroristische Handlungen begeht oder zu begehen sucht, unterstützt, und erst recht nicht, dass es eine Vereinigung sein muss, die auf der Liste terroristischer Organisationen im Sinne von Artikel 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus steht. Das wird auch durch die Systematik des Staatsangehörigkeitsgesetzes untermauert: § 11 S. 1 Nr. 2 StAG verweist unter anderem auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG, der explizit auf die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung von Vereinigungen, die den Terrorismus unterstützen, Bezug nimmt. Eine derartige Formulierung hat § 11 S. 1 Nr. 1 AufenthG nicht aufgegriffen.

Für die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union besteht allein aufgrund der Tatsache, dass der Rat der Europäischen Union mit seinem Beschluss 2009/62/EG vom 26.01.2009 die Volksmudjaheddin Iran nicht mehr in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen hat, kein Verbot, die Volksmudjaheddin Iran oder den NWRI im nationalen Einbürgerungsrecht als Bestrebung im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG anzusehen. Eine derartige verbindliche Entscheidung über die Volksmudjaheddin Iran und den NWRI für das deutsche Einbürgerungsrecht hat der Rat der Europäischen Union mit dem genannten Beschluss nicht getroffen (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.08.2005, 2 A 103.03, juris, Rn. 17; OVG Berlin, Beschl. v. 26.11.2007, 5 N 62.05, juris, Rn. 4, jeweils bezüglich des NWRI, der schon bisher – trotz Aufnahme der Volksmudjaheddin in die Liste der terroristischen Organisationen – von der Liste ausdrücklich ausgeklammert blieb). Die mit dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP), auf dem die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates beruht, erstellte und halbjährlich aktualisierte "Positivliste" hat keinen ausschließlichen Charakter. Die sich aus Art. 15 S. 2 EU ergebende Pflicht der Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem Gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht, lässt die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, Vereinigungen, die nicht in die Liste aufgenommen worden sind, als sicherheitsgefährdend oder als Bestrebung im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG anzusehen (so VG Berlin, a.a.O., juris, Rn. 17, bestätigt durch OVG Berlin, a.a.O., juris, Rn. 4: Die Annahme einer Bindung verbiete sich, da es nicht Sinn und Zweck des Gemeinsamen Standpunktes sei, Organisationen innerhalb der Mitgliedstaaten zu schützen oder gar positiven Einfluss auf die Voraussetzungen einer Einbürgerung zu nehmen.). Gegen Art. 15 S. 2 EU würde es zwar verstoßen, wenn die Bundesrepublik Deutschland etwa Gelder der Volksmudjaheddin Iran oder des NWRI einfriert im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates, obwohl diese Organisationen nicht bzw. nicht mehr auf der Liste terroristischer Organisationen verzeichnet sind. Hinsichtlich der Regelung anderer Sachverhalte, hier der Einbürgerungsvoraussetzungen nach deutschem Recht, bindet die Liste terroristischer Vereinigungen die Mitgliedstaaten dagegen nicht.

Im Übrigen hat der Rat der Europäischen Union in seinem Beschluss 2009/62/EG und seinem Gemeinsamen Standpunkt 2009/67/GASP vom 26.01.2009 die Nichtaufnahme der Volksmudjaheddin Iran in die Liste terroristischer Organisationen insbesondere auf das Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz (im Folgenden: EuGH) vom 04.12.2008 (Az. T-284/08) gestützt. In diesem Urteil hat das EuGH aber nicht inhaltlich festgestellt, dass die Volksmudjaheddin Iran keine Vereinigung ist, die terroristische Handlungen (im Sinne von Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27.12.2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP), auf den die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27.12.2001 in Art. 1 Nr. 4 verweist) begeht, zu begehen versucht oder sich an deren Begehung beteiligt oder diese erleichtert. Das EuG hat sein Urteil im Wesentlichen auf formale Gründe gestützt, nämlich zum einen darauf, dass Verteidigungsrechte der dortigen Klägerin, der Vereinigung Volksmudjaheddin Iran, verletzt worden seien. Der Rat der Europäischen Union habe der Klägerin nicht die seiner Meinung nach ihren Verbleib auf der Liste rechtfertigenden neuen Informationen oder Aktenstücke zur Kenntnis gebracht, die sich auf das von der Antiterrorabteilung der Staatsanwaltschaft in Paris im April 2001 eingeleitete Ermittlungsverfahren und die beiden ergänzenden Anschuldigungen vom März und November 2007 bezogen haben. Zum anderen sei nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das von der Staatsanwaltschaft in Paris eingeleitete Ermittlungsverfahren gegenüber der Klägerin einen die Definition des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP erfüllenden Beschluss darstellt, da der Rat der Europäischen Union dem EuG keine hinreichenden Informationen und Aktenstücke übermittelt habe. Der Rat hat sich darauf berufen, dass er von der französischen Justiz keine weiteren Informationen erhalten habe, da dieses zusätzliche Beweismaterial während der Dauer der Ermittlungen nach französischem Recht vertraulich bleiben müsse. Nach Auffassung des EuG sei der Rat aber nicht berechtigt, seinen Beschluss über das Einfrieren der Gelder auf von einem Mitgliedstaat mitgeteilte Informationen oder Aktenstücke zu stützen, wenn dieser Mitgliedstaat nicht gewillt ist, deren Mitteilung an den Gemeinschaftsrichter zu genehmigen, dem die Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses obliegt. Es sei das Grundrecht der dortigen Klägerin auf effektive gerichtliche Kontrolle verletzt worden.

b) Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, der Kläger unterstütze die dargestellten, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland auch gegenwärtig gefährdenden Bestrebungen oder habe solche unterstützt.

aa) Als "Unterstützung" ist bereits jede eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist (vgl. OVG Hamburg, Urt. vom 06.12.2005, 3 Bf 172/04, juris; BVerwG, Urt. vom 15.03.2005, 1 C 26/03, dort zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG m.w.N.). Dazu zählen etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (VGH München, Urt. v. 27.05.2003, 5 B 01.1805, juris, Rn. 32; Berlit , in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, § 11 StAG, Rn. 96). Ausreichend für Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG sind auch Aktivitäten in untergeordneter Position (vgl. VG Gießen, Urt. v. 03.05.2004, 10 E 2961/03, juris, Rn. 37).

Der Ausschlusstatbestand des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist bereits dann erfüllt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung rechtfertigen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers (zu dem entspr. § 86 AuslG, siehe BT-Drs. 14/533, S. 18 f.) angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten radikaler Organisationen (die Gesetzesbegründung nennt beispielhaft PKK-Aktivisten und radikale Islamisten) unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können. Dazu bedarf es einer wertenden Betrachtung, bei der auch Ausländern zustehende Grundrechte wie Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG zu berücksichtigen sind; andererseits können grundsätzlich auch legale Betätigungen herangezogen werden (OVG Hamburg, Beschl. v. 19.05.2008, 3 Bf 345/06.Z, juris; Beschl. v. 07.04.2006, 3 Bf 442/03, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 11.07.2002, 13 S 1111/01, juris, Rn. 40; Berlit , in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, § 11 StAG, Rn. 88 f.). Die Freiheit der Meinungsäußerung ist insoweit beschränkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 06.12.2005, 3 Bf 172/04, juris).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger die unter a) beschriebenen Bestrebungen unterstützt bzw. jedenfalls unterstützt hat.

(1) Es kann dahinstehen, ob in die Beurteilung des Verhaltens des Klägers auch seine Aktivitäten einbezogen werden können, die er vor seiner Einreise nach Deutschland – insbesondere im Iran – für die Volksmudjaheddin Iran entfaltet hat. [...]

Für sich genommen wären diese Aktivitäten als reine Auslandsaktivitäten wohl nicht geeignet gewesen, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Anderes mag dann gelten, wenn Auslandsaktivitäten im Rahmen einer Organisation entfaltet werden, die über eine Auslandsorganisation auch in Deutschland verfügt (vgl. dazu VG Hamburg, Urt. v. 30.04.2004, 10 K 6189/03, m.w.N.; Berlit , a.a.O., Rn. 79 ff.). Die vor der Einreise nach Deutschland liegenden Aktivitäten des Klägers brauchen allerdings schon deshalb nicht näher betrachtet zu werden, da genügend tatsächliche Anhaltspunkte für spätere Aktivitäten in Deutschland und im europäischen Ausland vorliegen (dazu sogleich (2)). Sie sind allerdings ein Indiz für die innere Verbundenheit des Klägers mit den Zielen der Volksmudjaheddin.

