VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.11.2009 - 7 K 2562/08.F (V) - asyl.net: M16241
https://www.asyl.net/rsdb/M16241
Leitsatz:

Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid wird aufgehoben, da für die Klägerin wegen ihrer falschen Altersangabe zwar zu Unrecht Leistungen nach dem KJHG (Hilfe zur Erziehung) gewährt wurden. Die Leistungen wurden jedoch dem Jugendamt und nicht der Klägerin gewährt, weshalb ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X nicht vorliegt.

Schlagwörter: Jugendhilfe, Rücknahme- und Erstattungsbescheid, Vertrauensschutz, Hilfe zur Erziehung
Normen: SGB X § 50, SGB X § 33 Abs. 1, SGB X § 45 Abs. 2 Satz 3, SGB X § 50, KJHG § 27, KJHG § 34, BGB § 1909, BGB § 1773
Auszüge:

[...]

Die Erstattung der rechtswidrig gewährten Hilfe zur Erziehung, die in tatsächlicher Weise mittelbar der Klägerin in der Form zukam, dass sie vom 01.11.2004 bis 07.10.2005 auf Kosten des Beklagten im Jugenddorf ... untergebracht und voll versorgt war und daneben weitere Bildungs-, Erziehungs- und Geldleistungen erhielt, kann von der Klägerin nicht nach § 50 Abs. 1 SGB X verlangt werden. Schuldner des Erstattungsanspruchs ist derjenige, der im begünstigenden Verwaltungsakt als Leistungsempfänger benannt ist; dies ist hier das Jugendamt des Beklagten. Ein Dritter, der nicht Adressat des begünstigenden Verwaltungsakts ist, kann nur der Erstattungspflichtige nach § 50 Abs. 1 SGB X sein, wenn er bereits im begünstigenden Verwaltungsakt als Leistungsempfänger benannt ist oder der Adressat darin verpflichtet wird, die Leistung an den Dritten weiterzugeben. Dies ist - wie bereits oben ausgeführt - hier nicht der Fall.

Ungeachtet dessen sind die angegriffenen Bescheide aufzuheben, da diese an einem entscheidungserheblichen Ermessensfehler leiden. Über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 Abs. 1 SGB X hat die Beklagte nach Ermessen zu entscheiden. Im Falle der Klägerin hat der Beklagte keinerlei Ermessenserwägungen angestellt, somit liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor. Eine Ermessungsausübung war auch nicht - wie der Beklagte annimmt - wegen des Vorliegens eines Vertrauensausschlusstatbestandes nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X oder aus anderen Gründen entbehrlich.

Es besteht auch kein Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 50 Abs. 2 SGB X. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen zu erstatten, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Dann gelten die §§ 45, 48 SGB X entsprechend. § 50 Abs. 2 SGB X ist jedoch vorliegend nicht einschlägig, da die Leistungsgewährung auf der Grundlage eines begünstigenden Verwaltungsakts erfolgte.

Zudem genügt der Erstattungsbescheid nicht den Anforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Bei einem Erstattungsbescheid muss sich das zugrunde liegende Forderungsverhältnis, die Höhe und der Zeitpunkt der Leistung aus dem Verwaltungsakt ergeben. Setzt sich ein Geldleistungsbescheid aus einer Summe einzelner Rechnungsposten zusammen, sind ferner die Posten in der Begründung aufzuschlüsseln (VGH Kassel, Urteil vom 06.07.1995 - 5 UE 2132/90, NVwZ-RR 1996, 287 ff.) Diese Aufschlüsselung ist weder im Ausgangsbescheid vom 25.02.2008 noch im Widerspruchsbescheid vom 04.08.2008 erfolgt. Es ist weder für die Klägerin als Adressatin der Bescheide als auch für Dritte wie das erkennende Gericht nicht ohne weiteres ersichtlich, wie sich der zurückgeforderte Betrag in Höhe von € 40.974,95 zusammensetzt und berechnet. [...]