VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Beschluss vom 26.11.2009 - 5 B 108/09 - asyl.net: M16285
https://www.asyl.net/rsdb/M16285
Leitsatz:

Bislang bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass jeder kurdische Volkszugehörige, der nach Inkrafttreten des Deutsch-Syrischen Rückführungsabkommens zu Beginn dieses Jahres nunmehr nach Syrien zurückgeführt werden kann, über die seit Jahren von den syrischen Sicherheitskräften praktizierte Befragung anlässlich der Wiedereinreise nach Syrien hinaus der konkreten Gefahr einer länger andauernden Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen oder körperlichen Misshandlungen während des Verhörs ausgesetzt ist. Vielmehr bedarf es einer konkreten Betrachtung des Einzelfalls.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Abschiebungsverbot, Exilpolitik, Yekiti-Partei der Einheit, Kurden, Syrien
Normen: VwGO § 123, AufenthG § 60 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Ein Anordnungsanspruch ergibt sich im Hinblick auf das mögliche Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, denn die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass sie sich seit 13 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und sich der Antragsteller zu 1.) während dieser Zeit - wenn auch niedrigprofiliert - exilpolitisch für die sog. "Yekiti-Partei der Einheit" betätigt und im Internet auf der Seite "www.germyakurda.net" einen regimekritischen Artikel veröffentlicht hat. Das VG Oldenburg hat in seinem im Asylerstverfahren der Antragsteller ergangenen Urteil vom 17. Februar 1999 - 11 A 1369/97 - in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich die Antragsteller bereits während ihrer Zeit in Syrien zumindest als Sympathisanten der Kurdisch Demokratischen Partei der Einheit "Yekiti" betätigt und dargestellt haben. Es hat weiter ausgeführt, dass Syrer mit einem mehrjährigen unerlaubten Auslandsaufenthalt bei der Wiedereinreise nach Syrien in einen verschärften Erklärungszwang geraten und ggf. mit verschärften Verhörmethoden konfrontiert werden können. Insofern wird die Kammer im Hauptsacheverfahren aufzuklären haben, ob die Antragsteller im Januar 1997 mit Genehmigung der syrischen Stellen aus Syrien ausgereist und in die Bundesrepublik eingereist sind. Hierfür könnte sprechen, dass sie offensichtlich von Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland an stets im Besitz syrischer Nationalpässe gewesen sind und nach deren Verlust zu Beginn dieses Jahres offensichtlich ohne weitere Probleme über die syrische Botschaft in Deutschland neue syrische Pässe ausgestellt bekommen haben. Sollte die weitere Sachverhaltsaufklärung in der Hauptsache ergeben, dass die Antragsteller erlaubt aus Syrien ausgereist sind und sie während ihres Aufenthalts durch ihre Handlungen das Ansehen des syrischen Staates nicht beschädigt haben, kann die Gefahr einer länger andauernden, ggf. unter menschenunwürdigen Bedingungen erfolgenden Inhaftierung bei der Wiedereinreise nach Syrien aller Voraussicht nach ausgeschlossen werden. Die Kammer hat in ihrem im Verfahren 5 B 114/09 ergangenen Beschluss bereits darauf hingewiesen - und das hat das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid auch zutreffend ausgeführt -, dass es bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass jeder kurdische Volkszugehörige, der nach Inkrafttreten des Deutsch-Syrischen Rückführungsabkommens zu Beginn dieses Jahres nunmehr nach Syrien zurückgeführt werden kann, über die seit Jahren von den syrischen Sicherheitskräften praktizierte Befragung anlässlich der Wiedereinreise des Betroffenen nach Syrien hinaus der konkreten Gefahr einer länger andauernden Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen oder körperlichen Misshandlungen während des Verhörs ausgesetzt ist. Vielmehr bedarf es einer konkreten Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls.

Sollte allerdings die weitere Sachverhaltsaufklärung ergeben, dass die Situation der Antragsteller mit der des Klägers in dem den Beteiligten bekannten und bei der Kammer anhängigen Verfahren 5 A 203/08 vergleichbar ist - die im Verfahren 5 A 203/08 eingeholten Gutachten des RA Uwe Brocks und des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 15. November 2009 kommen im Ergebnis übereinstimmend zu einer Rückkehrgefährdung des Klägers -, kann aller Voraussicht nach die Beklagte zumindest zur Feststellung eines Abschiebeverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG verpflichtet werden.

Insoweit wird zur weiteren Begründung des Erfordernisses der Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes bei derzeit offenem Ausgang des anhängigen Hauptsacheverfahrens auf die Ausführungen der Kammer in ihrem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 5 B 94/09 - (auszugsweise zit. in: Asylmagazin 11/2009, S. 21) verwiesen. [...]