VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 01.07.2009 - A 1 K 1584/08 - asyl.net: M16338
https://www.asyl.net/rsdb/M16338
Leitsatz:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen weiterhin bestehender Verfolgungsgefahr in Togo (Exilpolitik, PDR).

Schlagwörter: Widerruf, Widerrufsverfahren, Togo, Flüchtlingsanerkennung, Wegfall der Umstände, Exilpolitik, PDR
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG. [...]

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 AsylVfG liegen nicht vor. [...]

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass er nach wie vor in Deutschland umfangreich und herausgehoben exilpolitisch tätig ist. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der anschaulich und lebendig vorgetragenen und mit Fotos und Dokumenten untermauerten Angaben des Klägers zu zweifeln. Er ist nach wie vor Generalsekretär der PDR Deutschland. [...]

Nach den dem Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass solcher Art exponiert exilpolitisch tätige Togoer bei einer Rückkehr nach Togo nicht hinreichend sicher vor politischer Verfolgung sind. Zwar hat sich seit dem Amtsantritt Faure Gnassingbes die politische Lage zunehmend gebessert (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 02.06.2009, Stand: April 2009; siehe auch Beschluss des BayVGH vom 03.06.2009 - 9 B 09.30074 -), nach wie vor bestehen jedoch schwerwiegende Menschenrechtsprobleme (vgl. U.S. Department of State, Human Rights Report 2008, 25.02.2009). Im Menschenrechtsbericht des U.S. Department of State wird berichtet von willkürlichen und geheimen Verhaftungen von Personen sowie davon, dass es entgegen den Angaben der Regierung politische Gefangene gebe. Amnesty international (Amnesty Report 2009) berichtet über Misshandlungen von Häftlingen und unmenschliche Haftbedingungen; Häftlinge würden bei Verhören von Beamten mit Polizeibefugnissen misshandelt und geschlagen (siehe im Einzelnen Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter vom 06.01.2008). Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe besteht trotz Verbesserung der politischen Ausgangslage der Opposition und anzunehmender Sicherheit für hochrangige, internationale bekannte Oppositionelle - zu denen der Kläger nicht gehört - gerade für "einfache" Oppositionelle die Gefahr heimlicher Verhaftung, Bedrohung oder Folterung (SFH Länderanalyse zu Togo, Mitgliedschaft bei der UFC, 18.05.2009). Dabei geht die Gefahr nicht unbedingt von Anweisungen der Regierung selbst aus, sondern vielmehr von Mitgliedern der Regierungspartei, die ohne Systematik ungebremst Einzelpersonen unter Druck setzen (SFH, a.a.O.).

Die Würdigung der genannten Stellungnahmen und Auskünfte ergibt, dass der Kläger sowohl zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung als auch jetzt im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts in Togo nicht hinreichend sicher vor politischer Verfolgung ist. [...]

Zwar ist die PDR, deren Generalsekretär er in Deutschland ist, im Jahr 2005 in die togoische Regierung eingebunden worden. Bei den letzten Parlamentswahlen hat die Präsidentenpartei RPT jedoch die absolute Mehrheit errungen; an der Regierung sind jetzt keinerlei Oppositionsparteien mehr beteiligt. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts ist aber vor allem, dass der Kläger selbst nach wie vor eine sehr kritische Position gegenüber der Regierung einnimmt und diese Position regelmäßig auf von ihm selbst unter seinem Namen organisierten Veranstaltungen öffentlich vertritt. Damit unterscheidet er sich von Oppositionellen "mit niedrigem politischen Profil" (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19.6.2008 - 4 L 338/05 -, juris). Es ist daher davon auszugehen, dass seine Aktivitäten in Togo bekannt sind und er der Opposition zugerechnet wird. Seine öffentlichen kritischen Aktivitäten gehen weit über die bloße Mitgliedschaft in einer togoischen Exilorganisation hinaus - die nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht Stand: April 2009) keine Repressionen auslöst. Hinzu kommt, dass Oppositionelle, die in Europa gelebt haben, von den Behörden viel argwöhnischer beobachtet werden als diejenigen, welche in Ghana oder Benin Zuflucht gefunden haben (vgl. SFH, a.a.O.).