OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.09.2009 - 18 B 1398/09 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 36] - asyl.net: M16292
https://www.asyl.net/rsdb/M16292
Leitsatz:

Keine Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach dem Bleiberecht (§ 104 a AufenthG) wegen strafrechtlicher Verurteilungen. Es ist nicht Aufgabe der Ausländerbehörde, einen Antrag auf vorzeitige Tilgung in jedem Einzelfall zu prüfen und ggf. zu stellen.

Negative Integrationsprognose für die volljährig gewordene Tochter (§ 104 a Abs. 2 AufenthG), da sie in Deutschland keine schulische oder berufliche Ausbildung erhalten hat und ihre strafrechtlichen Verurteilungen nicht ohne Bedeutung sind.

Schlagwörter: Roma, Kosovo, Abschiebungshindernis, Reintegration, Bleiberecht, strafrechtliche Verurteilung, Integrationsprognose, vorzeitige Tilgung, Zumutbarkeit
Normen: EMRK Art. 8, AsylVfG § 42 S. 1, AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 6, BZRG § 49, AufenthG § 104a Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...] Soweit die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Reintegration als Erwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in das Recht auf Privatleben nach Art. 8 EMRK angesprochen ist, folgt der Senat den diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts.

Soweit die Antragsteller zu 1. – 6. hierzu mit der Beschwerde vortragen, sämtliche Familienangehörige der Antragstellerin zu 1. lebten außerhalb des Kosovo, ist bereits nicht ersichtlich, dass nicht eine gemeinsame Rückkehr mit dem gleichfalls vollziehbar ausreisepflichtigen Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1. bzw. Vater der Antragsteller zu 2. - 6. in Betracht kommt. Dass dieser ebenfalls nicht über soziale oder sonstige Bindungen im Kosovo verfügt, auf die die Antragsteller zu 1. bis 6. bei einer Rückkehr zumindest vorübergehend zurückgreifen können, ist nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin zu 1. hat mit der Beschwerde auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 104a Abs. 1 AufenthG zusteht. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehen ihre strafrechtliche Verurteilungen entgegen (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Verurteilungen wegen Straftaten sind im Rahmen des § 104 a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG grundsätzlich so lange zu beachten, bis sie durch Zeitablauf oder aufgrund einer Anordnung der Registerbehörde vorzeitig getilgt sind. Es ist im Rahmen eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung nicht Aufgabe der Ausländerbehörde, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein absoluter Ausnahmefall für eine vorzeitige Tilgung nach § 49 BZRG in Betracht kommen könnte und bejahendenfalls einen solchen Antrag zu stellen. Dringende persönliche Gründe im Sinne des § 60 a Abs. 2 Satz 3 AufenthG können allerdings vorliegen, wenn der Ausländer für Zwecke der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung einen Antrag auf vorzeitige Tilgung bei der Registerbehörde gestellt hat, dieser hinreichende Erfolgsaussichten aufweist, die sonstigen Voraussetzungen der Altfallregelung vorliegen und überwiegende gegenläufige öffentliche Interessen an der umgehenden Aufenthaltsbeendigung nicht bestehen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 17 B 1779/07 -). [...]

Soweit die Antragstellerin zu 1. meint, ihr stehe jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu, ist dem nicht zu folgen. Ein solcher Anspruch setzt u.a. voraus, dass gewährleistet erscheint, dass das volljährige Kind sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Dies lässt sich für die Antragstellerin zu 1., die ersichtlich im Bundesgebiet keine schulische oder berufliche Ausbildung erhalten hat, nicht feststellen. Anders als die Antragstellerin zu 1. meint, kommt ihren strafrechtlichen Verurteilungen auch in diesem Zusammenhang Bedeutung zu. Nichts anderes ist dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 2009 - C 40.07 - zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit lediglich ausgeführt, dass die nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderliche positive Integrationsprognose jedenfalls bei der Verurteilung zu einer Strafe, die doppelt so hoch ist wie die Tagessatz-Grenze in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG, in aller Regel nicht getroffen werden kann. Abgesehen davon steht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Ermessen der Behörde. Dass das dem Antragsgegner eingeräumte Ermessen auch im Falle des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen auf Null reduziert wäre, ist weder von den Antragstellern zu 1. - 6. vorgetragen worden noch sonstwie ersichtlich. [...]