Im Nordirak steht dem Kläger als Angehörigen einer der PUK nahestehenden Familie eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
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Das Gericht ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger diese Voraussetzungen vorliegen. Offen bleiben kann, ob die DPK den Kläger - wie er befürchtet - im Gebiet um Arbil bedrohen würde, denn ihm stand vor der Ausreise und steht auch jetzt im von der PUK bestimmten Gebiet um Sulaimaniya eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Die zur Gruppen Verfolgung und zur inländischen Fluchtalternative entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar (BVerwG vom 18.7.2006 Rn. 21 BVerwGE 126, 243). Zur Frage der Niederlassung im Nordirak hat das Europäische Zentrum für Kurdische Studien in einer Auskunft an das Verwaltungsgericht Köln vom 26.5.2008 ausgeführt: "In Suleymaniya müssen sich alle Binnenvertriebenen - auch kurdische im allgemeinen bzw. Kurden muslimischen Glaubens ... - bei der Einreise an den von der KRG eingerichteten Checkpoints registrieren lassen; ein Bürge ist nicht für die Einreise, wohl aber für die Niederlassung erforderlich, sofern eine Person nicht aus Suleymaniya, Erbil oder Dohuk stammt ... Die Abteilung für Niederlassung im Sicherheitsdepartement entscheidet über die Vergabe einer temporären Aufenthaltserlaubnis. Überprüft werden dabei die Gründe für die Umsiedlung sowie die Frage, ob es sich bei der Person um ein Sicherheitsrisiko handelt. Sofern die Sicherheitsprüfung positiv ausfällt, erhalten Personen eine Aufenthaltserlaubnis von 3 bis 6 Monaten, die verlängert werden kann. Sofern Binnenvertriebene von den lokalen Behörden eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sind sie keinerlei formellen Arbeitsbeschränkungen unterworfen und dürfen Wohnungen/Häuser mieten." Dass der aus Arbil stammende und der PUK nahe stehende Kläger in Sulaimaniya auch tatsächlich Schutz erhalten kann, zeigt bereits die Tatsache, dass er vor und im Zusammenhang mit seiner Ausreise von PUK-Leuten unterstützt wurde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass ihm dort durch DPK-Leute Gefahren drohen. [...]
Im von der PUK bestimmten Gebiet im Nordirak, in das der Kläger - wie dargelegt - einreisen kann, herrscht derzeit trotz der schwierigen Lage kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2, der den Kläger ernsthaft individuell bedrohen würde. Dies ergibt die Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel trotz der insgesamt weiterhin angespannten Situation. Das Auswärtige Amt führt im Lagebericht vom 12.8.2009 aus: "Die Milizen der Kurdischen Peshmerga haben in der autonomen Region Kurdistan-Irak quasi-staatliche Aufgaben übernommen. Sie schützen die kurdische Autonomieregion effizient vor Terroranschlägen; es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sie dabei Menschenrechtsverletzungen begehen. ... In den unter autonomer kurdischer Verwaltung stehenden Gebieten des Nordirak (Region Kurdistan-Irak) ist die Sicherheitslage deutlich besser als in Bagdad und dem Rest des Landes. Anschläge finden aber auch hier statt. So fielen im Mai 2007 etwa 50 Menschen einem Selbstmordattentat auf das kurdische Innenministerium in Arbil zum Opfer. Am 10. März 2008 wurden mindestens zwei Menschen bei einer Bombenexplosion vor einem internationalen Hotel in Sulaimaniya getötet ... Auch die Lage in der Region Kurdistan-Irak ist von willkürlichen Verhaftungen, mangelnder Rechtsstaatlichkeit, Richtermangel und ungenügend kontrollierten Sicherheitskräften gekennzeichnet. Die Asayish-Sicherheitskräfte operieren außerhalb der Kontrolle des zuständigen Innenministeriums. In mehreren Fällen kamen von ordentlichen Gerichten freigesprochene Angeklagte in den Asayish-Gefängnissen in Haft. Haftbesuche sind nur eingeschränkt möglich. Die kurdische Regionalregierung zeigte sich bemüht, die Situation zu verbessern und die Sicherheitskräfte stärker zu kontrollieren ... Insgesamt sind die Lebensbedingungen in den unter kurdischer Autonomie stehenden Teilen des Nordirak besser als im übrigen Staatsgebiet. Doch ist die Sicherheitslage auch dort nicht zuletzt wegen fortwährender, offener Meinungsverschiedenheiten in den politischen Programmen der Kurdenparteien Patriotic Union of Kurdistan (PUK) und Kurdistan Democratic Party (KDP), aber auch zwischen der kurdischen Regionalregierung und der irakischen Zentralregierung angespannt. In den kurdisch kontrollierten Gebieten sind extremistische Vereinigungen wie Ansar as-Sunna terroristisch aktiv. Ein ausreichender Schutz für gefährdete Minderheiten ist somit - trotz der Bemühungen der Regionalregierung - nicht immer möglich. Die Regionalregierung führt die Verwaltung und die rein kurdischen Sicherheitskräfte mit straffer Hand. Die Menschenrechtslage in der von patriarchalischen Traditionen geprägten Region ist nicht befriedigend: es gibt willkürliche Verhaftungen, ungenügend kontrollierte Sicherheitskräfte und Gewalt gegen Frauen. Im September 2006 wurde die Todesstrafe eingeführt ... Die massive innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak birgt die Gefahr einer Destabilisierung der Region ... Nach glaubwürdigen Berichten von Human Rights Watch kommt es in Gefängnissen der Asayish in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken, z.B. durch Schläge mit Kabeln, Wasserschläuchen, Holzstöcken und Metallstangen, durch das Halten von Gefangenen in Stresspositionen über längere Zeiträume, tagelanges Fesseln und Verbinden der Augen sowie ausgedehnte Einzelhaft. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht. Allerdings ist das Bemühen der kurdischen Regionalregierung erkennbar, die Haftbedingungen zu verbessern und systematische Folterungen abzustellen."
Auch unter Berücksichtigung der dargestellten weiterhin äußerst angespannten Lage sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger als Angehöriger einer der PUK nahestehenden Familie, der schon vor seiner Ausreise unter deren Schutz stand, bei einer Rückkehr in ein von der PUK dominiertes Gebiet ernsthaften und individuellen Gefährdungen etwa durch DPK-Leute ausgesetzt sein würde. [...]