VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Beschluss vom 22.07.2009 - 8 E 20082/09 Me - asyl.net: M15909
https://www.asyl.net/rsdb/M15909
Leitsatz:

Vorbeugender Eilrechtsschutz hinsichtlich einer Dublin-Überstellung nach Griechenland.

Schlagwörter: Griechenland, Verordnung Dublin II, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Abschiebungsanordnung, vorbeugender Rechtsschutz, Asylverfahren, Aufnahmebedingungen, Dublin II-VO, Dublinverfahren,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AsylVfG § 34a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig.

Richtig ist insoweit, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Abschiebungsanordnung noch nicht ergangen ist. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass nach Artikel 18 I Abs. 7 der Dublin II-VO die dort genannte 2-Monatsfrist abgelaufen ist und damit eine Stattgabe des Aufnahmeersuchens vorliegt. Weiterhin kann auch nicht ausgeschlossen werden, da entsprechende normative Regelungen fehlen, dass die Ausländerbehörde eine Abschiebungsanordnung daraufhin unmittelbar gegenüber dem Antragsteller erlässt und ihn möglicherweise am gleichen Tage auch abschieben lässt. Dem Gericht liegen insoweit keine Erkenntnisse vor, dass dies bei den zuständigen Ausländerbehörden auch tatsächlich so gehandhabt wird; ausgeschlossen ist dies jedoch nicht, auch hat die Antragsgegnerin insoweit nicht signalisiert, dass sie durch administrative Regelungen Zeit für einen ausreichenden Rechtsschutz gewähren kann. Erschwert wird der Rechtsschutz dadurch, dass zwei Behörden der Antragsgegnerin, nämlich die Außenstelle des Bundesamtes in Hermsdorf sowie eine weitere Stelle des Bundesamtes in Dortmund und darüber hinaus die zuständige Ausländerbehörde involviert sind. Es liegt auf der Hand, dass allein unter diesen Gesichtspunkten die technische Erreichbarkeit der zuständigen Behörden zu Rechtsnachteilen im Sinne des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz führen kann (vgl. insoweit auch Schleswig-Holsteinisches VG, B. v. 05.09.2008 - 6 B 48/08 -).

Der Antrag ist auch begründet.

Der Antragsgegnerin ist es innerhalb der im Tenor genannten Frist zu untersagen, den Antragsteller nach Griechenland abzuschieben, damit er gegen eine zu erwartende Abschiebungsanordnung gerichtlich vorgehen kann. Das Gericht geht aufgrund der bislang vertretenen Auffassung davon aus, dass alsbald eine Abschiebungsanordnung ergehen wird. Der im Tenor getroffenen Regelung steht zwar § 34 a Abs. 2 AsylVfG nach dem Wortlaut entgegen, als danach nämlich die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 94, 49 ff.) sieht im Rahmen des Konzeptes normativer Vergewisserung aber dann einen Durchbrechung des Grundsatzes der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes als möglich an, wenn im Einzelfall dem Betreffenden im Falle seiner Abschiebung oder Überstellung in den sicheren Drittstaat u.a. gravierende Gefahren für Leib und Leben drohen. Insoweit hat der Bevollmächtigte des Antragstellers umfänglich dargelegt, dass solche Bedenken bestehen, was auch für Personen gilt, die der Dublin II-VO unterliegen. Auf diese Ausführungen kann Bezug genommen werden, zu einem gewissen Teil werden diese Bedenken auch von der Antragsgegnerin geteilt. Darüber hinaus werden die bestehenden Probleme auch in der Tagespresse formuliert (vgl. z. Bsp. FAZ vom 21.07.2009 Seite 4). Von daher bedarf es einer Regelung zugunsten des Antragstellers, damit dieser im Falle einer Abschiebungsanordnung hinreichend Zeit hat, sein persönliches Schicksal und seine persönliche Situation auch im Hinblick auf die allgemeine Rechts- und Sachlage gerichtlich geltend zu machen. Die Anordnung ist damit im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch nötig. Inwieweit sich aus einer solchen Anordnung Rechtsfolgen gemäß Artikel 19 Abs. 3 Dublin II-VO für das weitere Verfahren ergeben, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. z. Bsp. VG Sigmaringen, U. v. 26.03.2009 - A 2 K 1821/08 -). [...]