VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Beschluss vom 07.09.2009 - AN 14 E 09.30142 - asyl.net: M16042
https://www.asyl.net/rsdb/M16042
Leitsatz:

Vorläufiger Stopp einer Dublin-Überstellung eines irakischen Yeziden nach Griechenland wegen Gefahr der Kettenabschiebung; Griechenland versucht, auf dem Seeweg einreisende Flüchtlinge durch menschenrechtswidrige Praktiken außerhalb des griechischen Festlandes zu belassen oder sie illegal in die Türkei zu schaffen, und praktiziert kein Verwaltungsverfahren, das sicherstellt, dass jeder Asylsuchende einen Asylantrag stellen kann.

Schlagwörter: Griechenland, Verordnung Dublin II, Abschiebungsanordnung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, vorbeugender Rechtsschutz, Drittstaatenregelung, normative Vergewisserung, Rechtsweggarantie, EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, Genfer Flüchtlingskonvention, GFK, Kettenabschiebung, Irak, Türkei, Jesiden, Asylverfahren, Verfahrensrichtlinie, Aufnahmebedingungen, menschenrechtswidrige Behandlung, Unterzeichnerstaaten
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AsylVfG § 31 Abs. 1 S. 4; AsylVfG § 34a Abs. 2; AsylVfG § 29a; EG Art. 63; GG Art. 19 Abs. 4; EMRK Art. 6
Auszüge:

Vorläufiger Stopp einer Dublin-Überstellung eines irakischen Yeziden nach Griechenland wegen Gefahr der Kettenabschiebung; Griechenland versucht, auf dem Seeweg einreisende Flüchtlinge durch menschenrechtswidrige Praktiken außerhalb des griechischen Festlandes zu belassen oder sie illegal in die Türkei zu schaffen, und praktiziert kein Verwaltungsverfahren, das sicherstellt, dass jeder Asylsuchende einen Asylantrag stellen kann.

(Leitsatz der Redaktion)

[...]

Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig und begründet. Ein Anordnungsgrund liegt vor, da der Abschiebungsbeschluss (vom 6.3.2009) bereits im Entwurf in der Akte enthalten ist und die Beklagte jederzeit die Abschiebung nach Aushändigung des Beschlusses einleiten kann (§ 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG). Griechenland hat mit Schreiben vom 18, März 2009 die Übernahme des Antragstellers zugesagt.

§ 34 a Abs. 2 AsylVfG steht einer Entscheidung gemäß § 123 VwGO im vorliegenden Fall nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG grundsätzlich nicht nach § 123 VwGO ausgesetzt werden. Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass der Antragsteller am 22. August 2008 sich auf Patmos aufgehalten hat und dann ohne das Dublin-Territorium wieder zu verlassen illegal in das Bundesgebiet eingereist ist. Auf ein Übemahmeersuchen an Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wurde von den griechischen Behörden die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-Verordnung) vom 18. Februar 2003 anerkannt.

Die Dublin II-Verordnung beruht einerseits wie jede auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Voraussetzung, dass die zuverlässige Einhaltung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 der Dublin II-Verordnung und Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 a EGV). Zudem gehört ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 EMRK) zu den Rechtsgrundsätzen der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland. Der Europäische Rat hat es allerdings hingenommen, dass in der Praxis Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten der EU hinsichtlich der Aufnahme von Asylsuchenden und der Behandlung von Asylanträgen bestehen, die jedoch durch die erlassenden Richtlinien und die Umsetzung in erforderliche Nationale Rechtsvorschriften schrittweise durch harmonisierte Standards ausgeglichen werden. Im Fall Griechenlands hat sich - wie später noch gezeigt werden wird - diese Erwartung nicht erfüllt. Wenn aber einem Ausländer bei oder nach einer Abschiebung entgegen dem normativen Vergewisserungskonzept Gefahren drohen, die ihn ohne einstweiligen Rechtsschutz schutzlos belassen würden, wäre § 34 a AsylVfG verfassungswidrig, wenn er nicht verfassungskonform entsprechend reduziert würde. Die Vorschrift muss daher verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass einstweiliger Rechtsschutz gegen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nur dann nicht zulässig sein soll, wenn die Wahrnehmung der Rechte im Drittstaat generell gewährleistet ist.

