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VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 09.06.2009 - 10 K 3065/08 - asyl.net: M15810
https://www.asyl.net/rsdb/M15810
Leitsatz:

1. Für die Niederlassungserlaubnis ist für die Sicherung des Lebensunterhaltes nur die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes erforderlich; keine Gesamtbetrachtung der Familiengemeinschaft.

2. Der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG (Sozialhilfebezug) ist bei Bezug von Leistungen nach SGB II nicht erfüllt.

 

Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Lebensunterhalt, Familienangehörige, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ausweisungsgrund, Sozialhilfebezug, Grundsicherung für Arbeitssuchende
Normen: AufenthG § 26 Abs. 4; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 6
Auszüge:

1. Für die Niederlassungserlaubnis ist für die Sicherung des Lebensunterhaltes nur die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes erforderlich; keine Gesamtbetrachtung der Familiengemeinschaft.

2. Der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG (Sozialhilfebezug) ist bei Bezug von Leistungen nach SGB II nicht erfüllt.

(Amtliche Leitsätze)

 

[...]

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen, unter denen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis im Ermessen der Beklagten steht. [...]

b) Der Kläger erfüllt auch die allein streitige Voraussetzung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG: Sein Lebensunterhalt ist gesichert. [...]

Nicht erforderlich ist, dass der Kläger mit diesem Einkommen auch den Lebensunterhalt seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen sichern kann (was allerdings nicht der Fall ist, denn die Familie erhält jedenfalls seit 01.01.2009 – wieder – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II).

Dass § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nur die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes fordert, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ("sein Lebensunterhalt"), aber auch aus einem Vergleich zu der Regelung in § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, wo neben der Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes auch derjenige der unterhaltsberechtigten Angehörigen ausdrücklich gefordert wird (vgl. VG Augsburg, Urt. v. 11.12.2007, AU 1 K 07.1061 in Juris m.w.N.; VG Ansbach, Urt. v. 23.04.2009, AN 5 K 09.00231 in Juris). Dieser Auslegung folgen auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI vom 22.12.2004 (dort unter 2.3.3.1) sowie das einhellige Schrifttum (vgl. Hailbronner, AuslR, § 26 AufenthG Rn 25, § 9 AufenthG Rn 19; Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar-AufenthG, § 2 Rn 50 ff.; Wenger in: Storr u.a., AufenthG., 2. Aufl., § 2 Rn 5a; HK-AuslR/Müller, § 2 AufenthG Rn 5, 5a). Demgegenüber vermag die vereinzelt vertretene und nicht weiter begründete Gegenmeinung (VG Stuttgart, Urt. v. 23.01.2006, 4 K 3852/05 in Juris) nicht zu überzeugen; sie verkennt, dass im Rahmen von § 2 Abs. 3 AufenthG in Familiennachzugsfällen eine Berücksichtigung des Bedarfes der in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Familienangehörigen zu erfolgen haben mag, weil auch Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG, vgl. hierzu: Hailbronner, a.a.O., § 2 AufenthG Rn 38 m.w.N.), nicht aber in sonstigen Fällen. Um einen Fall des Familiennachzugs, bei dem § 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG zur Anwendung käme, geht es hier nicht.

c) Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis steht auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht entgegen.

Es ist schon fraglich, ob die Regelerteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsgrundes neben § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG überhaupt zur Anwendung kommt (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 9 AufenthG Rn 28 ff. m.w.N.); jedenfalls liegt kein Ausweisungsgrund vor, auch nicht derjenige des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG, denn der Kläger nimmt keine "Sozialhilfe" für sich, seine Familienangehörigen oder sonstige Haushaltsangehörige in Anspruch. Der Bezug von Leistungen nach SGB II erfüllt den Tatbestand dieses Ausweisungsgrundes nicht (vgl. Albrecht in: Storr u.a., a.a.O., Rn 13 ff; HK-AuslR/Alexy, § 55 AufenthG Rn 33; Hailbronner, a.a.O., § 55 AufenthG Rn 67 ff.). [...]