VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 05.08.2009 - A 3 K 1842/08 - asyl.net: M16026
https://www.asyl.net/rsdb/M16026
Leitsatz:

Einem anerkannten Flüchtling darf nicht die Abschiebung angedroht werden, auch nicht in einen Drittstaat.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Abschiebungsandrohung, Konventionsflüchtlinge, Ausreisepflicht
Normen: AsylVfG § 34 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 10
Auszüge:

[...]

Hinsichtlich des noch zur Entscheidung gestellten verbleibenden Streitgegenstandes ist die als Anfechtungsklage statthafte Klage zulässig und begründet. Die Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Voraussetzung für eine asylverfahrensrechtliche Abschiebungsandrohung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG ist seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 u.a., dass dem Ausländer nicht gem. § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Roth, in: Hailbronner, AuslR, 64. Akt. Juni 2009, § 34 Rdnr. 1, 20; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Nov. 2007, § 34 Rdnr. 48, 101). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2009 der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylVfG). Es fehlt somit an einer Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG.

Der Klägerin durfte die Abschiebung in die Russische Föderation auch nicht gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 10 AufenthG angedroht werden. Ausweislich des Wortlautes des § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG gilt die Verweisung auf § 60 Abs. 10 AufenthG nur in Fällen, in denen dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde. Damit verbleiben für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 10 AufenthG im Wesentlichen solche Konstellationen, in denen trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG z.B. gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde (vgl. Marx, AsylVfG, 7. Auf). 2009, § 34 Rdnr. 26 f.).

Schließlich erachtet die neuere Literatur mit unterschiedlichen Begründungen (vgl. Hailbronner, AuslR, 60. Akt. Okt. 2008, § 60 Rdnr. 265; Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Febr. 2009, § 60 Rdnr. 97) den Erlass einer Abschiebungsandrohung im Fall der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insofern regelmäßig für unzulässig, als § 25 Abs. 2 S. 1 AufenthG bestimmt, dass dem Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist und sein Aufenthalt bis zur Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis als erlaubt gilt (vgl. § 25 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG). Nach Auffassung des Gerichts folgt dies aus dem allgemeinen ausländer- und vollstreckungsrechtlichen Grundsatz, dass Voraussetzung des Erlasses einer Abschiebungsandrohung zumindest das Bestehen einer Ausreisepflicht ist (vgl. nur Hailbronner, AuslR, 64. Akt. Juni 2009, § 59 AufenthG Rdnr. 13). An einer solchen fehlt es aber jedenfalls wegen der Fiktionswirkung der § 25 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin als Flüchtling anerkannt im Sinne des § 3 Abs. 4 AsylVfG. Da keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich sind, die der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin entgegen stehen könnten, hat sie gem. § 25 Abs. 2 S. 1 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und gilt ihr Aufenthalt bis zur Erteilung der Erlaubnis als erlaubt. Die Abschiebungsandrohung in die Russische Föderation ist folglich auch mangels Ausreisepflicht der Klägerin rechtswidrig. [...]