Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft wegen fehlender Anhörung, fehlenden Haftgrundes und fehlender Ermessensausübung; die Kosten trägt die Ausländerbehörde, da keine Notwendigkeit für eine Abschiebung nach Italien mit Hilfe einer Haftanordnung bestand.
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Das Amtsgericht hat die Haftanordnung unmittelbar nach Eingang des Antrags des Beteiligten zu 2 am 13.08.2009 - mit Wirkung ab 17.08.2009 - erlassen, ohne den Betroffenen vorher persönlich anzuhören oder ihm auch nur in sonstiger Weise rechtliches Gehör zu gewähren. Zwar hat es am 17.08.2009 eine Anhörung des Betroffenen unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt; aus dem Anhörungsprotokoll ergibt sich jedoch, dass der Beschluss über die Haftanordnung dem Betroffenen unmittelbar zu Beginn der Anhörung bekannt gegeben wurde. Damit hatte der Betroffene keinerlei Möglichkeit, vor der Entscheidung in der Sache Stellung zu nehmen. Diese Verfahrensweise stellt einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 1 FEVG und verletzt den Betroffenen darüber hinaus in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Einer der Ausnahmefälle, in denen von der vorherigen mündlichen Anhörung abgesehen werden kann (§§ 5 Abs. 2; 11 Abs. 2 S. 2 FEVG) war ersichtlich nicht gegeben. Insbesondere handelt es sich bei der vorliegenden Entscheidung des Amtsgerichts nicht um eine einstweilige Anordnung; selbst in diesem Fall wäre Gefahr im Verzug nicht festgestellt.
Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gilt grundsätzlich auch im Verfahren über die Erstbeschwerde. Das ist in Unterbringungssachen allgemein anerkannt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 70m Rn. 17 m.w.N.) und ergibt sich für den Geltungsbereich des FEVG aus § 7 Abs. 5 FEVG; danach ist die Anhörung lediglich im Verfahren der weiteren Beschwerde entbehrlich. Das Landgericht hat von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen Abstand genommen, ohne dass aus der angefochtenen Entscheidung oder sonst aus der Akte ersichtlich wäre, von welchen Gründen es sich hierbei hat leiten lassen. Auch im Unterbringungsverfahren kann nach den §§ 70m Abs. 3, 69g Abs. 5 FGG ausnahmsweise von der erneuten Anhörung abgesehen werden, wenn sie in erster Instanz zeitnah durchgeführt wurde und neue Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Die hierfür maßgebenden Gründe hat das Beschwerdegericht jedoch darzulegen (vgl.Keidel/KuntzelWinkler, a.a.O., § 69g Rn. 29 m.w.N.); schon hieran fehlt es vollständig. Im vorliegenden Fall wäre eine erneute Anhörung des Betroffenen im Übrigen schon deshalb zwingend erforderlich gewesen, weil das Landgericht seine Entscheidung erstmals auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG gestützt hat; dieser Haftgrund wurde weder von dem Beteiligten zu 2 geltend gemacht noch vom Amtsgericht angenommen.
b) Die Annahme des Landgerichts, der Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG liege vor, beruht auf einer weiteren Gesetzesverletzung. Allerdings kann der Senat die entsprechende Würdigung des Tatrichters nicht uneingeschränkt, sondern lediglich dahin überprüfen, ob dieser die Sachlage hinreichend ermittelt (§ 12 FGG), im Rahmen der rechtlichen Würdigung sich mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und bei seinen Schlussfolgerungen nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze, feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O. § 27, Rn. 43 mit Nachw). Solche Rechtsfehler sind dem Landgericht unterlaufen, weil es in seine Prüfung nicht sämtliche Umstände einbezogen hat. Gegen die Annahme, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen, könnte als gewichtiges Indiz seine soweit ersichtlich freiwillige Meldung in der Gemeinschaftsunterkunft am 17.08.2009 sprechen, zumal schon aus dem Antrag der Beteiligten zu 2 hervorgeht, dass der Betroffene sich jedenfalls zu den Auszahlungsterminen des Versorgungsamts regelmäßig eingefunden hat. Ein derartiges Verhalten wäre kaum nachvollziehbar, wenn der Betroffene tatsächlich hätte untertauchen wollen. Hiermit hätte das Landgericht sich auseinandersetzen müssen; ggf. hätte es im Rahmen einer erneuten Anhörung ergänzende Feststellungen dazu treffen müssen, welche Gründe den Betroffenen zum freiwilligen Erscheinen veranlassten.
c) Auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG, nach der ein ausreisepflichtiger Ausländer auch ohne konkrete Entziehungsabsicht für längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden kann, wenn feststeht, dass die Abschiebung vorgenommen werden kann, erweist sich die Freiheitsentziehung des Betroffenen nicht als rechtmäßig. Das resultiert schon aus den dargelegten Verfahrensfehlern der Vorinstanzen. Darüber hinaus handelt es sich, wie die weitere Beschwerde zutreffend rügt, nach der soweit ersichtlich einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bei § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG um eine Vorschrift, nach der die Anordnung der Haft über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen hinaus in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird. Aus der Entscheidung des Tatrichters muss daher für das Rechtsbeschwerdegericht hervorgehen, dass er ein Ermessen überhaupt ausgeübt hat und von welchen Erwägungen er sich hierbei hat leiten lassen. Ist das nicht der Fall, erweist sich eine auf § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG gestützte Sicherungshaft allein aus diesem Grund als rechtswidrig; im Verfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit kann die Ermessensausübung nicht nachgeholt werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.02.2008, 20 W 42/08, zitiert nach juris; OLG Hamm OLGR 2007, 260 ff.; OLG Köln InfAuslR 2006, 414 f.). Die Begründung des Amtsgerichts hierzu lässt nicht erkennen, dass sich der Richter der Notwendigkeit einer Ermessenausübung überhaupt bewusst war und schon gar nicht, von welchen Erwägungen er sich hat leiten lassen. Nichts anderes gilt für die Entscheidung des Landgerichts.
d) Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der durch das Landgericht gewählte Tenor seines Beschlusses auch dann nicht nachvollziehbar erscheint, wenn die Erstbeschwerdeentscheidung in der Sache zuträfe. Zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Sachentscheidung dauerte die Sicherungshaft noch an; für die ausgesprochen Feststellung der Rechtmäßigkeit bestand schon aus diesem Grund keine Veranlassung; das Landgericht hätte auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Beschwerde des Betroffenen schlicht zurückweisen müssen.
Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens ist im Hinblick auf § 15 Abs. 2 FEVG nicht veranlasst; die Anordnung zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 16 Abs. 1 FEVG. Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten des Betroffenen und zu Lasten der Gebietskörperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, ist maßgeblich, ob das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag. Es kommt also darauf an, wie die Behörde den Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren Ermittlungen angestellt hätte. Zu prüfen ist nicht, ob die Ausländerbehörde die Abschiebung zu Recht betrieben hat; maßgeblich ist nur, ob sich aus der Sicht der Ausländerbehörde die Notwendigkeit ergab, die Abschiebung mit Hilfe einer Haftanordnung durchzusetzen (OLG München OLGR 2006. 269). Danach hat eine Erstattungsanordnung zu ergehen. Insbesondere hat auch die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Antragstellung eine Ermessensausübung nicht zu erkennen gegeben.