VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 13.05.2009 - 1 L 162/09 - asyl.net: M16066
https://www.asyl.net/rsdb/M16066
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Zuweisung nach § 15a AufenthG, da die Antragstellerin ein Kind von einem deutschen Mann erwartet.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Suspensiveffekt, Zuweisung, Verteilung, Schutz von Ehe und Familie, Schwangerschaft
Normen: VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, AufenthG § 15a Abs. 4 S. 1
Auszüge:

[...]

Ausländer können nicht darauf verweisen werden, ihrer durch § 15 a Abs. 1 Satz 6 AufenthG geschützten Interessen über das Umverteilungsverfahren nach § 15 a Abs. 5 AufenthG Geltung zu verschaffen, wenn sie - wie hier die Antragstellerin - die wichtigen Gründe vor Verteilungsveranlassung vorgetragen haben (vgl. vorläufige Anwendungshinweise zum AufenthG Nr. 15 a.5 Abs. 5).

Nach summarischer Prüfung geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin vor Veranlassung der Verteilung zwingende Gründe nachgewiesen hat, die ihrer Verteilung nach Dorsten, Kreis Recklinghausen, entgegenstehen. Ausweislich des Verwaltungsvorganges hat die Antragstellerin über ihren Prozessbevollmächtigten bereits gegenüber der Ausländerbehörde am 2. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass sie mit dem künftigen Kindesvater die Ehe eingegangen sei und dieser der Erzeuger des von ihr zu erwartenden Kindes sei. Am 24. Februar 2009 erschien der deutsche Ehemann ghanaischer Abstammung der Antragstellerin bei der Ausländerbehörde und trug ebenfalls vor, dass seine Ehefrau seit Oktober 2008 bei ihm lebe und sie ein Kind von ihm erwarte. Anhand der Recherchen der Ausländerbehörde und der Auswertung der erkennungsdienstlichen Behandlung der Antragstellerin wurde festgestellt, dass die Antragstellerin bereits zweimal über die Deutsche Botschaft ihre Einreise zu ihrem Ehemann nach Deutschland begehrt hatte. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens legte die Antragstellerin sodann die Kopie eines "Certificate of Marriage" vom 25. September (Jahreszahl unbekannt) vor, wonach sie in der Stadtverwaltung von Komasi mit dem zukünftigen Kindesvater die Ehe eingegangen ist.

Diese Einlassungen sind von der Antragsgegnerin bei der Zuweisungsentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ob es sich hierbei um eine in Deutschland anzuerkennende Eheschließung handelt, kann im summarischen Verfahren nicht beurteilt werden. Vor diesem Hintergrund muss auch offenbleiben, ob ein Fall der Zusammenführung von Ehegatten in einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 15 a Abs. 1 Satz 6 AufenthG vorliegt.

Gleichzeitig hat die Antragstellerin aber geltend gemacht, auf Grund ihrer Schwangerschaft dringend auf den Schutz und die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen zu sein. Ihre Schwangerschaft hat sie durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Frauenärztin Dr. med. ... vom 9. Februar 2009 glaubhaft gemacht. Nach diesem Attest befand sie sich seinerzeit in der 13. Schwangerschaftswoche, mithin heute in der 26. Schwangerschaftswoche. Wenngleich noch keine Vaterschaftsanerkennung durch den Ehemann der Antragstellerin vorgelegt wurde, hegt das Gericht angesichts des Vortrags der Antragstellerin und ihres Ehemannes keinen vernünftigen Zweifel daran, dass dieser der Vater des zu erwartenden Kindes ist. Unter diesen Umständen weist die von der Antragstellerin angestrebte räumliche Nähe zu ihrem Ehemann und dem Vater ihres ungeborenen Kindes eine besondere Intensität auf, die den mit Verfassungsrang ausgestatteten Instituten der Ehe und Familie im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz vergleichbar ist. Zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann und dem Kindesvater wird jedenfalls die einer familiären Beistandsgemeinschaft vergleichbare Solidar-Gemeinschaft angestrebt, in der die Antragstellerin persönliche Lebenshilfe erwarten kann, die von anderen Personen gegenwärtig nicht hinreichend gewährt werden kann. In der Kombination der vorliegenden Umstände liegt nach Überzeugung der Kammer somit ein den Bindungen der Kernfamilie vergleichbarer gewichtiger humanitärer Grund vor, der von der Antragsgegnerin bei der Verteilung der Antragstellerin hätte berücksichtigt werden müssen. Auch wenn die Antragstellerin keinen Anspruch darauf hat, an einen bestimmten Ort verteilt zu werden (§ 15 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG), ist die Verteilung von unerlaubt eingereisten Ausländern im Rahmen des § 15 a Abs. 1 Satz 4 AufenthG von der bestimmten Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen zu veranlassen. Im Rahmen dieser zu treffenden Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nach § 15 a Abs. 1 Satz 6 AufenthG sonstige zwingende Gründe vor der Verteilungsentscheidung zu berücksichtigen, die einer Verteilung an einen bestimmten Ort entgegenstehen und diesen Rechnung zu tragen. Dies ist im vorliegenden Fall offenbar nicht geschehen. [...]