Das OLG München stellt fest, dass der Haftanordnungsbeschluss des AG Würzburg und der Beschluss des LG Würzburg, soweit er die Haftanordnung aufrechterhält, rechtswidrig waren. Die Beschlüsse lassen nicht erkennen, dass eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ("kann") im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots stattgefunden hat.
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Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass hier nur der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in Betracht kam. Danach kann der Ausländer für die Dauer von längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Es handelt sich dabei - im Gegensatz zu den Haftgründen in Satz 1 - um eine Ermessensvorschrift. Aus der richterlichen Haftanordnung selbst muss deshalb erkennbar sein (vgl. § 6 Abs. 1 FreihEntzG), dass der Richter sich dessen bewusst war und sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat (z.B. Senat vom 16.1.2006, 34 Wx 172/05 = OLG-Report 2006, 269).
Der Beschluss des Beschwerdegerichts lässt nicht erkennen, dass eine pflichtgemäße Ermessensausübung stattgefunden hat. An demselben Mangel leidet auch die amtsgerichtliche Entscheidung. Beide Gerichte haben ausweislich der für den Senat maßgeblichen Beschlussbegründungen (vgl. § 6 Abs. 1 FreihEntzG; vgl. Senat vom 16.1.2006) nicht beachtet, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dem Tatrichter ein Ermessen zukommt, ob er die beantragte Haft anordnet oder nicht.
Das Rechtsbeschwerdegericht kann zwar nicht die sachliche Richtigkeit der tatrichterlichen Ermessenentscheidung nachprüfen. Zu überprüfen ist jedoch, ob der Tatrichter ein Ermessen überhaupt ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu verkannt hat (Senat vom 16.1.2006). An Erwägungen dazu fehlt es in beiden Entscheidungen. Vielmehr geht der jeweilige Tatrichter ersichtlich davon aus, dass mit Ablauf der Ausreisefrist und der Durchführbarkeit der Abschiebung die Haft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Antrag anzuordnen ist. Die Anordnung setzt zwar nach dem Willen des Gesetzgebers nicht (zusätzlich) den begründeten Verdacht voraus, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will. Jedoch hat eine Ermessensausübung ("kann") im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen stattzufinden unter Abwägung mit dem Zweck, im Allgemeininteresse eine zügige Durchführung der vollziehbaren Abschiebung zu sichern (OLG Hamm FGPrax 2004, 53 f.). Auch im Rahmen von § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist daher Voraussetzung einer Haftanordnung die Annahme einer wesentlichen Erschwerung oder Vereitelung der Abschiebung aufgrund konkreter Umstände im Einzelfall, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründen, gerade dieser Betroffene stehe der geplanten Abschiebung ohne Vollzug von Haft nicht zur Verfügung (vgl. OLG Hamburg vom 3.2.2004, 2 Wx 128/02 bei Melchior Abschiebungshaft).
Dazu fehlt es an nachprüfbaren Feststellungen. Die Erforderlichkeit von Haft prüft das Landgericht nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Dauer. Für eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im engeren Sinn (dazu OLG Naumburg vom 13.3.2000, 10 Wx 25/99 bei juris) sieht das Landgericht ersichtlich keinen Raum. Dazu hätte aber bereits deshalb Anlass bestanden, weil die Inhaftnahme des Betroffenen aufgrund einer (nach Aktenlage) freiwilligen Vorsprache des zu keinem Zeitpunkt untergetauchten Betroffenen stattfand. [...]