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Zitieren als:
, Bescheid vom 16.12.2009 - 5282846-432 - asyl.net: M16370
https://www.asyl.net/rsdb/M16370
Leitsatz:

Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG für einen Vietnamesen mit HIV-Erkrankung (Stadium A) und Hepatitis C, da die erforderliche Kombinationstherapie für ihn in Vietnam nicht erreichbar ist.

Schlagwörter: Vietnam, Abschiebungshindernis, Abschiebungsverbot, Krankheit, medizinische Versorgung, Finanzierung, HIV/Aids, Hepatitis C,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Zwar wird aus ärztlichen Bescheinigungen ersichtlich, dass sich die HIV-Erkrankung beim Antragsteller noch im Stadium A1 befindet und eine antiretrovirale Therapie (ART) bislang noch nicht begonnen wurde. So waren spezifische (Infektions-)Krankheiten, die der HIV-Infektion ursächlich zuzuordnen sind, zum Zeitpunkt des letzten Attestes noch nicht ausgebrochen. Auch lässt die Anzahl der CD4-Lymphozyten, welche dem aktuell vorgelegten Laborauszug zu entnehmen ist (im vorliegendem Fall 1059 Zellen/Tausendstel ml [Richtwert liegt laut Laborauszug bei 410-1590 Zellen/ Tausendstel ml]), den Rückschluss zu, dass derzeit noch von einem vergleichsweise stabilen Zustand des Antragstellers ausgegangen werden kann (erst bei Werten unter 500 Zellen geht man von Laborkategorie 2 aus, vgl. www.opus-bayern.de/uni-wuerzburg/volltexte/2002/92/pdf/feichtinger.pdf). Diese Annahme wird auch durch den konstanten HIV-RNA Wert, der als Maß für die Geschwindigkeit der Krankheitsprogression angesehen wird, bestätigt. So hat sich der HIV- RNA Wert (aktuell 14800 RNA-Kopien /pro ml Blut) seit der erstmaligen Laboruntersuchung (2007: 13100 RNA-Kopien/ml) nur unwesentlich geändert.

Allerdings leidet der Antragsteller neben der HIV-Infektion auch an einer Hepatitis-Infektion, bei der laut ärztlichem Attest die Indikation zur Behandlung besteht.

Bei sogenannten Koinfektionen verläuft die Hepatitis C aufgrund der Immunschwäche deutlich schneller, und bei ihnen findet sich über 5 mal häufiger eine Zirrhose als bei Patienten ohne eine HIV-Infektion. Lebererkrankungen sind deshalb die wichtigste Todesursache im Rahmen einer Immunschwächekrankheit (vgl. www.medicoconsult.de/wiki/Hepatitis C, www.hepatitis-care.de/koinfektion/index. htm?sid=9df097976ff67d2e01 b1 f04fe3d528a4.) Durch die Hepatitis C-Therapie kann das Virus in über der Hälfte der Fälle aber vollständig eliminiert werden. In den übrigen Fällen ist möglicherweise zumindest eine Verlangsamung des Fortschreitens der Leberschädigung zu erreichen. Lebensqualität und Lebenserwartung können dadurch beträchtlich erhöht werden.

In der modernen Behandlung von chronischer Hepatitis C-Infektionen wird eine Kombination aus zwei Arzneimitteln eingesetzt: das synthetisch hergestellte Ribavirin und pegyliertes Alpha-Interferon ((vgl. sciencev1.orf.at/sciencev1.orf.at/science/news/115517.html).

Der Zugang zu einer solchen Kombinationstherapie ist für den Antragsteller im Heimatland aber nicht gewährleistet. Zwar bieten einige Krankenhäuser (welche ausschließlich in den größeren Städten von Vietnam angesiedelt sind) antiretrovirale Therapien an, allerdings haben die Betroffenen keinen Anspruch auf eine kostenfreie bzw. kostengünstige Therapie (vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft <Vietnam>, 08.08.2006, RK 516.50 SE chronische HIV[0]-Infektion). Sie haben nur die Möglichkeit, sich als HIV-Erkrankter für eine Behandlung registrieren zu lassen, um in das von der amerikanischen Regierung finanzierte Programm PEPFAR ("The United States President‘s Emergency Plan for AIDS Relief") schrittweise aufgenommen zu werden (vgl. www.pepfar.qov/countries/vietnam/index.htm, abgerufen am 23.06.2009). Für die übrigen gilt: Den vietnamesischen Staatsangehörigen, die eine nationale Krankenversicherung haben, werden etwa 80% der Medikamenten- bzw. Behandlungskosten erstattet. Patienten ohne Krankenversicherung tragen die Kosten selbst (vgl. Österreich/Bundesasylamt, RF/Medizinische Versorgung/Hepatitis B, 09.02.2009). [...]

Da weder eine Kostenübernahmeerklärung von der hiesigen Ausländerbehörde vorliegt, noch solvente Angehörige des Antragstellers im Heimatland leben und der Antragsteller auch nicht zu dem Kreis der anspruchsberechtigten Krankenversicherten gehört, besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass er für die Behandlungs- und Untersuchungskosten selbst aufkommen muss. So kosten bereits die Tests zur Bestimmung der Viruslast 50 US$, für die CD4/CD8-Tests werden den Patienten zwischen 20 und 30 US$ berechnet (vgl. Deutschland / Botschaft <Vietnam>, 08.08.2006, RK 516.50 SE chronische HIV-Infektion).

D.h., selbst wenn medizinisches Fachpersonal, Medikamente und Laboruntersuchungen vor Ort verfügbar sind, ist nicht sichergestellt, dass diese für den Antragsteller auch tatsächlich zugänglich sind, da die Finanzierung der erforderlichen medizinische Versorgung im erforderlichen Umfang nicht gewährleistet ist. [...]