BAMF

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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 12.11.2009 - 5342464-423 - asyl.net: M16255
https://www.asyl.net/rsdb/M16255
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen Konversion zum Christentum (Afghanistan).

Schlagwörter: Afghanistan, Flüchtlingsanerkennung, Asylfolgeantrag, Konversion, religiöse Verfolgung, Nachfluchtgründe, nichtstaatliche Verfolgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 1 S. 4 Bst. c
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller gab ferner an, im Oktober 2005 habe ihn seine Schwester aus Afghanistan angerufen, sie habe ihm mitgeteilt, die Mutter sei schwer erkrankt.

Der Antragsteller gab weiter an, kurze Zeit später habe er einen weiteren Anruf seiner Schwester erhalten, seine Schwester habe ihm mitgeteilt, die Mutter sei genesen. Daraufhin habe er, der Antragsteller, seiner Schwester gesagt, für die Heilung der Mutter, für die er gebetet habe, sei Jesus und nicht Iman Reza verantwortlich.

Der Antragsteller führte aus, im November 2005 habe er einen Anruf seines Schwagers aus Afghanistan erhalten, sein Schwager habe ihm vorgeworfen, konvertiert zu sein und sodann bedroht. Der Antragsteller führte ferner aus, Anfang 2006 habe er mehrere Drohanrufe von ihm unbekannten Personen, welche mit einem heratischen Akzent gesprochen hätten, erhalten.

Der Antragsteller führte weiter aus, nachfolgend habe er die o.g. Gemeinde aus Angst - er sei telefonisch mit dem Tode bedroht worden - nicht mehr aufgesucht.

Der Antragsteller gab an, Mitte 2007 habe er den Besuch eines alten Bekannten aus Herat erhalten. Der Bekannte habe ihm u.a. mitgeteilt, unter seinen früheren Nachbarn in Herat sei bekannt, dass er, der Antragsteller, konvertiert sei.

Der Antragsteller gab ferner an, in der Folgezeit habe er durch den Kontakt zu Freunden, welche der o.g. Gemeinde angehören, sich wieder mit christlichen Lehre, der Bibel, beschäftigt, es sei ihm bewusst geworden, er werde von Jesus beschützt.

Der Antragsteller gab weiter an, seit Juli 2008 besuche er wieder regelmäßig die Gottesdienste der o.g. Gemeinde, er werde von Pastorin der Gemeinde ... auf seine Taufe vorbereitet.

Der Antragsteller gab abschließend an, in Afghanistan werde man ihn töten.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2009, hier eingegangen am 13.08.2009, übersandte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte dem Bundesamt die Taufurkunde des Antragstellers vom 31.05.2009 sowie eine schriftliche Stellungnahme der Pastorin ... vom 22.07.2009. In der vorgenannten Stellungnahme führt die Pastorin u.a. aus, sie prüfe die Konversionsabsicht eines jeden Bewerbers genau, sie sei überzeugt davon, dass der Antragsteller ein wahrer Christ sei und durch seinen Glauben lebe. [...]

Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist gem. § 60 Abs. 1 AufenthG zunächst die Prüfung, ob eine politische Verfolgung vorliegt. Insoweit entspricht die Regelung des § 60 Abs. 1 AufenthG den Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 16 a Abs. 1 GG.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG ist jedoch weiter gefasst. So können die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann erfüllt sein, wenn ein Asylanspruch aus Art. 16 a Abs. 1 GG trotz drohender politischer Verfolgung - etwa wegen der Einreise über einen sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG) oder anderweitige Sicherheit vor Verfolgung (§ 27 Abs. 1 AsylVfG) - ausscheidet.

Daneben geht auch die Regelung über die Verfolgung durch "nichtstaatliche Akteure" (§ 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG) über den Schutzbereich des Art. 16 a GG hinaus, der eine zumindest mittelbare staatliche oder quasistaatliche Verfolgung voraussetzt. [...]

Aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhaltes und der hier vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der Ausländer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen i.S. von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt sein würde. [...]