Zeiten geduldeten Aufenthalts zählen nicht zur Fünf-Jahres-Frist zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts gem. § 4 a FreizügG/EU; die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts eines Unionsbürgers ist nur innerhalb von fünf Jahren seit tatsächlicher Begründung des ständigen Aufenthalts in Deutschland möglich; auf den rechtlichen Status kommt es nicht an; die Frist beginnt auch dann mit der Begründung des ständigen Aufenthalts, wenn das Herkunftsland erst danach der EU beigetreten ist (hier: Rumänien).
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO hat zum überwiegenden Teil Erfolg, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung des bedürftigen Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. [...]
1. Die Verfügung des Beklagten ist insoweit rechtswidrig, als sie den Verlust des Freizügigkeitsrechts des Klägers feststellt.
a) Der Kläger kann sich jedoch nicht darauf berufen, Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4 a FreizügG/EU zu sein, so dass aus diesem Grund die erfolgte Verlustfeststellung ins Leere gehe. Diesbezüglich kann dahingestellt bleiben, ob der für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU erforderliche fünfjährige rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, dass der Unionsbürger während dieser Zeit gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz EU gewesen ist (ablehnend etwa OVG Brandenburg, Urteil vom 28. April 2009, - 2 B 22.07 -, Juris), oder ob auch sonstige Aufenthaltstitel geeignet sind, einen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt zu vermitteln. Denn in der Vergangenheit wurde und derzeit wird der Kläger lediglich geduldet. Eine Duldung vermittelt indes keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU (Epe, in: GK-AufenthG, § 4 a FreizügG/EU Rn. 14).
b) Rechtsgrundlage der von dem Beklagten verfügten Verlustfeststellung kann § 5 Abs. 5 des Gesetzes für die Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) sein. [...]
Die Voraussetzungen einer solchen Verlustfeststellung liegen indes nicht sämtlich vor. Der Kläger ist zwar weder als Arbeitnehmer (aa) noch als niedergelassener selbständiger Erwerbstätiger (bb) noch als nicht erwerbstätiger Unionsbürger (cc) gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt. Da jedoch seit seiner Einreise in das Bundesgebiet, dem 7. April 2000, schon mehr als fünf Jahre vergangen sind, in denen er hier seinen ständigen Aufenthalt hatte, kann die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU nicht mehr getroffen werden (dd). Dies führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides und zu einer subjektiven Rechtsverletzung des Klägers In Bezug auf die getroffene Verlustfeststellung. Besteht das Freizügigkeitsrecht des Klägers aus Art. 18 EGV fort, so ist das AufenthG gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG auf den Kläger nicht anwendbar, so dass sich eine der Bestandskraft fähige Regelung, mit der ihm nach diesem Gesetz ein Aufenthaltstitel verweigert wird, als Belastung darstellt, die mangels gesetzlicher Grundlage ebenfalls durch einen kassatorischen Ausspruch zu beseitigen sein wird. Demgegenüber hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG (2.). [...]
(dd) Jedoch ist die Frist des § 5 Abs. 5 FreizügG/EU offensichtlich abgelaufen. Voraussetzung einer Verlustfeststellung ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 5 FreizügG/EU, dass die Verlustfeststellung innerhalb von fünf Jahren nach der Begründung eines ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet erfolgt. Anders als § 4 a FreizügG/EU stellt § 5 Abs. 5 nicht auf einen fünfjährigen gemeinschaftsrechtlich rechtmäßigen Aufenthalt, für den das Beitrittsdatum des Herkunftslandes der frühestmögliche Zeitpunkt ist (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2009, - 2 B 22.07 -, Juris), sondern nur auf einen tatsächlichen Aufenthalt ab. Dieser ständige Aufenthalt wird in der Regel durch eine Wohnsitznahme im Bundesgebiet begründet (Epe, a.a.O., § 5 FreizügG/EU Rn. 43). Eine derartige Wohnsitznahme rechtfertigt die Vermutung, der Betroffene beabsichtige, sich nicht nur kurzfristig und vorübergehend im Bundesgebiet aufzuhalten. Diese Frist begann angesichts der unstreitigen Einreise des Klägers im April 2000 jedenfalls nach Ablauf des ihm erteilten Visums zu laufen und war jedenfalls zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides im Februar 2009 abgelaufen.
Für dieses Ergebnis ist es unerheblich, dass Rumänien der Europäischen Union erst zum 1. Januar 2007 beigetreten ist. Insbesondere hat nicht erst mit dem Beitritt Rumäniens zur EU der Lauf der Fünfjahresfrist begonnen.
Hierfür lassen sich schon im Wortlaut der Norm keinerlei Anhaltspunkte finden. Eine von diesem Wortlaut abweichende Regelung speziell zu der Frage der Berechnung der Frist des § 5 Abs. 5 FreizügG/EU Im Falle des Beitritts eines Staates zu Europäischen Union enthält das FreizügG/EU nicht.