Ein Ausländer kann daher von der Bundesrepublik Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Heimatstaat nicht mit der Begründung einfordern, für ihn individuell, bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Konvention und der EMRK nicht erfüllt würden. Der Ausländer ist auch mit der Behauptung ausgeschlossen, in seinem Fall werde der Drittstaat - entgegen seiner sonstigen Praxis - Schutz verweigern. Auch auf niemals völlig auszuschließendes Fehlverhalten der Behörden im Drittstaat, das zu einer Weiterschiebung in den Herkunftsstaat führen könnte, kann sich der Ausländer nicht berufen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 und BvR 2315/93) kann der Ausländer eine Prüfung über § 123 VwGO grundsätzlich nur dann erreichen, wenn es sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der im Anschluss genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. [...]

Im vorliegenden Fall deuten zahlreiche Berichte, Recherchen und Dokumente zuverlässig darauf hin, dass sich Griechenland entweder von der Konventionsverpflichtung nachträglich wieder gelöst hat oder diese von vorne herein nie eingehalten, hat und dadurch Ausländern, die in ihrem Heimatstaat Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten haben, keinen Schutz gewährt. Dem Antragsteller ist daher entgegen § 34 a Abs. 2 AsylVfG vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.

Der Antrag nach § 123 VWGO ist daher zulässig und er ist auch in der Sache begründet. Es ist auch ein Anordnungsanspruch gegeben, da nach den Erkenntnissen des Gerichts befürchtet werden muss, dass der Antragsteller keinen effektiven Zugang zum Asylverfahren erhält und dort seine Asylgründe nicht im Einklang mit den Mindestnormen der Richtlinie 2005/85/EG (Art. 6 bis 18) gewürdigt werden.

Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt nach eingehender Abwägung der in Frage stehenden Schutzgüter das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Auch 2009 rät der UNHCR bis auf weiteres von der Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung abzusehen (Stellungnahme an das VG Frankfurt vom 23.1.2009), da eine beträchtliche Anzahl Asylsuchender weiterhin ernsthaften Schwierigkeiten ausgesetzt ist, Zugang zu effektivem Schutz unter Beachtung internationaler und europäischer Standards zu erhalten. Da der Antragsteller im Anhörungsverfahren vor dem Bundesamt glaubwürdig vorgetragen hat, er sei Yezide und die Araber töteten Yeziden in seiner Heimat, sind auf Seiten des Antragstellers durch die Gefahr einer Kettenabschiebung überragende Schutzgüter bedroht, so dass die Aussetzung des Vollzugs für die Dauer von sechs Monaten geboten war. Die Einschätzung des Antragstellers über seine Gefährdung in der Heimat wird unter anderem bestätigt im Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak des Auswärtigen Amtes vom 12. August 2009. Hier wird darauf hingewiesen, dass Yeziden im Nordirak erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch durch Sicherheitskräfte ausgesetzt seien. Es wird berichtet von der Ermordung von 24 yezidischen Arbeitern im April 2007 durch islamische Terroristen, der Zunahme der Angriffe in der Folgezeit wegen Spannungen zwischen Arabern und Kurden in Mossul und von einem Sprengstoffattentat im August 2007, bei dem 400 Angehörige der yezidischen Minderheit starben.

Das Gericht ist insbesondere auf Grund der nachstehend genannten Erkenntnismittel davon überzeugt, dass bei einer Rückschiebung des Antragstellers nach der Dublin II-Verordnung nach Griechenland mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchtet werden muss, dass die griechischen Behörden versuchen werden, sich ohne jede inhaltliche Prüfung des asylrechtlichen Schutzgesuches des Antragstellers sich seiner etwa durch eine Abschiebung in die Türkei zu entledigen. Dabei schadet es nach Auffassung des Gerichts nicht, dass Griechenland dem Anschein nach seine durch die Konvention übernommenen Verpflichtungen zum Teil von vorne herein nicht eingehalten hat, vielmehr verstärkt dieser Umstand das Bedürfnis, dem Antragsteller in verfassungskonformer Auslegung des § 34 a AsylVfG einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO zu gewähren. [...]

