VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 28.10.2009 - 9 A 2134/08 - asyl.net: M16301
https://www.asyl.net/rsdb/M16301
Leitsatz:

Der Kläger, ein amerikanischer Staatsangehöriger, unterliegt der Arbeitsmarkt- und Vorrangprüfung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis (§ 39 Abs. 2 AufenthG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 34 BeschV und dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 (FHSV). Die Revision wird zugelassen.

Schlagwörter: Arbeitsgenehmigung, amerikanischer Staatsbürger, Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954, FHSV, Meistbegünstigung, Grundsatz der Inländerbehandlung, Vorrangprüfung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, subjektives Recht, Fiktionswirkung
Normen: AufenthG § 18, AufenthG § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b, BeschV § 34, VwGO § 124a Abs. 2 Satz 1, VwGO § 60, AufenthG § 81 Abs. 4
Auszüge:

[...]

Das Rechtsmittel erweist sich insbesondere nicht deshalb bereits als unzulässig, weil dessen Einlegung durch den Kläger erst nach Ablauf der einmonatigen Frist nach § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgt ist. Hinsichtlich der versäumten Einlegungsfrist ist dem Kläger die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach näherer Bestimmung des § 60 VwGO zu gewähren, da er seinen zuvor gestellten Antrag auf Zubilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Durchführung des Berufungsverfahrens innerhalb der laufenden Monatsfrist gestellt und die versäumte Rechtshandlung unmittelbar nach Ergehen der stattgebenden Entscheidung des Senats über seinen Prozesskostenhilfeantrag nachgeholt hat (vgl. dazu auch: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rdnr. 5, m. w. N.). [...]

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Kläger als amerikanischer Staatsbürger in Ansehung der Vereinbarungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika mit dem FHSV getroffen worden sind, von dem Zustimmungsvorbehalt nach § 39 AufenthG freigestellt ist oder aber zumindest verlangen kann, ohne Durchführung der in diesem Rahmen seitens der Arbeitsverwaltung regelmäßig durchzuführenden Vorrangprüfung gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 1b der Regelung zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen zu werden.

Die Gewährleistung einer aufenthaltsrechtlichen Besserstellung bzw. Privilegierung amerikanischer Staatsangehöriger gegenüber sonstigen nicht bevorrechtigten Drittstaatsangehörigen in diesem Sinne vermag der Senat aus den Rechten, die die Vertragsstaaten ihren Staatsangehörigen mit dem FHSV wechselseitig zugestanden haben, nicht abzuleiten. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil zu Recht den in Art. II Abs. 1 FHSV niedergelegten Grundsatz herausgestellt, wonach die Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsteils das Gebiet des anderen Vertragsteils (nur) "nach Maßgabe der Gesetze über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern" betreten, darin frei reisen und an Orten ihrer Wahl wohnen dürfen. Damit haben die Vertragsparteien den Staatsangehörigen des Vertragspartners zwar einerseits einen Anspruch darauf eingeräumt, dass über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Recht entschieden wird. Die vertragsschließenden Staaten haben sich hiermit jedoch zugleich die Anwendbarkeit ihres jeweils geltenden nationalen Aufenthaltsrechts vorbehalten. Dieser Vorbehalt gilt uneingeschränkt für sämtliche Bestimmungen, die die Einreise und den Aufenthalt von ausländischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet regeln und damit für das formelle und materielle Aufenthaltsrecht in seiner Gesamtheit. Der oben genannten Vertragsbestimmung und auch dem Vertrag im Übrigen ist nichts dafür zu entnehmen, dass das nationale Aufenthaltsrecht für die Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaates nach dem Willen der Vertragspartner ungeachtet dieses Vorbehalts ganz oder teilweise abgeändert werden sollte (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 32. Oktober 2006 - 13 S 1943/06 -, Juris). Entsprechende Hinweise finden sich auch in dem zum FHSV begleitend ergangenen Zusatzprotokoll nicht. Dieses verweist zwar unter Nr. 8 Satz 2 in Bezug auf den Bedeutungsgehalt des in Art. VII Abs. 1 FSHV niedergelegten Grundsatzes der sog. Inländerbehandlung (vgl. zu dieser Begrifflichkeit die Definition in Art. XXV Abs. 1 FSHV) auf das von den Vertragspartnern erzielte Übereinkommen, dass jedem Vertragsteil gemäß Nr. 8 Satz 1 des Zusatzprotokolls vorbehaltene Recht, für ausländische Arbeitnehmer innerhalb seines Gebiets das Erfordernis von Arbeitsgenehmigungen vorzusehen, gegenüber den Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils "in liberaler Weise anzuwenden". Aus dieser - auf die Arbeitsmarktregulierung zugeschnittenen - Formulierung kann jedoch ebenfalls nicht auf eine Absicht der Vertragstaaten geschlossen werden, dass die Anwendung des jeweils geltenden nationalen Aufenthaltsrechts mit dem Vertragsschluss irgendwelchen Einschränkungen oder Modifikationen unterworfen werden sollte. Liegt die maßgebliche Bedeutung des Vorbehalts nach Art. II Satz 1 FSHV danach in seiner uneingeschränkten Bezugnahme auf das jeweilige Aufenthaltsrecht der Vertragsstaaten, vermögen auch die den Staatsangehörigen der Vertragspartner vertraglich zugesicherten Rechte aus Art. 7 Abs. 1 FHSV (Inländerbehandlung) und Art. 7 Abs. 4 FHSV (Meistbegünstigung) erst dann und nur insoweit Wirkung zu entfalten, als sich ein amerikanischer Staatsangehöriger bereits im Einklang mit dem geltenden Aufenthaltsrecht - d. h. erlaubt - zu einem Zweck, der von den entsprechenden Vertragsbestimmungen erfasst ist, im Bundesgebiet aufhält. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend herausgearbeitet hat, bewirken diese vertraglichen Gewährleistungen gerade keine Durchbrechung des in Art. 2 Abs. 1 FHSV niedergelegten Prinzips, sondern kommen unter vorstehend ausgeführter Voraussetzung überhaupt erst zum Tragen. [...]

