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VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Urteil vom 07.10.2009 - 5 K 1623/08.KS.A - asyl.net: M16210
https://www.asyl.net/rsdb/M16210
Leitsatz:

Es besteht weiterhin Verfolgungsgefahr in der Türkei auch für unverfolgt ausgereiste Rückkehrer, die im Ausland in herausgehobener oder führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation aktiv sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben.

Schlagwörter: Flüchtlingsanerkennung, Türkei, Kurden, Asylfolgeantrag, Exilpolitik, subjektive Nachfluchtgründe, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, PKK
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 71 Abs. 1, VwVfG § 51
Auszüge:

[...]

Der Kläger zu 1. ist unverfolgt ausgereist. Insoweit wird auf die Ausführungen auf S. 6-13 des Urteils vom 22.02.2003 (6 E 554/97.A) verwiesen. Den dort getroffenen Feststellungen ist der Kläger zu 1. auch in diesem Asylfolgeverfahren nicht mehr entgegen getreten. Unter Berücksichtigung des danach anzulegenden Maßstabs droht dem Kläger zu 1. bei seiner Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in der Gestalt, dass er im Rahmen der Einreisekontrolle mit einer Überstellung an die politische Abteilung der Polizei verbunden mit der Gefahr von Misshandlung und Folter rechnen muss.

Das Gericht folgt in tatsächlicher Hinsicht den Ausführungen des Hess. VGH im Urteil vom 29.04.2009 (4 A 676/07.A - den Beteiligten mitgeteilt in der Ladungsverfügung), der auf S. 17-20 des Urteilsabdrucks unter Auseinandersetzung mit der aktuellen Erkenntnislage und der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung dargelegt hat, dass ein als Asylbewerber identifizierter Rückkehrer bei Einreise in die Türkei regelmäßig damit rechnen muss, festgehalten und einer intensiven Überprüfung unterzogen zu werden. Dabei kommt es in der Regel noch nicht zu Maßnahmen politischer Verfolgung. Werden Rückkehrer jedoch wegen konkreter Anhaltspunkte für die Begehung von politischen Straftaten, insbesondere durch Unterstützung der PKK, an die politische Abteilung der Polizei überstellt, ist eine andere Beurteilung geboten. Damit ist nämlich die reale Gefahr von Misshandlung und Folter verbunden. Auch wenn Folter und körperliche Misshandlung durch türkische Ermittlungsbehörden in den letzten Jahren zurückgegangen sind, so sind sie doch nicht außer Gebrauch geraten. Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen auch nach aktueller Auskunftslage Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Ziel strafrechtlicher Verfolgung sind insbesondere solche Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten oder als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Dabei finden Misshandlungen außerhalb regulärer Haft nach wie vor statt. [...]