Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, da einer Erteilung nach § 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (PTBS, Gefahr der Retraumatisierung in Bosnien-Herzegowina und Kroatien) die Sperrwirkung einer Ausweisung entgegensteht.
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II. Ein Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufentG) oder aus § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (der den nahezu inhaltsgleichen § 32 AuslG 1990 ersetzt hat) i.V.m. den sog. "Bosnien-Erlassen" des Nds. MI (Nr. 2.1 des RdErl. vom 15. Dezember 2000 - 45.31-12230/1-1 (§ 32) N4 -, Nds. MBl. 2001, 267; Nr. 2.1 des RdErl. vom 22. Mai 2001 - 45.31-12230/1-1 (§ 32) N6 -, Nds. MBl. 2001, 492) kommt nicht in Betracht. Diesen Ansprüchen steht bereits - auch heute noch - die Sperrwirkung der Ausweisung i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen. Nach dieser Norm darf einem ausgewiesenen Ausländer selbst bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen vor. Der Kläger war bereits durch bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 19. April 1982 nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AuslG 1965 wegen illegaler Einreise und illegaler Beschäftigung aus Deutschland unbefristet ausgewiesen worden. Dieser Bescheid ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, RA Dr. ..., kraft einer vom Kläger am 4. März 1982 eingeräumten Zustellungsvollmacht i.S.d. §§ 7 VwZG, § 1 Abs. 1 NVwZG am 23. April 1982 gegen PZU wirksam zugestellt worden und daher gegenüber dem davon betroffenen Kläger wirksam geworden (§§ 43 Abs. 1, 41 Abs. 5 VwGO, § 1 Abs. 1. NVwVfG). Vor diesem Hintergrund ist es ohne Belang, dass der Kläger selbst bereits früher, nämlich am 7. März 1982, aus dem Bundesgebiet ausgereist war und deshalb ggf. von der gegen ihn gerichteten Ausweisung zunächst keine Kenntnis hatte (vgl. seine Einlassung im Rahmen einer am 14. Oktober 1983 durchgeführten grenzpolizeilichen Vernehmung). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1965 durfte einem ausgewiesenen Ausländer keine "Aufenthaltserlaubnis" erteilt werden. Mit diesem Terminus waren damals alle nach dem AuslG 1965 erforderlichen und erteilbaren Aufenthaltstitel gemeint (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1965), so dass sich die eingetretene Sperrwirkung - wie heute in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - in sachlicher Hinsicht grundsätzlich auf alle Aufenthaltstitel nach dem AufenthG (Ausnahme: § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG) bezieht.
Die nach dem AuslG 1965 erzeugte Sperrwirkung wirkt auch zeitlich bis heute gegen den Kläger fort. Während der Geltung des späteren AuslG 1990 (1. Januar 1991 bis 31. Dezember 2004) blieb sie nämlich gemäß § 95 Abs. 1 AuslG 1990 aufrechterhalten. § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990 kannte eine Sperrwirkung mit gleichem Umfang wie § 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG .1965. Zwar wurde darin bestimmt, dass "einem Ausländer ... keine Aufenthaltsgenehmigung" erteilt wird. Mit diesem Oberbegriff waren nach der Systematik des AuslG 1990 (vgl. dessen § 5 Abs. 1) indes alle nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1990 erforderlichen Aufenthaltstitel (Ausnahmen z.B.: Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 ff. AuslG 1990) gemeint. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gilt die in der Zwischenzeit aufrechterhaltene Sperrwirkung der Ausweisung auch seit dem 1. Januar 2005 weiterhin als fortbestehend. Eine Befristung dieser Wirkung der Ausweisung (vgl. §§ 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965, 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990, 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Der Kläger hat auch keinen darauf gerichteten Antrag bei der Beklagten gestellt. [...]
III. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch aus § 25 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AufenthG zu. Nach diesen Vorschriften soll Ausländern, die vollziehbar ausreisepflichtig sind und seit mindestens 18 Monaten geduldet werden, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ihre Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. [...]
Nach diesen Kriterien und Abgrenzungen ist die Kammer aufgrund der widerspruchsfreien und auch im Übrigen glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, aufgrund der eingereichten ärztlichen, fachärztlichen und psychologischen Atteste und Stellungnahmen sowie aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat, davon überzeugt, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung nach Traumatisierung (ptBS) leidet, die ihre Ursache in Ereignissen und Erlebnissen an der Grenze zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina findet und mit einer Retraumatisierungs- und Suizidgefahr für den Fall einer Rückkehr in diese beiden Staaten einhergeht. [...]
Diese Diagnose ist auch in sich stimmig und nachvollziehbar. Der Kläger hat zur Überzeugung der Kammer im Zusammenhang mit militärischen Angriffen ein Trauma erlitten und erfüllt damit das sog. A-Kriterium i.S.d. Katalogs F43.1 der ICD-10. Das traumaauslösende Ereignis lag hier darin, dass der Kläger im Jahre 1992 während des Kroatienkrieges, als er in .../Kroatien wohnte, wiederholt massivem Granatbeschuss ausgesetzt war. [...]
Die Kammer geht auch davon aus, dass bei dem Kläger eine Retraumatisierungsgefahr besteht, die bei einer Ausreise nach Kroatien oder Bosnien-Herzegowina alsbald zu einer ernsthaften Suizidgefahr führen würde. Dies ergibt sich insbesondere aus der aktuellen Stellungnahme des Asklepios-Fachklinikums vom 25. November 2009, aber auch bereits aus dem Attest Dr. ... vom 20. April 2007. Für Kroatien folgt eine Retraumatisierungsgefahr daraus, dass sich die traumaauslösenden Ereignisse auf kroatischem Staatsgebiet zugetragen haben. Bezüglich Bosnien-Herzegowina sieht die Kammer die Besorgnis einer Retratimatisierung des Klägers deshalb als gegeben an, weil die Granatangriffe damals von bosnischem Gebiet aus (dem sog. Brcko-Korridor aus) verübt wurden, das sich in unmittelbarer Nähe zu .../Kroatien befindet und eine kulturelle und regionale Ähnlichkeit mit dem eigentlichen Herkunftsgebiet aufweist (vgl. zum parallelen grenzüberschreitenden Verhältnis Mazedonien-Kosovo das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 1. Oktober 2009 - 4 A 1/09 -, S. 6 des Urteilsabdrucks).
Auf die zwischen den Beteiligten weiteren streitigen Fragen einer auch kroatischen Staatsangehörigkeit des Klägers, einer Behandelbarkeit der psychischen Erkrankungen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina kommt es angesichts der Retraumatisierungsgefahr nicht mehr an (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12. September 2007 - 8 LB 210/05 Beschluss vom 26. Juni 2007 - 11 LB 398/05 -, NVwZ-RR 2008, 280 [281]). Offenbleiben kann daher auch, ob die auf zwei Jahre ab Rückkehr beschränkten Kostenübernahmeerklärungen des Landes Niedersachsen und der Beklagten hinsichtlich der vom Kläger benötigten Medikamente ausreichen würden, eine konkrete erhebliche Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszuschließen.
2. Das Ermessen der Beklagten, von der Einhaltung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen aus § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abzusehen. hat sich im Falle des Klägers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf Null reduziert. [...]