Nach Auswertung dieser Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung zahlreicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit (z.B.: Beschluss des VG Karlsruhe vom 23.6.2008 - A 3 K 1412/08 -, Beschluss des VG Frankfurt vom 11.1.2008 - 7 G 3911/07.A -, Beschluss des VG Ansbach vom 22.7.2008 - AN 3 E 08.30292 -, Beschluss des VG Gießen vom 25.4.2008 - 2 L 201/08. GI.A -, Beschluss des VG Augsburg vom 13.6.2008 - Au 5 E 08.30069 -, Beschluss des VG Schleswig vom 16.6.2008 - 6 B 18/08 -, Beschluss des VG Koblenz vom 9.7.2008 - 1 K 353/08.KO -, Beschluss des VG des Saarlandes vom 23.7.2008 -, Beschluss des VG Hamburg vom 21.8.2008 - 8 AE 368/08 -, Beschluss des VG Magdeburg vom 5.2.2009 - 5 B 39/09-, Beschluss des VG Würzburg vom 10.3.2009 - W 4 K 08.30122 -) verdichtet sich beim Gericht der Eindruck, dass Griechenland zum einen versucht, illegal auf dem Seeweg einreisende Flüchtlinge auch durch Anwendung menschenrechtswidriger Praktiken außerhalb des griechischen Festlandes zu belassen und/oder sie illegal in die Türkei (zurück) zu schaffen, zum anderen, dass in Griechenland kein Verwaltungsverfahren praktiziert wird, das sicherzustellen in der Lage ist, dass jeder Flüchtling einen Asylantrag stellen kann, er in seiner Muttersprache seine Beweggründe vortragen kann, diese geprüft und verbeschieden werden und diese Bescheide den Flüchtlingen in einer verständlichen Sprache zur Kenntnis gebracht werden mit der Möglichkeit, dagegen rechtliche Schritte einzuleiten (vgl. dazu die Richtlinie über Mindestnormen für das Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Anerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 1.12.2005 - Richtlinie 2005/85/EG des Rates in Art. 6 bis 18 sowie Art. 15 bis 17 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates - sog. Qualifikationsrichtlinie -). Nach den ausgewerteten Erkenntnismitteln steht fest, dass Griechenland über eklatant zu wenige Aufnahmeplätze für Flüchtlinge verfügt, Anhörungen dort jedenfalls immer wieder ohne Dolmetscher erfolgen und damit die inhaltliche Asylbegründung nicht zur Kenntnis der entscheidenden Behörden gelangt, eine Kenntnisnahme der ablehnenden Bescheide durch die Flüchtlinge nicht gesichert ist und auf die individuellen Asylgründe in den Bescheiden regelmäßig nicht eingegangen wird. Dies führt zu minimalen Anerkennungsquoten (im Jahr 2006 erhielt kein einziger Iraker eine Anerkennung als Flüchtling; 2007 lag die Anerkennungsquote bei 0,6 % - bei 5.474 irakischen Antragstellern -, der niedrigsten Europas), langen administrativen Inhaftierungsphasen gerade auch von Dublin-Rückkehrern und zur Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit der Flüchtlinge nach illegaler Einreise. Die durch die mangelnde Aufnahmekapazität hervorgerufene Obdachlosigkeit wiederum führt zu der erheblichen Gefahr von Rechtsnachteilen, da ablehnende Bescheide bei fehlendem Wohnsitz öffentlich zugestellt werden.

