VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Beschluss vom 21.10.2009 - 5 B 101/09 - asyl.net: M16282
https://www.asyl.net/rsdb/M16282
Leitsatz:

Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung - hier Gemeinschaftsunterkunft der Ausländerbehörde - und der Beginn einer gesetzlichen Frist hängen nicht davon ab, dass der Leiter der Einrichtung oder der von ihm zur Entgegennahme von zuzustellenden Schriftstücken ermächtigte Bedienstete das zugestellte Schriftstück noch am Tag der Zustellung an den Adressaten weiterleitet und sich die Weiterleitung unter Angabe des Datums vom Adressaten unterschriftlich bestätigen lässt.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ersatzzustellung, Zustellung, Aufnahmeeinrichtung, Fristversäumnis, Klagefrist,
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 3 S. 1, NdsVwZG § 1 Abs. 1, NdsVwZG § 3 Abs. 2, ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 3, AsylVfG § 74 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellte, bei der Kammer erst am 06.10.2009 per Telefax eingegangene Antrag ist bereits unzulässig, denn der Antragsteller hat die einwöchige Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt. Der in der anhängigen Hauptsache - 5 A 247/09 - vom Antragsteller angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 23.09.2009 ist dem Antragsteller ausweislich der zu den vom BAMF übersandten Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde in der Gemeinschaftsunterkunft der ZAAB Niedersachsen in F. am 28.09.2009 ersatzweise durch Übergabe des Schriftstückes an die zum Empfang ermächtigte Vertreterin des Leiters dieser Gemeinschaftseinrichtung, Frau G. H., zugestellt worden. Damit gilt die Zustellung gemäß §§ 1 Abs. 1 NdsVwZG, 3 Abs. 2 VwZG, 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als an diesem Tage - Montag, dem 28.09.2009 - bewirkt. Sowohl die Antragsfrist als auch die einwöchige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG liefen danach am Montag, dem 05.10.2009, um 24:00 Uhr ab.

Entgegen der Auffassung der Beklagten, vgl. den mit Schriftsatz vom 15.10.2009 zur Gerichtsakte gereichten Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters vom 14.10.2009, kommt es für den Zeitpunkt und die Wirksamkeit der Ersatzzustellung des angefochtenen Bescheides in der Gemeinschaftsunterkunft der ZAAB in F. nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der zum Empfang der Postsendung ermächtigte Bedienstete der Gemeinschaftseinrichtung das zugestellte Schriftstück an den Antragsteller als Adressaten tatsächlich weitergeleitet hat und ob er sich die Weiterleitung vom Antragsteller unter Angabe des genauen Zeitpunkts unterschriftlich hat bestätigen lassen. Ein derartiges Verfahren mag zwar behördenintern angezeigt sein, damit der zum Empfang der Postsendung ermächtigte Bedienstete dem möglichen Vorwurf verzögerter Weiterleitung des Schriftstückes an den Adressaten wirksam entgegen treten kann, wird jedoch von § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorausgesetzt. Dem Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung oder dem von ihm zum Empfang der Postsendung ermächtigten Bediensteten obliegt lediglich die Rechtspflicht, das Schriftstück dem Adressaten alsbald (so Stöber in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Aufl., § 178 Rn. 2 a.E.), oder - wozu die Kammer neigt - unverzüglich (so Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 66. Aufl., § 178 Rn. 1), d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), auszuhändigen. Vorsätzliche Nichtaushändigung wäre für den Leiter oder den Bediensteten gemäß §§ 246, 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, stellt für den Bereich des öffentlichen Dienstes darüber hinaus ein Dienstvergehen dar und kann - ebenso wie die verspätete Aushändigung des Schriftstückes - Schadensersatzansprüche nach sich ziehen (vgl. Stöber in: Zöller, a.a.O., § 178 Rn. 2 a.E.). Die unterlassene oder verspätete Weiterleitung macht die Ersatzzustellung indes nicht von vorn herein unwirksam; sie kann allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund liefern, etwa dann, wenn die verspätete Weiterleitung allein ursächlich für die Versäumnis einer gesetzlichen Frist ist. Hierfür ist vorliegend weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. [...]