VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.11.2009 - 5 L 3691/09.F (V) - asyl.net: M16207
https://www.asyl.net/rsdb/M16207
Leitsatz:

Vorläufige Aussetzung einer Dublin-Überstellung nach Griechenland für die Dauer von sechs Monaten.

Schlagwörter: Dublinverfahren, Dublin II-VO, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1, Dublin II-VO Art. 3 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Die Eilbedürftigkeit folgt daraus, dass in Anbetracht der von dem Bevollmächtigten vorgetragenen Umstände der Antragsteller jederzeit gewärtigen muss, im Rahmen der Dublin II-Verordnung nach Griechenland überstellt zu werden. Darüber hinaus vermag sich der Antragsteller auch auf einen Anordnungsanspruch zu berufen, da er in Griechenland einer Gefährdungssituation ausgesetzt wäre, die vom Konzept der normativen Vergewisserung eines sicheren Drittstaates im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht erfasst wird. Seitens der griechischen Behörden ist im Falle einer Abschiebung nach Griechenland ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren zu befürchten. Davon geht selbst das Bundesamt, wie dem Gericht bekannt ist, für von ihm als besonders schutzbedürftig erachteten Personen aus und sieht von einer Überstellung von Flüchtlingen hohen Alters, minderjährigen Flüchtlingen sowie von Flüchtlingen, bei denen eine Schwangerschaft, ernsthafte Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder besondere Hilfsbedürftigkeit vorliegt, ab. In Anbetracht des Umstandes, dass in Griechenland ein fairer und effektiver Zugang zum Asylverfahren nicht gewährleistet ist, was zwischenzeitlich von etlichen Gerichten ebenfalls angenommen wird (vgl. VG Gießen, B.v. 25.4.2006 - 2 L 201/08.GI.A -, AuAS 2008, 132; VG Karlsruhe, B.v. 23.6.2008 - A 3 K 1412/08 -, AuAS 2008, 165; VG Frankfurt, U.v. 8.7.2009 - 7 K 4376/07.F.A(3) -, AuAS 2009, 189 ff) und das Bundesverfassungsgericht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem vergleichbaren Fall veranlasst hat (BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, B.v. 8.9.2009 - 2 BvR 56/09 -, AuAS 2009, Heft 21), geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Antragsteller mit rechtserheblichen und irreversiblen Nachteilen von einer Inhaftierung bis hin zur Obdachlosigkeit zu rechnen hat. Dem Selbsteintrittsrecht eines Staates gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung korrespondiert ein subjektives Recht des Asylsuchenden auf ermessensfehlerfreie Entscheidung; eine Ermessensreduzierung auf Null kommt danach dann in Betracht, wenn die griechischen Behörden keine konkreten Garantien des Inhalts abgeben, dass bei einer Überstellung nach Griechenland ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren nicht zu befürchten ist. Durch die vorliegend befristet erlassene einstweilige Anordnung erhält die Antragsgegnerin die Möglichkeit, entweder die genannten Garantien der griechischen Regierung bezüglich des Antragstellers beizubringen oder aber von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung Gebrauch zu machen. [...]