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VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2009 - 4 K 2203/09 - asyl.net: M16460
https://www.asyl.net/rsdb/M16460
Leitsatz:

Amtlicher Leitsatz: Es verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 4 des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit, wenn in Deutschland geborene Minderjährige nur bei der Sicherung des Lebensunterhalts nach Ermessen eingebürgert werden.

Schlagwörter: Einbürgerung, Einbürgerungszusicherung, Ermessen, Sicherung des Lebensunterhalts, Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit
Normen: StAG § 10 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 3, StAG § 8 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

[...]

II. Die Klägerin kann auch aus § 8 Abs. 1 StAG voraussichtlich keinen Anspruch herleiten. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift dürften nicht vorliegen (dazu unter 1.). Im Übrigen dürften die Ermessenserwägungen der Beklagten nicht zu beanstanden sein (dazu unter 2.).

1. Tatbestandlich setzt § 8 Abs. 1 StAG voraus, dass der Ausländer imstande ist, sich und seine Angehörigen zu ernähren (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Mit anderen Worten muss der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, die nicht auf Eigenleistungen des Ausländers beruhen, gesichert sein. Hängt die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts von einem unterhaltsverpflichteten Dritten ab, so kommt es darauf an, inwieweit der Dritte leistungsfähig und der Unterhaltsanspruch durchsetzbar ist (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 8 StAG, Rn. 37). Nach diesen Maßgaben dürfte ein Anspruch der Klägerin ausscheiden. Die elfjährige Klägerin, ihre unterhaltsverpflichtete Mutter sowie der unter dem 30.10.2009 der Geburtsurkunde beigeschriebene und wohl ebenfalls unterhaltsverpflichtete Vater leben ganz überwiegend von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nur in geringem Umfang von etwa 200,- EUR trägt die Mutter durch ihre Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt bei, sodass der Unterhaltsanspruch der Klägerin ins Leere läuft.

Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemachten völkerrechtlichen Bedenken teilt die Kammer nicht. Zwar ist es richtig, dass Art. 6 Abs. 4 lit. e) und f) des im Rahmen des Europarates geschlossenen Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (ratifiziert durch die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 13.05.2004, BGBl. II 2004, 578) die Bundesrepublik verpflichtet, die Einbürgerung von Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren sind und die sich dort rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten sowie von Personen, die sich seit einem durch das innerstaatliche Recht des betroffenen Vertragsstaats festgelegten Zeitpunkt vor Vollendung des 18. Lebensjahrs rechtmäßig und gewöhnlich in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, zu erleichtern. Unabhängig davon aber, ob aus diesem Abkommen überhaupt unmittelbar Rechte der Klägerin folgen oder ob nicht vielmehr eine allein staatengerichtete Verpflichtung besteht, zwingt das Abkommen die Bundesrepublik – und erst recht das an Recht und Gesetz gebundene Verwaltungsgericht – offenkundig nicht dazu, das Kriterium der Lebensunterhaltssicherung bei hier geborenen oder minderjährigen Einbürgerungsbewerbern aufzugeben. Für eine solche Schlussfolgerung gibt bereits der Wortlaut des Abkommens nichts her. Im Gegensatz zu einzelnen konkreten Pflichten (vgl. etwa im Hinblick auf Mindestaufenthaltszeiten in Art. 6 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens) überlässt es Art. 6 Abs. 4 den Vertragsstaaten, durch welche Maßnahmen die Einbürgerung erleichtert wird. Insofern betont Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens ausdrücklich die Souveränität der Vertragsstaaten, nach ihrem eigenen Recht zu bestimmen, wer ihre Staatsangehörigen sind. Die Bundesrepublik hat Erleichterungen geschaffen; derartige Maßnahmen finden sich etwa in § 10 Abs. 2 und 4 Satz 2 StAG. Dass diese vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraums der Bundesrepublik völlig unzureichend sind, vermag die Kammer nicht festzustellen. [...]