VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2009 - 18 L 1542/09.A - asyl.net: M16122
https://www.asyl.net/rsdb/M16122
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Dublin-Überstellung nach Griechenland.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Zustellung, Griechenland,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1, AsylVfG § 34a Abs. 2, AsylVfG § 27a,
Auszüge:

[...]

Der Antragstellerin fehlt für den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht entgegen, dass ihr die Überstellung nach Griechenland bislang noch nicht konkret in Aussicht gestellt worden ist. Ihr ist gleichwohl nicht zuzumuten, zunächst die Mitteilung des Termins der Zurückschiebung oder gar die Zustellung eines Bescheides nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG abzuwarten. Die Antragsgegnerin hat bisher nicht erklärt, von einer Überstellung der Antragstellerin nach Griechenland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist, vom 18. Februar 2003 (ABl. EU L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1), geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1103/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 (ABI. EU L 304 vom 14. November 2008, S. 80), - Dublin II-VO - Abstand zu nehmen. Dem Antragsteller ist unter diesen Umständen nicht zuzumuten, zunächst die Zustellung eines entsprechenden Bescheides abzuwarten. Es ist zu erwarten, dass die Zustellung erst kurz vor der Abschiebung erfolgt, und sodann kaum Zeit bleibt, um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. Verwaltungsgericht Minden, Beschluss vom 10. September 2009 - 9 L 467/09.A -, NRWE; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - 13 L 1993/08.A -).

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat, der - wie hier - auf dem Wege des § 27 a AsylVfG ermittelt worden ist, zwar nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden; in verfassungskonformer Auslegung dieses Ausschlusses vorläufigen Rechtsschutzes kommt die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO jedoch dann in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung nach § 60 AufenthG in Zweifel ziehende Sachlage im für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben ist. [...]

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.

So liegt es hier.

Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin, der bisherigen Rechtsprechung zur Überstellung von Asylbewerbern nach Griechenland auf der Grundlage der Dublin II-VO (vgl, eine Überstellung nach Griechenland (vorläufig) ablehnend: BVerfG, Beschluss vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 -, juris (§ 32 Abs. 1 BVerfGG); EGMR (II. Sektion), Entscheidung vom 11. März 2009 - 12922/09 (Awdesh ./. Belgien); VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 28. Juli 2009 - 18 L 1084/09.A -, und vom 22. Dezember 2008 - 13 L 1993/08.A -; VG Minden, Beschlüsse vom 9. Oktober 2009 - 9 L 572/09.A - und vom 10. September 2009 - 9 L 467/09.A -, NRW E) sowie den Auskünften zur Lage von Asylbewerbern in Griechenland (vgl. die Ausführungen in dem Beschluss des VG Düsseldorf vom 28. Juli 2009 - 18 L 1084/09.A -) ist im Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Vorgaben das Grundgesetz für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 (99 f.)) trifft, wenn eine Abschiebung in einen nach der Dublin II-VO zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften - hier Griechenland - Verfahrensgegenstand ist, und ob etwaige Vorgaben einer Überstellung - hier nach Griechenland - entgegenstehen (vgl. zu dieser Prüfung im Rahmen der Verfassungsbeschwerde mit Blick auf § 34 a Abs. 2 AsylVfG: BVerfG, Beschluss vom 08. September 2009 - 2 BvQ 56/09 -, juris).

Die Erfolgsaussichten eines diese Prüfung umfassenden Hauptsacheverfahrens sind weder offensichtlich zu verneinen, noch zu bejahen. Denn die Prüfung erfordert die Beantwortung tatsächlich und rechtlich komplexer Fragen, die im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich ist. [...]