Nicht zuvörderst die Zustände im griechischen Polizeigewahrsam, die Berichte von Misshandlungen und erbärmlichen Zuständen im Auffanglager führen zu einem Anordnungsanspruch, sondern die Gefahr, dass der Antragsteller die von ihm befürchtete Gefährdung bei einer Rückkehr in seine Heimat als Yezide nicht zum Ausdruck bringen kann, da er keine Gelegenheit erhält, mittels eines Dolmetschers seine Gründe vorzutragen oder die Behörden bei ihrer ablehnenden Entscheidung auf diese Gründe nicht eingehen und er dagegen keinen effektiven Rechtsschutz in Griechenland erlangen kann und somit die Gefahr einer Abschiebung über die Türkei in den Irak besteht. Dass diese Gefährdung auf der Hand liegt zeigt ein Vorfall, der in einer Presseerklärung des UNHCR vom 26. Juli 2007: UNHCR deplores reported forced return of 135 Iraqis by Turkey berichtet wird. Der UNHCR bestätigt, dass eine Gruppe von 135 irakischen Flüchtlingen von den türkischen Behörden auf dem Weg nach Griechenland inhaftiert wurde. Sie wurden anschließend in den Irak abgeschoben. In diesem Zusammenhang berichtet PRO ASYL über die Situation von Flüchtlingen in der Ägäis und die Praktiken der griechischen Küstenwache (The truth may be bitter, but it must be told), dass seit Anfang 2007 die Türkei verstärkt irakische Flüchtlinge auf Grundlage des Rücknahmeprotokolls mit Griechenland zurücknimmt. Die Abschiebung irakischer Flüchtlinge finde über das Evros-Gebiet, insbesondere über die Kipoi-Grenzstation statt. Irakische Flüchtlinge werden von den Inseln Chios oder Samos nach Evros gebracht und in die Türkei abgeschoben.

Die behauptete Furcht des Antragstellers vor einer Kettenabschiebung in den Irak erfüllt nach der Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse die strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Darlegung eines Sonderfalles stellt.

Diese Situation hat sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedenfalls nicht verbessert. Zwar wurden neue Aufnahmekapazitäten in Griechenland geschaffen, es fehlt bei einem anhaltenden Flüchtlingsstrom aber immer noch an Unterbringungsmöglichkeiten. Nach einer Auskunft des AA an das VG Stuttgart vom 14. Juli 2009 (508-516.80/46139) gab es 2008 in Griechenland 146.337 Personen, die als illegal eingereiste oder aufhältige Ausländer festgestellt wurden. Die Dunkelziffer der darin nicht erfassten Ausländer sei schwer zu schätzen. Im gleichen Jahr seien rund 20.000 Asylanträge angenommen worden und in erster und zweiter Instanz insgesamt 339 irakischen Staatsangehörigen Asyl gewährt worden. Nach Angaben der griechischen Regierung existieren (Petition von PRO ASYL an den deutschen Bundestag vom Februar 2008) 40.000 unbearbeitete Anträge. Besorgnis erregt auch die Meldung, dass Griechenland die Abschaffung der zweiten Asylinstanz plant. Anstelle der zur Zeit noch bestehenden Widerspruchsmöglichkeit soll künftig nur noch eine Beschwerde beim Staatsrat zulässig sein. Die Anforderung der Unabhängigkeit an die zweite Instanz (Europarat-Menschenrechtsstandard) ist damit nicht erfüllt.

In Übereinstimmung mit den Befürchtungen z.B. von PRO-ASYL steht der Fall des irakischen Staatsangehörigen Walid M.A., der in einer kleinen Anfrage (BT-Drs. 16/12548) mit dem Titel: "Widersprechende Angaben zur Situation des griechischen Asylsystems" dargestellt wird. In diesem Fall hat sich bestätigt, dass am Flughafen eine.Befragung ohne Dolmetscher durchgeführt wurde, bei Obdachlosigkeit die Bescheide öffentlich zugestellt werden und keinerlei Hilfe zum Lebensunterhalt bereitgestellt wurde. In der Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 16/12647) werden Defizite bei der Anwendung der einschlägigen Regelungen des EG-Rechts, insbesondere im Hinblick auf die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten, z.B. hinsichtlich Dolmetschern, Personen in den Entscheidungsinstanzen und Unterkünften nicht ausgeschlossen. Auf eine großzügige Ausübung des Selbsteintrittsrechts wird hingewiesen.

