Die Kammer geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einem libyschen Staatsangehörigen bereits wegen seiner Asylantragstellung und seines längeren Auslandsaufenthalts in Deutschland bei Rückkehr nach Libyen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG droht. Vorliegend sieht der erkennende Einzelrichter - auch nach Würdigung neuerer anderslautender Rechtsprechung - keine Veranlassung, von der bisherigen Spruchpraxis der Kammer abzuweichen.
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Die Kammer geht bisher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einem libyschen Staatsangehörigen bereits wegen seiner Asylantragstellung und seines längeren Auslandsaufenthalts in Deutschland bei Rückkehr nach Libyen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG droht. [...]
Neuere Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte (VG Düsseldorf vom 03.05.2005 - 16 K 8642/03.A - juris, vom 27.04.2004 -16 K 6068/03.A - juris, nur Leitsatz; Sächs. OVG vom 01.10.2003 - A 5 B 819/01 -, vom 20.08.2003 - A 5 B 815/01- und VG Dresden vom 19.03.2006 - 1 A 30839/04.A - sämtlich juris) sieht allerdings inzwischen eine Veränderung der Sachlage in einer "Öffnung Libyens zum Westen" und dem Umstand, dass Ghaddafi Delegationen von amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen Zutritt nach Libyen gewährt hat. Die Tendenz der zitierten Rechtsprechung geht dahin, eine Rückkehrgefährdung nur zu bejahen, wenn zu dem langen Auslandsaufenthalt und der Asylantragstellung weitere belastende Momente hinzukommen - etwa der Betreffende bereits vor seiner Ausreise oppositioneller Tätigkeit verdächtigt wurde (VG Dresden) oder Familienangehörige bereits wegen oppositioneller Tätigkeit im Inland verfolgt wurden bzw. im Exil bekannt sind (VG Düsseldorf, Sächs. OVG v. 01.10.2003).
Auch nach den von diesen Entscheidungen angelegten Maßstäben droht dem Kläger gegenwärtig politische Verfolgung. Er wurde bereits 1998 unter der falschen Anschuldigung, seinen Vater bei dessen oppositioneller Betätigung gegen das Regime unterstützt zu haben, inhaftiert, ist ins Ausland geflohen und hat dort Asyl beantragt. Den libyschen Behörden ist seine Asylantragstellung auch bekannt geworden - aus Briefen, welche der Kläger an seine Familie geschickt hatte und die in die Hände des Sicherheitsdienstes gelangt sind. Dementsprechend wurde ihm nach seiner freiwilligen Rückkehr Tätigkeit im Ausland unterstellt und die Beantragung von Asyl vorgeworfen. Er wurde ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und misshandelt und hat sich der Haft durch Flucht entzogen. [...]
Selbst bei Zweifeln am Wahrheitsgehalt des Vortags des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal würden nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters seine am 15.08.2005 erfolgte Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland und der seitdem andauernde Auslandsaufenthalt ausreichen, um im Fall seiner gegenwärtigen Rückkehr nach Libyen eine Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG zu begründen. Denn der erkennende Einzelrichter sieht - auch nach Würdigung der zuvor zitierten Rechtsprechung - keine Veranlassung von der bisherigen Spruchpraxis der Kammer abzuweichen. Die Auffassung der zitierten Rechtsprechung, dass keine Verfolgungsgefahr mehr bestehe, sofern nicht noch weitere belastende Momente hinzukommen, erscheint nämlich nicht hinreichend durch einschlägige Erkenntnisse belegt und gesichert. Ungeachtet des Wandels in der libyschen Außenpolitik und der internationalen Anerkennung, die Libyen und sein Regierungschef Ghaddafi inzwischen erfahren, sind keine konkreten Anzeichen für mehr Rechtsstaatlichkeit und Nachlassen der willkürlichen und rechtsstaatliche Prinzipien und Verfahrensweisen missachtenden Verfolgung Oppositioneller im Innern ersichtlich. Der Jahresbericht 2007 von amnesty international zeigt vielmehr, dass sich hier kaum etwas geändert hat. Denselben Eindruck vermittelt auch das Strafverfahren gegen den palästinensischen Arzt und die bulgarischen Krankenschwestern. Das Sächsische OVG stützt seine allgemeine Einschätzung der Situation für Rückkehrer nach Libyen in beiden zit. Entscheidungen u.a. darauf, dass nicht genügend Referenzfälle dokumentiert seien. Im Jahresbericht amnesty international 2007 heißt es dagegen: "Mehrere libysche Staatsbürger wurden bei ihrer Rückkehr nach Libyen wegen angeblicher politischer Aktivitäten im Ausland festgenommen oder auf andere Art und Weise eingeschüchtert. Dies geschah, obwohl den Betroffenen in einigen Fällen offenbar vorher zugesichert worden war, dass sie eine Festnahme nicht zu befürchten hätten." Amnesty international nennt auch einige Personen mit Namen und macht nähere Angaben zu deren Schicksal. Bei den Genannten handelt es sich zwar offenbar um Personen, die durch (exil)politische Betätigung einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hatten bzw. dem Regime aufgefallen waren - wobei sich die Aktivitäten von amnesty international naturgemäß auf eher Prominente fokussieren. Dass amnesty international von der Verhaftung bzw. anderweitigen Verfolgung bestimmter Personen berichtet, ist kein Beleg dafür, dass für sämtliche übrigen Rückkehrer, abweichend von den aus früheren Jahren gesicherten Erkenntnissen, nun keine Gefahr mehr besteht. Zum Beleg dafür, dass Rückkehrer nicht mehr allgemein gefährdet seien, hat sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer Widerrufsentscheidung auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.09.2004 an das VG Düsseldorf berufen, die dem erkennenden Einzelrichter nicht vorliegt; der im dortigen Verwaltungsstreitverfahren am 17.03.2009 an dass Bundesamt gerichteten Aufforderung, diese Auskunft vorzulegen, ist das Bundesamt bisher nicht nachgekommen. Weitere Auskünfte neueren Datums zur Situation libyscher Rückkehrer - etwa seitens des Auswärtigen Amtes bzw. anderer Stellen (z.B. Dt. Orient-Institut) - hat der erkennende Einzelrichter in den ihm zugänglichen Quellen (z.B. der hessischen Datenbank Asylfact) nicht aufgefunden, und es gibt auch offensichtlich seit dem Ad-hoc-Bericht des Auswärtigem Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 02.08.2001 keine weiteren Lageberichte des Auswärtigen Amtes über Libyen mehr. [...]