Auch das Gemeinschaftsrecht steht einer solchen Sichtweise entgegen. Nach Art. 18 Abs. 1 EGV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Die Vorschrift begründet ein subjektiv-öffentliches Recht, das dem Unionsbürger unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme unmittelbar zusteht, und gewährleistet das Recht, aus einem Mitgliedsstaat auszureisen, in einen anderen Mitgliedsstaat einzureisen und sich dort ohne zeitliche und grundsätzlich ohne inhaltliche Begrenzung aufzuhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1999, - BVerwG 6 C 30.98 -, BVerwGE 110, 40 [53]). Es handelt sich insoweit um eine "politische Grundfreiheit", welche das aus den wirtschaftlich motivierten Verkehrsfreiheiten folgende Aufenthaltsrecht überlagert (BVerwG, Urteil vom 10. November 1999, - BVerwG 6 C 30.98 -, BVerwGE 110, 40 [53]). Einem Angehörigen eines Mitgliedsstaats kann deshalb bereits aufgrund seiner Unionsbürgerschaft in unmittelbarer Anwendung von Art. 18 Abs. 1 EGV ein Aufenthaltsrecht zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002, Rs. C-413/99 [Baumbast und R. gegen Secretary of State for the Home Department], NJW 2002, 3610; EuGH, Urteil vom 7. September 2004, Rs. C-456/02 [Michel Trojani gegen Centre public d'aide sociale de Bruxelles (CPAS)], InfAuslR 2004, 417; EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007, Rs. C-50/06 [Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande], InfAuslR 2007, 266 [267]). Dies gilt auch für die am 1. Januar 2007 neu hinzugekommenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien. Übergangsregelungen bestehen insoweit nicht, (vgl. Epe, in: GK-AufenthG, Stand: April 2008, RdNr. 4 und 57 zu § 13 FreizügigkeitsG/EU m.w.N.). Regelungen, die die Freizügigkeit der Unionsbürger betreffen, sind weiterhin diesen günstig weit auszulegen (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007, Rs. C-50/06 [Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande], InfAusIR 2007, 266 [267]).
Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002, Rs. C-224/98 [Marie-Nathalie D'Hoop gegen Office national de l'emploi], Slg. 2002. I-6101, der sich die Kammer anschließt, verleiht Artikel 8 EGV jedem den Status eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitglied Staats besitzt. Da der Kläger Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats - Rumänien - ist, steht ihm dieser Status zu. Dieser Unionsbürgerstatus soll bestimmungsgemäß der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, die, wenn sie sich in der gleichen Situation befinden, aufgrund dieses Status im sachlichen Geltungsbereich des EG-Vertrags vorbehaltlich der hiervon ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit Anspruch auf gleiche rechtliche Behandlung haben (EuGH, Urteil vom 20. September 2001, Rs. C-184/99 [Rudy Grzelczyk gegen Centre public d'aide sociale d'Ottignies-Louvain-la-Neuve], Slg. 2001, I-6193, Rdnr. 31).
In den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen u.a. Situationen, in denen es um die Ausübung der im EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten, namentlich der In Artikel 18 EG verliehenen Freiheit geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten (EuGH, Urteile vom 24. November 1998, Rs, C-274/96, [Strafverfahren gegen Horst Otto Bickel und Ulrich Franz], SIg 1998, I-7637, Rdnrn. 15 und 16, sowie Grzelczyk, a.a.O., Rdnr, 33), Eine Differenzierung danach, ob die Begründung ständigen Aufenthalts noch zu solchen Zeiten erfolgte, in denen kein Unionsbürgerstatus bestand, ist daher nicht möglich, da sie den umfassenden Status der Staatsangehörigen bestimmter Mitgliedsstaaten relativieren würde, Hierdurch werden Ausländerbehörden auch nicht unzumutbar benachteiligt. Dem Beklagten war während der gesamten Dauer des Aufenthalts des Klägers - auch nach dem Beitritt Rumäniens zur EU - positiv bewusst, dass der Kläger auf öffentliche Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen war, ohne dass er das Verfahren nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU zeitnah betrieben hätte. Zudem bestand nach § 11 Abs. 1 Satz 4 FreizügG/EU in Verbindung mit § 87 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG eine Miteilungsverpflichtung der Träger der Sozialleistungen an die Ausländerbehörde.
2. Besteht das Freizügigkeitsrecht des Klägers aus Art. 18 EGV fort, so ist das AufenthG gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG auf den Kläger nicht anwendbar, so dass sich eine der Bestandskraft fähige Regelung, mit der ihm nach diesem Gesetz ein Aufenthaltstitel verweigert wird. als Belastung darstellt, die mangels gesetzlicher Grundlage ebenfalls durch einen kassatorischen Ausspruch zu beseitigen sein wird. [...]