Die dem Gericht im Verfahren übersandte Auskunft des Bundesamtes an das VG Frankfurt vom 5. Januar 2009 bezieht demgegenüber keine Stellung zu den aufgeworfenen Fragen. Hier ist die Rede von der Hinzuziehung von sprachkundigem Personal" bei der Befragung am Flughafen, obwohl entscheidend wäre, ob es sich um Dolmetscher oder um Flugbegleiter(innen (so aber PRO ASYL) handelt, es ist die Rede davon, dass für Überstellte, soweit sie nicht über Kontakte zu Verwandten oder Freunden verfüge, über das Gesundheitsministerium eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung bzw. in Hotels oder Mietwohnungen gesucht werde, angesichts der Tatsache, dass die wenigen Aufnahmeeinrichtungen notorisch überbelegt sind und der sich daraus ergebenden Frage, wie viele Asylbewerber in Wohnungen tatsächlich untergebracht werden, und da ist die Rede von einer "Serviceleistung" der zentralen Ausländerbehörde, wenn sie nur am Wochenende, nicht aber unter der Woche, Asylanträge entgegennimmt. Tatsächlich legt diese Praxis nahe, dass es eben nicht jederzeit möglich ist, einen Asylantrag zu stellen, da der Zugang zu dem einzigen Gebäude, in dem dies möglich ist, kontingentiert bzw. an fünf Tagen der Woche verschlossen ist. Überhaupt keine Ausführungen erfolgen zu der dringlichen Frage der Rechtsschutzverweigerung durch öffentliche Zustellung der ablehnenden Bescheide an all jene Asylbewerber, die obdachlos sind. Ungeklärt bleibt auch, durch weiches Verfahren sichergestellt worden sein soll, dass Dublin-Rückkehrer, anders als alle anderen Asylbewerber, jederzeit Zugang zur Zentralen Ausländerbehörde in der Petrou-Ralli-Strasse in Athen haben und somit ihren Wohnsitz anmelden können.

Der Aufforderung des Gerichts, den Dienstreisebericht über den Arbeitsbesuch des Bundesamtes in Griechenland im Jahre 2008 vorzulegen, der weiteren Aufschluss über die tatsächlichen Zustände in Griechenland geben könnte, ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen. [...]

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf den Standpunkt stellen, sie unterstelle auf Grund der zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Zusammenarbeit den Mitgliedsstaaten per se, dass sie die menschenrechtlichen Verpflichtungen beachten. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Vertragsstaaten der EMRK nicht von ihren vertraglichen Verpflichtungen befreit sind, wenn sie internationale Institutionen und Übereinkommen schaffen, um die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich des Asyl- und Flüchtlingsrechts zu fördern.

Sie können sich ihrer Verpflichtungen dadurch nicht entledigen, sind vielmehr verpflichtet, auch bei Rücküberführungen nach der Dublin II-Verordnung die Relevanz von Artikel 3 EMRK zu prüfen (Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Nr. 43844/98 (2000) - 12 IJRL 244-267 in: InfAuslR 7/8-2000, Seite 321 ff.). Dies hat zur Folge, dass dann, wenn ein Asylbewerber schlüssig und überzeugend vorträgt, ihm drohe in Griechenland eine Kettenabschiebung in den Verfolgerstaat, in dem ihm wiederum Folter oder unmenschliche Behandlung drohe, sich eine Überstellung nach der Dublin II-Verordnung verbietet.

Das Gericht macht sich die geschilderten Erkenntnisse zu eigen und beurteilt die Befürchtung des Antragstellers, in Griechenland keinen Zugang zu einem geordneten Asylverfahren zu erhalten, in menschenrechtswidriger Weise behandelt zu werden und sich in der konkreten Gefahr einer Kettenabschiebung über die Türkei in den Irak zu befinden, als glaubwürdig und wahrscheinlich. [...]