OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.06.2009 - 1 LB 39/08 - asyl.net: M15823
https://www.asyl.net/rsdb/M15823
Leitsatz:

Verzichten die Eltern gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; § 38 Abs. 2 AsylVfG ist nicht anwendbar (Änderung der Rspr. des Senats).

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Anmerkung der Redaktion: Diese Entscheidung wurde vom BVerwG mit Urteil vom 17.8.2010 - 10 C 18.09 -, asyl.net, M 17576, aufgehoben.

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Schlagwörter: Verfahrensrecht, Ausreisefrist, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Kinder, in Deutschland geborene Kinder
Normen: AsylVfG § 38 Abs. 1; AsylVfG § 38 Abs. 2; AsylVfG § 14a Abs. 3
Auszüge:

[...]

Die Berufung ist unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Fristbestimmung in der angefochtenen Verfügung zu Recht aufgehoben. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist (eine Woche) war zu kurz. Nach einem Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; § 38 Abs. 2 AsylVfG ist nicht anwendbar. Dies entspricht im Ergebnis der ganz überwiegenden Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster, Urt. v. 11.08.2006 - 1 A 1437/06.A, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 17.06.2008 - 3 L 224/06 - juris; VG Braunschweig, Beschl. v. 09.10.2008 - 6 B 267/08 -, juris mit einer ausführlichen Übersicht über die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte). Nach nochmaliger Würdigung aller Argumente hält der Senat an seiner bisherigen Auffassung, dass der Verzicht nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG einer Rücknahme gleichzustellen sei (Beschl. v. 15.05.2007 - 1 LA 31/07 - und v. 22.10.2007 - 1 LA 76/07 nicht mehr fest. Der Senat hält die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, das im Wesentlichen darauf abstellt, dass § 38 Abs. 2 AsylVfG - anders als §§ 32, 71 Abs. 1 S. 2 AsylVfG und 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG - eine Gleichstellung von Rücknahme und Verzicht nicht regelt, letztlich für überzeugender als seine bisherige Auffassung. Zu Recht weist das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern auch darauf hin, dass die Monatsfrist dem Regelungszweck des § 14 a AsylVfG nicht zuwider läuft. Durch diese Vorschrift soll nämlich nur einer sukzessiven Antragstellung einzelner Familienmitglieder, die zu einer gestaffelten Durchführung mehrerer Asylverfahren innerhalb einer Familie (einschließlich Gerichtsverfahren) und erheblichen Verzögerungen der Aufenthaltsbeendigung führt, verhindert werden. Ein Bedürfnis, den Aufenthalt durch die Setzung einer Abschiebungsfrist von einer Woche abzukürzen, besteht nicht. Bei zeitnaher Einhaltung der Meldepflichten und gleichzeitiger Verzichtserklärung wird sich eine Ausreise binnen Wochenfrist häufig auch kaum realisieren lassen; wegen der geburtsbedingten Beeinträchtigungen von Mutter und Kind gilt dies insbesondere für Ausreisen kurz nach der Geburt. [...]