Die Dublin II-Verordnung verstößt insoweit gegen höherrangiges Recht, als in Griechenland kein ausreichender Zugang zu einem geordneten Asylverfahren eröffnet ist.
Die Dublin II-Verordnung verstößt insoweit gegen höherrangiges Recht, als in Griechenland kein ausreichender Zugang zu einem geordneten Asylverfahren eröffnet ist.
(Leitsatz der Redaktion)
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Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin, vorläufig von ihrer Überstellung nach Griechenland abzusehen, ist zulässig, insbesondere steht dem nicht die Vorschrift des § 34 a Abs. 7 AsylVfG entgegen. Dies ist im vorliegenden Fall mit der Rechtsschutzgarantie des anzuwendenden Gemeinschaftsrechtes nicht vereinbar. Nach Art. 6 Abs. 2 des EU-Vertrages achtet die EU die Grundrechte der EMRK sowie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Hierzu gehört das Recht jedermanns, in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört zu werden und eine Entscheidung eines unabhängigen uni unparteiischen Gerichtes darüber zu erhalten. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Gewährleistung eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, um irreparable Entscheidungen bzw. unzumutbare Verzögerungen verhindern zu können. Dieser gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundsatz hat Anwendungsvorrang auch vor dem nationalen Verfassungsrecht.
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Antragstellerin kann beanspruchen, vorläufig nicht nach Griechenland zur Durchführung ihres Asylverfahrens überstellt zu werden. Nach der Regelung des Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO ist Griechenland zwar für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Das Gericht hält diese Vorschrift jedoch, soweit sie Griechenland betrifft, für mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Sie findet ihre Grundlage in Art. 63 Nr. 1 a EG-Vertrag. Dieser setzt voraus, dass die zuverlässige Einhaltung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vorn 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Europäischen Menschenrechtskommission in allen Mitgliedstaaten gesichert ist. Das Gericht hat ernstliche Zweifel, ob diese Voraussetzungen in Griechenland derzeit erfüllt werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet, einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde (Art. 33 Abs. 1 GK). Dies gebietet einen effektiven Zugang zum Asylverfahren wie auch eine hinreichende Prüfung des Asylgesuchs. Beides ist in Griechenland derzeit nicht gewährleistet. Lediglich einmal in der Woche können in Athen bei dem zuständigen Ausländerpolizeidirektorat Anträge auf Asyl gestellt bzw. hierfür Termine in Empfang genommen werden. Zwischen 2000 und 3000 Menschen stellen sich hier an, die teilweise schon in der Nacht vorher vor Ort warten. Auf Grund der begrenzten Kapazitäten werden jedoch maximal 350 - 400 Personen wöchentlich überhaupt zur Behörde vorgelassen (UNHCR an Verwaltungsgericht Hamburg vom 27.02.2009; Pro Asyl, Bericht vom 19.02.2009 "Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden in Griechenland"; Schweizerisches Bundesamt für Migration, Bericht vom 05.01.2009, Ländermonitor 2003, Nr. 1). Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass dies bei überstellten Dublin-Fällen anders ist. Neben der Schwierigkeit, ein Asylgesuch überhaupt anzubringen, tritt für den Asylsuchenden in Griechenland die Schwierigkeit, seine Asylgründe deutlich zu machen. Nach dem Bericht des UNHCR vom 15.04.2008 werden Asylsuchende auf Grund des Fehlens von Übersetzungsdiensten und Rechtsberatung oft in einer Sprache angehört, die sie nicht verstehen, und nicht über ihre Rechte im Asylverfahren beraten oder belehrt.
Die derzeitige Ausgestaltung des Asylverfahrens in Griechenland dürfte auch gegen die Rechtsschutzgarantie, die sich aus Art. 6 EMRK sowie aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, verstoßen. Griechenland trägt nach Einschätzung des Gerichtes nicht hinreichend Sorge dafür, dass die Entscheidungen über die Asylanträge den Asylsuchenden tatsächlich zur Kenntnis gegeben werden. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass die größte Zahl von Asylsuchenden in Griechenland obdachlos ist, so dass ihnen die Entscheidungen nicht zugestellt werden können, sondern öffentlich bekannt gemacht werden. Nach der Auskunft des UNHCR an des VG Frankfurt am Main vom 10.01.2008 hat Griechenland keine Kapazitäten, eine größere Anzahl von Asylsuchenden in Aufnahmezentren aufzunehmen, die vom Staat oder von nichtstaatlichen Akteuren geleitet werden. Es stehen nicht genügend Plätze zur Unterbringung aller Asylsuchenden, die eine solche benötigen, zur Verfügung. Die Chancen für neu ankommende Asylsuchende, eine Unterkunft bereitgestellt zu bekommen sind daher extrem beschränkt. Die Rechtsschutzgarantie wird darüber hinaus dadurch berührt, dass durch das Präsidialdekret Nr. 81 v. 30.06.2009, welches am 31.07.2009 in Kraft tritt, die zweite Instanz bei der Überprüfung von Asylanträgen abgeschafft wird (UNHCR vom 15.05.2009).
Für die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG-Vertrag bietet das vorliegende Eilverfahren keinen Raum, da die Entscheidung dringlich ist und der Antragstellerin sonst ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden, nämlich die Überstellung nach Griechenland, wo sie aus oben genannten Gründen Gefahr läuft, ohne substantielle Prüfung ihres Asylgesuches weitergeschoben zu werden. Wie sich aus der beigezogenen Akte der Antragsgegnerin ergibt, beabsichtigt diese die Überstellung nach Griechenland, da sie Griechenland darum ersucht hat.
Der Antragstellerin kann auch nicht zugemutet werden, erst die Zustellung des Bescheides des Bundesamtes für Migration Und Flüchtlinge abzuwarten, weil angesichts der Regelungen in § 34 a AsylVfG die Erlangung effektiven Rechtsschutzes vor Durchführung der Abschiebung dann wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig möglich wäre.
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Asylverfahren mittels ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zu übernehmen und durchzuführen bzw. über besagtes Selbsteintrittsrecht eine sachgerechte Ermessensentscheidung zu treffen, ist unzulässig, da er die Hauptsache vorwegnehmen würde.
Die hilfsweise unter der Bedingung des Erlasses eines Bescheides, in dem festgestellt wird, dass der Asylantrag der Antragstellerin gem. § 27 a AsylVfG unzulässig ist, gestellten Anträge, sind unzulässig, da die Antragstellung nicht an eine außerprozessuale Bedingung geknüpft werden kann. Gleiches gilt für die unter Ziff. 6 und 7 der Antragsschrift gestellten Anträge [...]