Die Frage danach, ob und inwieweit aus den vertraglichen Bestimmungen des FHSV überhaupt abgeleitet werden kann, dass die Vertragsstaaten einzelnen Personen hiermit subjektive Rechte eingeräumt haben, bedarf danach keiner weiteren Vertiefung (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2004 - 14 A 1937/99 -, Juris, sowie zumindest hinsichtlich der sog. Meistbegünstigungsklausel zweifelnd BVerwG, Beschluss vom 5. April 2005 - BVerwG 6 B 2/05 -, ebenfalls Juris). [...]

Für den Kläger folgt aus vorstehenden Ausführungen, dass er sein auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausübung einer Erwerbstätigkeit bei der Firma ... Gebäudedienste gerichtetes Begehren trotz der Behandlung, die amerikanischen Staatsangehörigen nach Art. VII Abs. 1 FHSV (Inländerbehandlung) und gemäß Art. VII Abs. 4 FHSV (Meistbegünstigung) zu gewähren ist, ohne jede Einschränkung an den einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Vorschriften messen lassen muss. Er kann insbesondere nicht verlangen, von der nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b AufenthG durch die Beigeladene vorgenommenen Vorrangprüfung, die ein für ihn ungünstiges Ergebnis erbracht hat, freigestellt zu werden. Maßgeblich ist insoweit, dass der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet ungeachtet dessen, dass er mit einem Visum und damit erlaubt nach Deutschland eingereist ist, jedenfalls derzeit nicht mehr durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gedeckt ist. Denn die ihm nach der Einreise nach Deutschland am 13. Oktober 2007 beschränkt auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Facharbeiter bei der Firma ... Bau-GmbH in Limburg/Lahn am 8. November 2007 erteilte Aufenthaltserlaubnis war lediglich bis zum 31. März 2008 gültig und wurde seitdem nicht mehr verlängert. Zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nötigt auch nicht der Umstand, dass der Kläger seinen Antrag auf Erlaubniserteilung bezüglich der von ihm beabsichtigten Arbeitsaufnahme bei der Firma ... Gebäudedienste noch vor Ablauf der Geltungsdauer der ihm seinerzeit erteilten Aufenthaltserlaubnis gestellt hat und ihm im Hinblick darauf eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgestellt worden ist. Denn dies vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, dass der Kläger für den von ihm nunmehr angestrebten - durch die ihm zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht erfassten - Aufenthaltszweck eine Aufenthaltserlaubnis benötigt, die ihm den rechtmäßigen Zugang zum Arbeitsmarkt ausdrücklich erlaubt. Die nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus der rechtzeitigen Antragstellung resultierende Fortgeltungsfiktion der ursprünglichen - ein anderes Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber betreffenden - Aufenthaltserlaubnis steht dem Besitz eines solchen Aufenthaltstitels nicht gleich (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 13 S 1943/06, a. a. O.). [...]