(2) Der Kläger hat nach seiner Einreise nach Deutschland an Veranstaltungen des NWRI im In- und Ausland teilgenommen, die das Landesamt für Verfassungsschutz in seinen Auskünften vom 22.09.2006, 02.01.2007, 24.09.2007 und 09.02.2009 näher bezeichnet hat, insbesondere an Demonstrationen in Hamburg, Köln, Dortmund, Göteborg, Kopenhagen und Paris zwischen 2001 und 2005. [...]

(3) Es kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz in dessen Auskunft vom 09.02.2009, wonach der Kläger – was er bestreitet – zumindest bis 2005 ein höherrangiges Mitglied in der Hamburger Sektion des NWRI gewesen sei, zutreffen. Denn Unterstützungshandlungen im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG setzen nicht voraus, dass der Kläger eine herausgehobene Position oder ein Amt im NWRI inne gehabt hat. Auch Betätigungen unterhalb der Schwelle einer Funktionärstätigkeit stehen der Einbürgerung entgegen, wenn sie auf eine nachhaltige Unterstützung der inkriminierten Ziele schließen lassen; hierzu kann bereits die regelmäßige passive Teilnahme an Veranstaltungen über einen längeren Zeitraum ausreichen (siehe auch VGH München, Beschl. v. 21.10.2008, 5 ZB 08.229, juris).

Selbst wenn einzelne Unterstützungshandlungen für sich genommen noch nicht die Annahme rechtfertigten, der Kläger unterstütze in § 11 S. 1 Nr. 1 StAG umschriebene Bestrebungen oder habe diese unterstützt, so begründet doch eine kontinuierliche, über Jahre hinweg andauernde Beteiligung an Aktionen und Veranstaltungen der Volksmudjaheddin Iran oder des NWRI jedenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Kläger diese Organisation(en) bzw. deren Bestrebungen unterstützt bzw. unterstützt hat (vgl. Berlit, in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, § 11 StAG, Rn. 98 m.w.N.). Der Kläger hat über Jahre – jedenfalls vom 2001 bis 2005 – an Demonstrationen des NWRI im In- und Ausland teilgenommen. [...] Derartige Aktivitäten sind nach Überzeugung des Gerichts mehr als nur einzelne Unterstützungshandlungen.

Der Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Veranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat, seinem Vortrag nach stets friedlich verlaufen sind (siehe VG Hamburg, Urt. v. 30.09.2004, 10 K 6189/03, juris).

(4) Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe lediglich an erlaubten politischen Demonstrationen teilgenommen, hindert auch das die oben genannte Beurteilung nicht. Zwar ist im Rahmen der Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme sicherheitsgefährdender Aktivitäten im Sinne des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG rechtfertigen, eine wertende Betrachtungsweise erforderlich, bei der auch die dem Ausländer zustehenden Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 3 GG zu berücksichtigen sind. Hieraus folgt aber nicht, dass politische Aktivitäten, die grundrechtlich geschützt oder einfachrechtlich erlaubt sind, bei der Prüfung nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG völlig außer Betracht zu bleiben haben (OVG Hamburg, Beschl. v. 07.04.2006, 3 Bf 442/03, juris, Rn. 14). § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG und damit als Schranke der Kommunikationsgrundrechte nach Art. 5 Abs. 1 GG geeignet (OVG Hamburg, Beschl. v. 19.05.2008, 3 Bf 345/06.Z, juris, Rn. 29). Die Vorschrift ist allerdings zur Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe in die Kommunikationsgrundrechte hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "unterstützt" dahin auszulegen, dass solche Verhaltensweisen außer Betracht zu bleiben haben, die zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nur ganz unwesentlich oder geringfügig beitragen; zudem muss es für eine Zurechnung dem Betreffenden erkennbar sein, dass sein Handeln für die Vereinigung als solche insgesamt unterstützend wirkt (OVG Hamburg, Beschl. v. 19.05.2008, a.a.O. unter Verweis auch auf BVerwG, Urt. v. 22.02.2007, 5 C 20.05, juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Teilnahme an organisationsinternen Veranstaltungen und an mehreren Demonstrationen im In- und Ausland ist nicht völlig unwesentlich oder geringfügig und wirkt unterstützend für die Organisation. Die Außenwirkung einer Demonstration hängt entscheidend von der Anzahl der Teilnehmer ab, so dass sich die Teilnehmer nicht darauf berufen können, sie seien lediglich einer unter vielen Mitwirkenden gewesen und die Demonstration hätte auch ohne sie stattgefunden. Dass der Kläger mit seiner Teilnahme an den Veranstaltungen unterstützend für den NWRI bzw. die Volksmudjaheddin Iran gewirkt hat, war für ihn auch erkennbar.

c) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von einer (früheren) Unterstützung der Volksmudjaheddin Iran bzw. des NWRI abgewandt hat, § 11 S. 1 Nr. 1 a.E. StAG. Er hat zwar vorgetragen, seit 2005 nicht mehr an Veranstaltungen des NWRI teilgenommen zu haben und auch das Landesamt für Verfassungsschutz hat in seinen Auskünften jedenfalls keine konkreten Veranstaltungen nach 2006 mehr benannt, an denen der Kläger beteiligt gewesen sei. Dies allein reicht aber nicht.

aa) Für ein Abwenden genügt ein bloß äußeres – zeitweiliges oder situationsbedingtes – Unterlassen der Unterstützungshandlungen nicht. Vielmehr ist die Glaubhaftmachung eines individuellen Lernprozesses erforderlich, der annehmen lässt, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung inkriminierter Bestrebungen – auch in Ansehung der durch eine Einbürgerung erworbenen Rechtsposition – auszuschließen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 07.04.2006, 3 Bf 442/03, juris; Urt. v. 06.12.2005, 3 Bf 172/04, juris, m.w.N.; siehe auch VG Hamburg, Urt. v. 06.02.2007, 10 K 1773/06, juris). Die Glaubhaftmachung einer veränderten Auffassung verlangt angesichts der nur schwer zu fassenden Anhaltspunkte aus der (inneren) Sphäre des Ausländers und der ihn treffenden materiellen Beweislast eine substantiierte Darlegung von Umständen, die den nachvollziehbaren Schluss auf eine geänderte innere Einstellung zulässt. Die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen hängen ab von Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen, die zur Verfolgung oder Unterstützung der in § 11 S. 1 Nr. 1 StAG genannten Bestrebungen entfaltet worden sind und von dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt sind (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 07.04.2006, a.a.O.; Urt. v. 06.12.2005, a.a.O.). [...]

cc) Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, er habe sich von seiner Unterstützung der früheren gewaltsamen Bestrebungen der Volksmudjaheddin Iran abgewandt, indem er einen kollektiven Lernprozess der Volksmudjaheddin Iran hin zu der jetzt vom NWRI proklamierten "Dritte Weg-Lösung" (politischer Umschwung durch die Iraner selbst und ihren "organisierten Widerstand", angeführt vom NWRI, vgl. VM-Broschüre, S. 15) mitgetragen habe (vgl. zum Abwenden durch einen "mitgetragenen kollektiven Lernprozess" VGH München, Urt. v. 25.05.2003, 5 B 01.1805, juris, Rn. 37 f.). Selbst wenn sich im Gegensatz zu den Feststellungen unter 1. a) feststellen ließe, dass die Volksmudjaheddin Iran/der NWRI gegenwärtig keine Bestrebungen mehr verfolgten, die Gefährdungen der Schutzgüter des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG bedeuteten, müsste dem nur dann nachgegangen werden, wenn der Kläger behauptete, einen etwaigen Lernprozess innerhalb der Volksmudjaheddin Iran/des NWRI mitgetragen zu haben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Allenfalls derjenige kann sich auf einen kollektiven Lernprozess berufen, der glaubhaft macht, diesen Lernprozess ebenfalls durchlaufen zu haben (OVG Hamburg, Urt. v. 06.12.2005, a.a.O.). Das Vorbringen des Klägers enthält keinen Anhaltspunkt für die Annahme, er habe sich einem etwaigen grundlegenden Wandel innerhalb der Volksmudjaheddin Iran/des NWRI angeschlossen.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Einbürgerungsantrages nach § 8 StAG. Es kann dahinstehen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen von § 8 StAG vorliegen. Denn das der Beklagten gemäß § 8 StAG eröffnete Ermessen ist durch das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG insoweit reduziert, dass ermessensfehlerfrei lediglich die Versagung der Einbürgerung in Betracht käme (vgl. z.B. VGH Mannheim, Urt. v. 11.07.2002, 13 S 1111/01, juris, Rn. 66; VGH München, Urt. v. 27.05.2003, 5 B 01.1805, juris, Rn. 39, jeweils zu § 86 Nr. 2 AuslG; VG Hamburg, Urt. v. 06.02.2007, 10 K 1773/06, juris). [...]