VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.04.2009 - 12 K 5676/04.F.A (1) - asyl.net: M15838
https://www.asyl.net/rsdb/M15838
Leitsatz:
Schlagwörter: Pakistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Immunsuppression, Infektionsgefahr, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, unter Abänderung des Bescheides vom 25.10.1993 festzustellen, dass für den Kläger im Hinblick auf Pakistan das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht. [...]

Für den Kläger besteht in Pakistan eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben aufgrund der Vielzahl der in Pakistan verbreiteten schweren Krankheiten und der erhöhten Infektanfälligkeit des Klägers infolge der fortbestehenden Immunsuppression.

In Pakistan besteht nach den in das Verfahren eingeführten reisemedizinischen Hinweisen eine erhöhte Infektionsgefahr für diverse Infektionskrankheiten, die durch verunreinigte Speisen oder Getränke übertragen werden, z.B. Hepatitis A, Typhus, Bakterienruhr, Amöbenruhr. Ebenso kommt landesweit Leishmaniase und Dengue-Fieber (Übertragung durch Parasiten bzw. Moskitos) vor. Nach dem eingeholten internistisch-infektiologischen Gutachten sind neben diesen Erkrankungen auch die Tuberkulose und Pneumonien, die die häufigste Todesursache in Pakistan darstellt, sehr häufige landesweite Erkrankungen.

Für den Kläger besteht aufgrund seiner fortbestehenden Immunsuppression die beachtliche und über die allgemeine Gefahr für die in Pakistan lebende Bevölkerung hinausgehende Wahrscheinlichkeit an einer oder mehrerer dieser Krankheiten bei einem Aufenthalt in Pakistan zu erkranken. Die Immunitätslage des Klägers ist nach dem internistischen Gutachten von Prof. Dr. ... dem internistisch-infektiologischen Gutachten von Frau Prof. Dr. ... und ihrer Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung am 28.04.2009 eingeschränkt. [...]

Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung ist beachtlich im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Sie ist nicht nur eine bloße Möglichkeit oder fern liegende Wahrscheinlichkeit. Dies gilt insbesondere für die Tuberkulose und die Pneumonie. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Frau Prof. Dr. ... besteht ein sehr deutliches Risiko einer Erkrankung an Tuberkulose, weil die Inzidenz dort mit 181 Fällen pro 100.000 Einwohner bereits sehr hoch ist und Patienten mit Lymphom-Erkrankungen ein deutlich, ca. 30-fach erhöhtes Risiko an einer Tuberkulose zu erkranken haben. Zur Pneumonie hat die Sachverständige die beachtliche Erkrankungswahrscheinlichkeit überzeugend damit begründet, dass untere respiratorische Infekte, d.h. vor allem Pneumonien, die häufigste Todesursache in Pakistan sind und gerade gegenüber dem Haupterreger Pneumokokkus eine reduzierte Abwehrlage bei der Vorerkrankung des Klägers bekannt ist. Beachtet man zudem die Vielzahl der Ansteckungsrisiken in Pakistan, kann es keinen Zweifeln begegnen, dass die Gefährdung des Klägers in Pakistan beachtlich ist, so dass eine konkrete Gefahr besteht. Die dem Kläger drohenden Erkrankungen sind schließlich auch erheblich. Dies zeigt sich bereits darin, dass untere respiratorische Infekte, vor allem Pneumonien nach dem Gutachten von Frau Prof. Dr. ... die häufigste Todesursache in Pakistan sind und auch die Mortalität einer Erkrankung an Tuberkulose hoch ist.

Die Erheblichkeit einer Erkrankung lässt sich nicht dadurch verneinen, dass Pneumonien, Tuberkulose, Typhus und die anderen Krankheitsbilder in spezialisierten Krankenhäusern behandelbar sind. Die Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung am 28.04.2009 nachvollziehbar dargelegt, dass insbesondere Pneumonien sehr schnell verlaufen und eine Behandlung im Krankenhaus deshalb oft zu spät kommt. Dies gilt auch für den Kläger. Bei einer Rückkehr nach Pakistan wäre der Kläger auf familiäre Unterstützung angewiesen, da er aufgrund seiner Vorerkrankung und seiner Infektanfäiligkeit nicht mehr arbeitsfähig ist. Familienangehörige leben nach seinen Angaben, an deren Glaubhaftigkeit keine begründeten Zweifel bestehen, allein in einem Dorf im Distrikt Chakwal, wobei die nächsten größeren Städte, Rawalpindi, Islamabad oder Jhelum ca. 100 Kilometer entfernt liegen, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln einer Reisezeit von 5 bis 6 Stunden entspreche. Angesichts dessen ist eine bei einer Erkrankung des Klägers notwendige schnelle Behandlung in einem Krankenhaus nicht möglich. [...]